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"Zweit- und Drittrundeneffekte nicht außer Acht lassen"

Der Schuldenschnitt für Griechenland hat auch für kleinere Finanzinstitute Konsequenzen. Er könne zu einer Verteuerung von Krediten führen, meint Michael Breuer. "Und das würde dann eher unsere Kunden, unsere mittelständischen Kunden und unsere kommunalen Kredite betreffen", sagt der Chef des Sparkassen- und Giroverbandes Rheinland.

Michael Breuer im Gespräch mit Jürgen Zurheide |
    Jürgen Zurheide: Wir wollen jetzt die Perspektive wechseln. Das war gerade Europa, die große Rettung, wir wollen jetzt mal andersrum schauen. Was heißt eigentlich das, was auf der europäischen Bühne passiert, für die Banken, für die Banken in Deutschland, für die kleine Sparkasse, für die Volksbank, aber auch für andere Banken? Das wollen wir beleuchten. Und das wollen wir mit einem tun, der sich dort besonders gut auskennt – ich begrüße den Chef des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes, Michael Breuer, am Telefon. Guten Morgen, Herr Breuer!

    Michael Breuer: Guten Morgen, Herr Zurheide!

    Zurheide: Herr Breuer, zunächst einmal, wenn wir uns mal der Grundfrage zuwenden, haben wir eine Bankenkrise, haben wir eine Staatsschuldenkrise. Jetzt sind Sie natürlich Banker, und ich ahne, wie Ihre Antwort aussehen wird, aber als Chef oder als Sparkassenchef des öffentlich-rechtlichen Systems haben Sie ja da möglicherweise einen besonderen Blick drauf. Was haben wir im Moment, Bankenkrise oder Staatsschuldenkrise?

    Breuer: Also es ist ganz klar eine Staatsschuldenkrise, die wir im Moment haben, aber man muss deutlich machen, wenn wir eine Staatsschuldenkrise nicht bewältigen, dann werden wir auch eine Bankenkrise bekommen, allerdings als Folge der Staatsschuldenkrise. Es ist ganz sicherlich kein Fehlverhalten, wenn Kreditinstitute, wenn Versicherungen, wenn Banken, die von der Politik herbeigeführte politische Entscheidung, jetzt auf Schulden verzichten müssen, auf Rückzahlung von Schulden verzichten müssen, sich darüber natürlich nicht nur beschweren, sondern auch ihre betriebswirtschaftlichen Konsequenzen ziehen müssen.

    Zurheide: Kommen wir mal genau auf diese betriebswirtschaftlichen Konsequenzen. Jetzt kann es ein bisschen technisch werden, aber ich glaube, das ist wichtig an dem Punkt. Die Staatspapiere, die bisher in den Tresoren der Banken liegen, also auch die ganz wichtigen – das hat Herr Schüssel vorhin angesprochen –, sind bisher mündelsicher gewesen, das heißt, die musste man nicht mit Eigenkapital hinterlegen. Unterstellen wir mal – und das passiert ja gerade –, dass auch Staatsschulden dann demnächst nicht mehr zurückgezahlt werden, dann müssen Sie das mit Eigenkapital hinterlegen, auf Deutsch, Sie haben dann weniger Geld, um es zu verleihen, was Sie eigentlich machen wollen. Ist das ein Mechanismus, den man befürchten muss in der Zukunft?

    Breuer: Sie sagen es, Herr Zurheide, das sehe ich so, ich will aber zunächst noch mal deutlich machen, dass ja Bundesbank, BaFin, Aufsichtsbehörden in Deutschland, Aufsichtsbehörden in Europa sagen, mit ihrer Politik und mit ihrer Anrechnungsform, dass die Staatsanleihen, jedenfalls die von den Eurostaaten, ein sehr sicheres Anlagesystem sind und eine sehr sichere Anlageform, und wir benötigen eben keine Eigenkapitalverlegung, das heißt, sie werden als sogenannte Nullrisiken bezeichnet, und sie haben natürlich in der Regel auch eine geringere Verzinsung. Und dieses Prinzip ist nicht nur in der Vergangenheit so diskutiert worden, sondern das, was wir jetzt zurzeit diskutieren, die sogenannten Basel-III-Reformen, die sogenannten Veränderungen aufgrund der Finanzmarktkrise, die sehen im Gegensatz dazu, was wir heute diskutieren, weiter vor, dass die Staatsanleihen wieder besser behandelt werden als beispielsweise ein Handwerkerkredit, als beispielsweise eine Immobilienfinanzierung oder als beispielsweise eine Ersatz- oder Ausrüstungsinvestition eines Mittelständlers. Das ist so, und wenn die Politik und die Aufsichtsbehörden jetzt in Europa eine, wenn Sie so wollen, finanzpolitische Kehrtwende machen, indem sie einen Schuldenschnitt, exakter ist es ja ein Schuldenerlass, vornehmen, dann treffen sie natürlich in erster Linie diejenigen, die im Sinne einer sehr ruhigen, konservativen Banksteuerung auf sichere und aus aufsichtsrechtlicher Sicht auf nicht ausfallgefährdete geltende Papiere gesetzt haben. Ja, das ist so.

