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Zwillingsmission am Gasriesen

Astronomie. - Zwei Raumsonden gleiten derzeit jenseits der Erdbahn durch unser Sonnensystem: Europas "Rosetta" ist auf dem Weg zu ihrem Kometen-Ziel, und "New Horizons" aus den USA ist unterwegs zum Kleinplaneten Pluto. Eine gemeinsame Zwischenstation bildet der Planetenriese Jupiter.

Von Guido Meyer |
    Wer an den Rand unseres Sonnensystems will, der muss sich beeilen. Die amerikanische Pluto-Sonde New Horizons ist das schnellste je gebaute Raumschiff. Bis vor einigen Tagen hatte es sich mit 70.000 Kilometern pro Stunde von der Erde entfernt. Nun hat es noch einmal 14.000 Kilometer pro Stunde draufgelegt. Das Schwerefeld des Jupiters gab ihr den Kick. Europas Kometensonde Rosetta hatte zur selben Zeit beim Mars aufgetankt und dort Schwung mitgenommen.

    Alan Stern, dem Chef-Wissenschaftler von New Horizons, war aufgefallen, dass beide Sonden zur selben Zeit ein ähnliches Flugmanöver durchführen und von ihren jeweiligen Positionen aus freien Blick auf Jupiter haben. Dieser größte Planet unseres Sonnensystems ist zwar mehr als dreimal so weit von der Sonne entfernt wie der Mars, womit auch Rosetta entsprechend weiter weg ist vom Jupiter als New Horizons. Aber gerade das machen sich Nasa und Esa in diesen Tagen zunutze.

    "Wir beobachten sozusagen dasselbe Phänomen aus verschiedenen Richtungen, aus verschiedenen Blickwinkeln. Und das hilft uns, eine bessere räumliche Auflösung zu erreichen..."

    ...freut sich Gerhard Schwehm, der Rosetta-Missions-Manager beim europäischen Weltraumforschungszentrum Estec in Noordwijk in Holland. Als "Phänomen" gilt der so genannte Io-Torus, der seinem Namen dem innersten der Monde Jupiters verdankt, Io, aber auch Ionen, die von diesem Mond aus Richtung Planet geschleudert werden.

    "Der Jupiter-Mond Io hat ja Vulkanismus, und der wirft große Mengen von Gas aus, die sich dann entlang seiner Bahn ausbreiten - diese Plasma-Wolke. Es wird ja ionisiert, dieses Gas. Und das sieht also aus wie ein Torus. Wenn man sich vorstellt, um den Jupiter herum ist dann so ein dicker Schwimmgürtel oder wie ein Autoreifen, das ist so ein Torus."

    Auf dem Weg von Ios Vulkanen Richtung Jupiter verlieren die ausgestoßenen Atome ihre Elektronen, werden so positiv geladen und vom Magnetfeld des Riesenplaneten eingefangen. Alan Stern von der amerikanischen Raumfahrtbehörde Nasa setzt seine Forschungen dort an.

    "Unser Raumschiff New Horizons misst die Zusammensetzung dieses magnetischen Schweifes, den Jupiter auf seiner Umlaufbahn um die Sonne hinter sich herzieht. Um sie zu verstehen, müssen wir den Input verstehen, also wissen, wie viel Material von Io ausgestoßen und in den Io-Torus hineingeschleudert wird. Diese Messungen wiederum kann Rosetta mit ihrem UV-Spektrometer Alice aus großer Entfernung durchführen. Rosetta liefert also den Kontext für die lokalen Untersuchungen von New Horizons vor Ort."

    New Horizons befindet sich im Moment bereits jenseits Jupiters, mitten in seinem aufgeladenen Schweif. Die Sonde wird ihn bis Juni durchquert haben, auf dem Weg zu ihrem nächsten, ihrem eigentlichen Ziel.

    "New Horizons entfernt sich auf einer Linie von Jupiter, die sie genau zu der Position bringt, an der Pluto sich 2015 befinden wird. Auf dieser Linie fliegt sie entlang Jupiters Magnetschweif, was noch nie eine Raumsonde bei irgendeinem der Gasplaneten versucht hat. Der Schweif erstreckt sich etwa 150 Millionen Kilometer hinter Jupiter in den Weltraum hinein. Diese Durchquerung wird noch Monate dauern, und wir hoffen, dabei täglich Neues zu lernen."

    Zwischen März und Mai wird auch Europas Rosetta Jupiter sechs- bis achtmal beobachten. Das Alice-UV-Spektrometer wird dabei zum Einsatz kommen und Jupiters Torus aus der Mars-Umgebung heraus jeweils für mehrere Stunden am Stück beobachten, hofft Gerhard Schwehm von der europäischen Weltraumagentur Esa.

    "Wir haben gerade gestern Informationen bekommen, dass also auch mit dem Alice-Instrument auf Rosetta der Jupiter-Torus zu sehen ist. Das Signal ist da. Und das muss jetzt natürlich ausgewertet werden. Und dann, zusammen mit den Ergebnissen von New Horizons, versucht man dann, sich ein Bild zu machen."