Gerade unter indigenen Völkern ist Analphabetismus ein ernstes Problem. Grundsätzlich findet der Unterricht zumeist in der dominanten Sprache statt - in Guatemala also auf Spanisch. Der Gebrauch der Muttersprache auf dem Schulgelände wird häufig verboten. Viele Kinder brechen ihre Schullaufbahn ab, weil sie ihre Lehrer nicht verstehen und deren Unterricht als diskriminierend empfinden. Deshalb kann zweisprachiger Unterricht sinnvoll sein. Trotzdem wird darüber in Guatemala eine heftige Debatte geführt, nicht selten begleitet von rassistischen Untertönen.
Im westlichen Hochland des kleinen, mittelamerikanischen Landes Guatemala bringen die ersten Sonnenstrahlen den Tau der Hügel des Mayadorfes Cabrican zum glänzen. In dem nahe gelegenen Weiler Buena Vista übertönt ein Konzert kleiner gelber Küken das Krähen ausgewachsener Hähne, die den bevorstehenden Tag ankündigen.
In den meisten Familien der schlichten Hütten Cabricans wird noch immer die Mayasprache Mam gesprochen, die auch nach jahrhunderte langer spanischer Herrschaft die Muttersprache der meisten Kinder dieser Region geblieben ist. Doch sobald diese Kinder eingeschult werden, müssen sie Spanisch sprechen.
In Guatemala existieren bis heute 22 verschiedene Mayasprachen.
Die Grundschule des Weilers Buena Vista ist die erste Schule der Region von Cabrican, in der die Schüler auch Mam, die indigene Sprache ihrer Eltern, sprechen dürfen. Im Unterricht der Erstklässler lernen die Kinder die spanischen Worte für die Grundfarben, die sie auf Mam schon lange kennen. Zahlen hingegen kennen sie vor allem auf Spanisch, weshalb sich die Lehrerin Mühe gibt, beim Erläutern der Rechenaufgaben die Zahlen immer auch mit den entsprechenden Mam- Worten zu benennen. So schwingt die Sprache während des Unterrichts mehrmals hin und her. Die Inhalte prägen sich in den kleinen Köpfen doppelt ein und die Kinder lernen, sich auf Spanisch genauso sicher zu verständigen wie in ihrer Muttersprache Mam.
Der guatemaltekische Journalist Estuardo Zapeta stammt selber aus dem Mayavolk der K'iche'. Er hält die Forderung nach zweisprachigem Schulunterricht für mehr als einen abstrakten Aspekt der Diskussion um die kulturelle Identität der Mayas.
" Das Thema berührt ganz praktische Fragen mit Konsequenzen für uns alle. Zum Beispiel wird der zweisprachige Unterricht beeinflussen, welche Sprache in den Gerichtssälen gesprochen wird. Die Dezentralisierung wird gefördert. In welcher Sprache werden die Ärzte mit ihren Patienten reden. Niemand möchte zu dem Lebensstandard unserer Vorfahren zurückkehren. Der Computer zum Beispiel gehört der ganzen Menschheit. Doch so wie wir die Kultur des Westens wertschätzen und vieles übernommen haben, so sollten auch andere Kulturen uns kennen lernen und respektieren."
Viele guatemaltekische Lehrer und Lehrerinnen halten die Mayasprachen für einen Ausdruck von Unterentwicklung und Rückständigkeit. Noch ist die kleine Grundschule des Weilers Buena Vista eine Ausnahme. Ihr Direktor, Rocael Baten, ist in Cabrican aufgewachsen. Er selbst spricht auch Mam.
" In den meisten Schulen Guatemalas werden die Mayakinder diskriminiert. Schon am ersten Schultag, wenn der Lehrer die Kinder auf Spanisch nach ihrem Namen fragt, werden diejenigen, die nicht antworten können, weil sie die Frage nicht verstehen, als dumm und zurückgeblieben abgestempelt. Wir hier in Buena Vista hingegen versuchen, die Kinder so zu behandeln, wie sie sind - in ihrer Sprache und mit ihren Umgangsformen."
Die Analphabetenrate unter den erwachsenen Mayas liegt in einigen Gebieten Guatemalas bei siebzig Prozent. Jahrhunderte lang hatten sie fast keine Möglichkeit, eine Ausbildung zu bekommen. Auch Rocael Baten musste sich auf Grund seiner Herkunft gegen zahlreiche Widerstände durchsetzen.