    Zurheide: Um das mal eben abzuschichten, also erst mal das klare Bekenntnis bis jetzt, Sie auch als Sparkassen und Volksbanken gehören sicherlich auch dazu, Sie versorgen bisher die Wirtschaft eher mehr mit Krediten als in der Vergangenheit, das mal ganz kurz dazwischen, das ist so, oder?

    Breuer: Das ist so. Wenn Sie vielleicht gestatten, dass ich mal für hier den kleinen Ausschnitt der Rheinischen Sparkassen etwas sagen darf: Wir haben im ersten Halbjahr des Jahres 2011 das Gesamtvolumen der an Kunden ausgereichten Kredite weiter erhöht auf ein Rekordniveau von insgesamt gut 110 Milliarden, damit stieg das Gesamtvolumen der Kundenkredite der Rheinische Sparkasse weiter an, im gleichen Umfang wie im gesamten Jahreszeitraum 2010. Das gilt, glaube ich, nicht nur für die Rheinischen Sparkassen, das gilt für die Sparkassen in Deutschland und auch für die Realkreditinstitute der genossenschaftlichen Gruppe, ja, die realwirtschaftlichen Kreditinstitute, die dehnen ihr Kreditgeschäft aus, das ist so.

    Zurheide: Das heißt, Sie haben stabilisiert in der Krise, genau das, was man von Banken eigentlich verlangt. Und um es jetzt noch mal deutlich zu machen, Sie sehen schon die Gefahr, wenn diese Veränderungen bei der Bewertung von Staatspapieren kommen, dann könnte eine Situation eintreten, wo Sie das künftig nicht mehr machen. Was wünschen Sie deshalb vom Gesetzgeber?

    Breuer: Zunächst müssen wir vielleicht noch in zwei Sätzen erklären, warum das dann so ist. Wenn Banken zusätzliches Eigenkapital brauchen, um den Staaten weiter Anleihen zu geben und sie vielleicht sogar ein Stück weit mit Eigenkapital mehr zu hinterlegen oder mit Risikovorsorge auszustatten, dann können Sie nur Eigenkapital entweder auf dem Markt aufnehmen – und das ist für öffentlich-rechtliche und auch genossenschaftliche Kreditinstitute nicht so einfach –, oder Sie verbessern Ihre Eigenkapitalquote, indem Sie Geschäfte zurückfahren, also Kredite, wenn Sie wollen, teurer machen.

    Zurheide: Sie schrumpfen?

    Breuer: Wir schrumpfen, wir müssen weniger dann an RWAs oder an risikogewichteten Aktiva, so nennen wir das, in unseren Bilanzen vorhalten, und das bedeutet, dass wir weniger Kreditvergabe machen beziehungsweise, wenn das dann so durchgehalten werden würde, unsere Kredite teuer machen. Und das würde dann eher unsere Kunden, unsere mittelständischen Kunden und unsere kommunalen Kredite betreffen. Ich glaube, dass das die falsche Entwicklung ist.

    Zurheide: Ich bringe das mal auf den Punkt: Das heißt, bei dieser Rettung, dieser Rettung von Griechenland, und dem Schuldenschnitt können am Ende die betroffen werden, die nicht mit spekuliert haben, das ist sozusagen politisch zugespitzt eine Sorge, die Sie umtreibt?

    Breuer: Die Sorge habe ich, das ist so. Ich glaube, dass wir im Moment – vielleicht auch der außerordentlichen Schwierigkeit geschuldet – eine Diskussion haben über die großen Banken, über die großen Anleger, vielleicht auch über die Frage, wie wir Haushalts- und Wirtschaftspolitik machen, aber wir sollten vor allen Dingen die Zweit- und Drittrundeneffekte nicht außer Acht lassen. Wir müssen diejenigen, die in den letzten Jahren für Stabilität gesorgt haben, auch wieder in die Lage versetzen, das auch so in den letzten Jahren, auch was wir gemacht haben, auch in den nächsten Jahren fortzusetzen.

    Zurheide: Wird das immer schon ausreichend in Berlin und in Frankfurt bei der Zentralbank gesehen?

    Breuer: Das glaube ich nicht, dass wir die gleiche Gewichtung haben wie andere große Sorgen, das kann ich auch verstehen, dass man zunächst mal die Ad-hoc-Lösungen diskutiert. Ich will aber deutlich machen, dass wir in den Zweit- oder Drittrundeneffekten beobachten müssen, wie sich das auf die Realwirtschaft auswirkt. Und wir – das will ich deutlich machen – müssen darauf bestehen, dass wir die Zweit- und Drittrundeneffekte, die gesamten volkswirtschaftlichen Aspekte in die Diskussion einbringen. Das heißt, wer jetzt die falschen Maßnahmen trifft und auch vielleicht in den nächsten Jahren aufsichtsrechtliche oder Finanzmarktgesetzgebung ändert, der muss drauf aufpassen, dass er das, was normale reale Kreditwirtschaft ist, nicht beschwert.

    Zurheide: Das war Michael Breuer, der Chef des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes mit wichtigen Hinweisen zur Rettung der Eurokrise und so weiter. Ich bedanke mich sehr für das Gespräch, danke schön, Herr Breuer!

    Breuer: Bis dann.

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