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Zweiter Aufguss in Köln

Köln ließ es am Jahresende noch mal so richtig krachen, mit der glitzerbunten Produktion von "Kiss me Kate". Barrie Kosky hat das Broadway-Musical als eine Mischung aus Trash-Comedy und Psychodrama angelegt - in Köln war das jedoch eher zum Fortlaufen.

Von Frieder Reininghaus |
    Vorzugsweise veranlasst das Jahresende die Theater, warum auch immer, eine Phase der leicht geschürzten Muse anzuberaumen. Auch wenn weder die zurückliegenden Monate der Krise Anlass für Jubel, Trubel und Heiterkeit gaben noch die Naherwartung fürs neue Jahr größere Mengen rosiger Streifen am Horizont zeitigt.

    Doch gerade in Köln lässt man sich gerne bestätigen, "et hätt' noch immer joht jejange" – und greift zum Glas (was man auch tut, wenn man Sorgen hat). Prosit Neujahr also. Obwohl ein "Problemstück" durchaus angezeigt gewesen wäre: Köln wird mit Karnevaleskem auf- und abgefüttert, bleibt nun einmal Köln – und eher kommt wohl ein Kamel durchs Nadelöhr, als dass sich dies änderte.

    Seit Beginn der Spielzeit müht sich der aus Potsdam an den Niederrhein gekommene Opernintendant Uwe-Eric Laufenberg, etwas zu demonstrieren, was die wohlwollende Journalistik am Ort als "Neustart" zu verkaufen sucht. Doch scheinen die Gravitationskräfte der Kontinuität ungleich stärker als die Möglichkeiten, zu neuen Ufern aufzubrechen – und Laufenberg ist ja auch eingekeilt von Scharteken des Niedergangs wie dem Kulturdezernenten Quander und dem GMD Stenz.

    Dass der Theaterdirektor als Regisseur zum Auftakt der Saison die "Meistersinger" brutal verkölschte, war ein wenig noch mit den Problemen der Identitätsfindung und Kursbestimmung zu entschuldigen. Über Glucks "Orfeo" wurde etwas unentschieden der Kopf geschüttelt. Dass aber zuletzt der andernorts nach wie vor bemerkenswert produktive Dietrich Hilsdorf "La Traviata" von Giuseppe Verdi in den Sand des Nichtssagenden setzt, musste auch die Wohlmeinenden wieder sehr nachdenklich stimmen. Irgendwie ist da der Wurm drin.

    Und nun hat Laufenberg ein Produkt aus Berlin importiert, das wieder ganz auf der Linie seiner "Meistersinger" liegt: Jubel, Trubel, Heiterkeit – aus den Händen von Barry Kosky. Und gestützt auf die Musik Cole Porters, der Koen Schoots nicht den nötigen Feinschliff und hinreichend Präzision zu verschaffen verstand. Die Haustechnik hatte dazuhin mit Problemen bei der Verstärkung zu kämpfen.
    In Berlin wird Barrie Kosky gerne als "blitzgescheiter" Regisseur gefeiert, der für jedes Werk eine "individuelle Lösung" anbiete. Für das dramaturgische Schlüsselproblem von "Kiss me, Kate" – der Verhandlung von Eheanbahnung unter frühneuzeitlichen Bedingungen – bietet er allerdings noch nicht einmal den Ansatz einer Lösung an.

    Auch ist es mit der Individualität der Bildsprache hier nicht weit her: Klaus Grünbergs Ausstattung beorderte die Bläser auf steil ansteigende Stufen (rechts auf der Bühne); links und hinten deuten eine Vorhangschiene und Transportkisten "Backstage" an. Wenn dann gelegentlich ein Vorhang herbeigezogen wird, dann findet sichtbar 'Bühne auf der Bühne' statt.

    Erfüllt wird das eine wie die andere fast durchgängig mit Hektik und Zappeligkeit – als wenn dies auch nur einen Moment "lustig" wäre. Die Spagat-Vorführungen sind sportiv und die beiden Ganoven mit ihrem Slang aus dem Berliner Norden machen ihre Sache gut. Dank der Kostümgestaltung von Alfred Mayerhofer mutet das Bühnenbild an, als stamme es aus der zweitletzten Phase der DDR. So etwa hat das Provinztheater dort (und gelegentlich auch das Fernsehen des Landes) Glamour und Erotik des Broadways dargestellt.

    Dies nostalgische Moment, das die Hauptdarstellerin Dagmar Manzel noch mit Leib und Stimme unterstreicht, wird mit nackten Männeroberkörpern und ein paar tuntigen Einlagen gewürzt. Da kommt zusammen, was auch künftig an der Komischen Oper in der östlich geprägten Mitte Berlins zusammenkommen soll – à la bonne heure. Wenn sie es dort so haben wollen! Aber als zweiter Aufguss in Köln ist eine solche Produktion kaum geeignet, das Opernhaus der Domstadt wieder auf einen international diskutablen Platz zu bringen. Die Kölner Oper steht in der Tabelle wieder dort, wo auch der FC derzeit platziert ist. Im Westen nichts Neues. Laufenberg macht Musiktheater zum Fortlaufen – und die Musik schneidet grinsende Grimassen dazu.