" Früher wurde uns gesagt: 'Du bist ein Indio, du kannst nicht zur Schule gehen.' Aber ich wusste immer, dass auch ich etwas lernen kann. Ich glaube, mein Vater hat nicht ein einziges Mal eine Schulklasse von innen gesehen. Er kann weder schreiben noch lesen. Meine Mutter auch nicht. Man hat ihnen gesagt: 'Die Schule ist nichts für euch. Die Schule ist nur für Leute, die Spanisch sprechen. Aber ihr sprecht Mam und deshalb habt ihr kein Recht auf eine Ausbildung."
Eine der zweisprachigen Lehrerinnen der Grundschule des Weilers Buena Vista ist Olivama de Perez. Sie empfindet es als besondere Motivation, den Kindern in ihrer Muttersprache Mam die kulturellen Werte ihres Volkes näher bringen zu können.
" Ein wichtiges Element der Philosophie dieser Schule ist die Bewahrung der Mayakultur. Wir wollen verhindern, dass unsere Bräuche verloren gehen. Zum Beispiel ist uns aufgefallen, dass die Kinder häufig auf Spanisch grüßen, obwohl die Mehrzahl der Eltern Mam spricht. Sie sagen: "Buenas dias", anstelle des Mam- Wortes "Xisri". Früher grüßten die Kinder hier in Cabrican einen älteren Mann oder eine ältere Frau, indem sie ihre Hand in Richtung der Stirn der Älteren führten. Wir versuchen, solche Zeichen des Respekts zu bewahren."
Indem die Schule das Interesse der Kinder für ihre Muttersprache und die Kultur ihrer Vorfahren weckt stärkt sie gleichzeitig auch die Position der älteren Generation. Die zehnjährige Elvira erzählt:
" Meine Großmutter hilft uns mit den Hausaufgaben in Mam. Sie bringt uns viele Worte bei, die wir nicht kennen. Wenn wir eine Frage haben, gehen wir zu ihr. Sie kann nämlich sehr gut Mam sprechen."
Der zweisprachige Unterricht erleichtert besonders den Erstklässlern ihren Einstieg in den Schulalltag, denn zu Hause sprechen sie fast nie Spanisch. Aber auch der zwölfjährige Viertklässler Benjamin ist stolz auf seine Schule:
" Ich finde es gut, dass wir im Unterricht Mam sprechen dürfen. Spanisch ist zwar wichtig, aber unsere eigentliche Sprache ist Mam, die Sprache unserer Kultur."
Die Kinder lernen beide Sprachen als gleichwertig kennen. Mit ihrer Familie und den Nachbarn sprechen sie Mam. Spanisch ist die Sprache, die ihnen die Welt außerhalb ihres Dorfes öffnet - die Sprache der Städte, des Fernsehens und der staatlichen Behörden.
Der Schuldirektor Rocael Baten meint, die zweisprachige Ausbildung stärke das kulturelle Selbstbewusstsein seiner Schülerinnen und Schüler.
" Wenn diese Kinder einmal erwachsen sind, werden sie sich nicht für ihre Herkunft schämen. Wenn ihnen jemand sagt: 'Warum trägst du diese Tracht?' Oder: 'Warum sprichst du Mam? Du bist doch Lehrer, warum sprichst du noch immer diese rückständige Sprache?' Dann werden sie wissen, dass sie ungerechtfertigt diskriminiert werden, dass ihre Sprache und Kultur wichtig und wertvoll sind. Ich glaube, diese Kinder werden sich in Zukunft selbstsicherer fühlen als frühere Generationen."
Bislang war es in Guatemala keineswegs selbstverständlich, dass Mayakinder mit einem positiven Bewusstsein gegenüber ihrer kulturellen Herkunft aufwachsen.
" Viele Leute meinen, unsere Bemühungen um die Stärkung der Mayakultur sei eine Art Vergeltungsschlag gegen die spanischen Einflüsse. Als ob wir zu dem zurückkehren wollten was früher war. Es geht aber vielmehr darum, ein harmonisches Umfeld zu schaffen, in dem alle die Möglichkeit haben, sich und ihre Gemeinde weiterzuentwickeln. Deshalb ist es wichtig, der Bewahrung unserer Kultur besondere Aufmerksamkeit zu schenken, denn die meisten Guatemalteken sind Nachkommen der Mayas. Nur relativ wenige Menschen kamen hierher - damals, als die Kulturen aufeinander trafen."
Im westlichen Hochland des kleinen, mittelamerikanischen Landes Guatemala bringen die ersten Sonnenstrahlen den Tau der Hügel des Mayadorfes Cabrican zum glänzen. In dem nahe gelegenen Weiler Buena Vista übertönt ein Konzert kleiner gelber Küken das Krähen ausgewachsener Hähne, die den bevorstehenden Tag ankündigen.
In den meisten Familien der schlichten Hütten Cabricans wird noch immer die Mayasprache Mam gesprochen, die auch nach jahrhunderte langer spanischer Herrschaft die Muttersprache der meisten Kinder dieser Region geblieben ist. Doch sobald diese Kinder eingeschult werden, müssen sie Spanisch sprechen.
In Guatemala existieren bis heute 22 verschiedene Mayasprachen.
Die Grundschule des Weilers Buena Vista ist die erste Schule der Region von Cabrican, in der die Schüler auch Mam, die indigene Sprache ihrer Eltern, sprechen dürfen. Im Unterricht der Erstklässler lernen die Kinder die spanischen Worte für die Grundfarben, die sie auf Mam schon lange kennen. Zahlen hingegen kennen sie vor allem auf Spanisch, weshalb sich die Lehrerin Mühe gibt, beim Erläutern der Rechenaufgaben die Zahlen immer auch mit den entsprechenden Mam- Worten zu benennen. So schwingt die Sprache während des Unterrichts mehrmals hin und her. Die Inhalte prägen sich in den kleinen Köpfen doppelt ein und die Kinder lernen, sich auf Spanisch genauso sicher zu verständigen wie in ihrer Muttersprache Mam.
Der guatemaltekische Journalist Estuardo Zapeta stammt selber aus dem Mayavolk der K'iche'. Er hält die Forderung nach zweisprachigem Schulunterricht für mehr als einen abstrakten Aspekt der Diskussion um die kulturelle Identität der Mayas.
" Das Thema berührt ganz praktische Fragen mit Konsequenzen für uns alle. Zum Beispiel wird der zweisprachige Unterricht beeinflussen, welche Sprache in den Gerichtssälen gesprochen wird. Die Dezentralisierung wird gefördert. In welcher Sprache werden die Ärzte mit ihren Patienten reden. Niemand möchte zu dem Lebensstandard unserer Vorfahren zurückkehren. Der Computer zum Beispiel gehört der ganzen Menschheit. Doch so wie wir die Kultur des Westens wertschätzen und vieles übernommen haben, so sollten auch andere Kulturen uns kennen lernen und respektieren."
Viele guatemaltekische Lehrer und Lehrerinnen halten die Mayasprachen für einen Ausdruck von Unterentwicklung und Rückständigkeit. Noch ist die kleine Grundschule des Weilers Buena Vista eine Ausnahme. Ihr Direktor, Rocael Baten, ist in Cabrican aufgewachsen. Er selbst spricht auch Mam.
" In den meisten Schulen Guatemalas werden die Mayakinder diskriminiert. Schon am ersten Schultag, wenn der Lehrer die Kinder auf Spanisch nach ihrem Namen fragt, werden diejenigen, die nicht antworten können, weil sie die Frage nicht verstehen, als dumm und zurückgeblieben abgestempelt. Wir hier in Buena Vista hingegen versuchen, die Kinder so zu behandeln, wie sie sind - in ihrer Sprache und mit ihren Umgangsformen."
Die Analphabetenrate unter den erwachsenen Mayas liegt in einigen Gebieten Guatemalas bei siebzig Prozent. Jahrhunderte lang hatten sie fast keine Möglichkeit, eine Ausbildung zu bekommen. Auch Rocael Baten musste sich auf Grund seiner Herkunft gegen zahlreiche Widerstände durchsetzen.
" Früher wurde uns gesagt: 'Du bist ein Indio, du kannst nicht zur Schule gehen.' Aber ich wusste immer, dass auch ich etwas lernen kann. Ich glaube, mein Vater hat nicht ein einziges Mal eine Schulklasse von innen gesehen. Er kann weder schreiben noch lesen. Meine Mutter auch nicht. Man hat ihnen gesagt: 'Die Schule ist nichts für euch. Die Schule ist nur für Leute, die Spanisch sprechen. Aber ihr sprecht Mam und deshalb habt ihr kein Recht auf eine Ausbildung."
Eine der zweisprachigen Lehrerinnen der Grundschule des Weilers Buena Vista ist Olivama de Perez. Sie empfindet es als besondere Motivation, den Kindern in ihrer Muttersprache Mam die kulturellen Werte ihres Volkes näher bringen zu können.
" Ein wichtiges Element der Philosophie dieser Schule ist die Bewahrung der Mayakultur. Wir wollen verhindern, dass unsere Bräuche verloren gehen. Zum Beispiel ist uns aufgefallen, dass die Kinder häufig auf Spanisch grüßen, obwohl die Mehrzahl der Eltern Mam spricht. Sie sagen: "Buenas dias", anstelle des Mam- Wortes "Xisri". Früher grüßten die Kinder hier in Cabrican einen älteren Mann oder eine ältere Frau, indem sie ihre Hand in Richtung der Stirn der Älteren führten. Wir versuchen, solche Zeichen des Respekts zu bewahren."
Indem die Schule das Interesse der Kinder für ihre Muttersprache und die Kultur ihrer Vorfahren weckt stärkt sie gleichzeitig auch die Position der älteren Generation. Die zehnjährige Elvira erzählt:
" Meine Großmutter hilft uns mit den Hausaufgaben in Mam. Sie bringt uns viele Worte bei, die wir nicht kennen. Wenn wir eine Frage haben, gehen wir zu ihr. Sie kann nämlich sehr gut Mam sprechen."
Der zweisprachige Unterricht erleichtert besonders den Erstklässlern ihren Einstieg in den Schulalltag, denn zu Hause sprechen sie fast nie Spanisch. Aber auch der zwölfjährige Viertklässler Benjamin ist stolz auf seine Schule:
" Ich finde es gut, dass wir im Unterricht Mam sprechen dürfen. Spanisch ist zwar wichtig, aber unsere eigentliche Sprache ist Mam, die Sprache unserer Kultur."
Die Kinder lernen beide Sprachen als gleichwertig kennen. Mit ihrer Familie und den Nachbarn sprechen sie Mam. Spanisch ist die Sprache, die ihnen die Welt außerhalb ihres Dorfes öffnet - die Sprache der Städte, des Fernsehens und der staatlichen Behörden.
Der Schuldirektor Rocael Baten meint, die zweisprachige Ausbildung stärke das kulturelle Selbstbewusstsein seiner Schülerinnen und Schüler.
" Wenn diese Kinder einmal erwachsen sind, werden sie sich nicht für ihre Herkunft schämen. Wenn ihnen jemand sagt: 'Warum trägst du diese Tracht?' Oder: 'Warum sprichst du Mam? Du bist doch Lehrer, warum sprichst du noch immer diese rückständige Sprache?' Dann werden sie wissen, dass sie ungerechtfertigt diskriminiert werden, dass ihre Sprache und Kultur wichtig und wertvoll sind. Ich glaube, diese Kinder werden sich in Zukunft selbstsicherer fühlen als frühere Generationen."
Bislang war es in Guatemala keineswegs selbstverständlich, dass Mayakinder mit einem positiven Bewusstsein gegenüber ihrer kulturellen Herkunft aufwachsen.
" Viele Leute meinen, unsere Bemühungen um die Stärkung der Mayakultur sei eine Art Vergeltungsschlag gegen die spanischen Einflüsse. Als ob wir zu dem zurückkehren wollten was früher war. Es geht aber vielmehr darum, ein harmonisches Umfeld zu schaffen, in dem alle die Möglichkeit haben, sich und ihre Gemeinde weiterzuentwickeln. Deshalb ist es wichtig, der Bewahrung unserer Kultur besondere Aufmerksamkeit zu schenken, denn die meisten Guatemalteken sind Nachkommen der Mayas. Nur relativ wenige Menschen kamen hierher - damals, als die Kulturen aufeinander trafen."