Zehn Uhr vormittags, die Äquatorsonne brennt gnadenlos vom blauen Himmel. Danilson Rodrigues steuert seine canoa, sein Einbaum-Fischerboot, an den Strand von Angolares. Seit fünf Uhr morgens waren die fünf Männer auf dem Meer, haben immer wieder ihr Netz ausgeworfen. Fünf Stunden harte Arbeit, meint der 23-Jährige, aber mit dem Fang zufrieden ist er nicht:
"Wir werden wohl gerade mal die Spritkosten decken, heute haben wir so gut wie nichts gefangen. Dieselöl ist sehr teuer. Wir haben umgerechnet rund 50 Euro bezahlt, und der Fang bringt wohl nur 60 Euro ein. Da geht fast alles für den Sprit drauf."
Ein paar Seebarsche liegen in dem Boot, zwei Eimer Fliegende Fische, einige große Barracudas. Um die feilscht Danilson jetzt mit den Fischhändlerinnen. Angolares, eigentlich São João dos Angolares, ist die Hauptstadt des Süddistrikts Caué direkt am Äquator, der größten, aber auch ärmsten Provinz der Inselrepublik São Tomé e Príncipe, und wohl auch der afrikanischsten: 1546 sei auf den Klippen vor Angolares ein Sklavenschiff im Sturm gestrandet. Die Überlebenden, alle vom Volk der Angolares aus Nordangola, hätten sich hier ans Ufer retten können und den portugiesischen Kolonialherren ein halbes Jahrhundert erbitterten Widerstand geleistet. Noch heute sind die Angolares stolz auf ihre Abstammung. Ihre Musik erzählt von den Bräuchen, die sie von ihren Vorfahren auf dem afrikanischen Festland übernommen haben.
Doch für ihre Eigenständigkeit müssten sie teuer bezahlen, klagen die Fischer von Angolares. Die Zentralregierung vernachlässige sie, im Distrikt Caué gebe es keine Arbeit, keine Investitionen. Julião da Trindade, weit über 70 und mit tiefen Falten im Gesicht, schimpft:
"Hier im Süden haben wir nur Probleme. Sogar die Straße hierher ist fürchterlich. Hätten wir eine gute Straße in die Hauptstadt, wäre alles besser. Aber so kommt ein normales Auto ja kaum durch."
Die Fischer sitzen am Strand und flicken ihre Netze. Smaragdgrün das Meer, endlos weiß der feine Sandstrand, die Kokospalmen wachsen fast bis ans Wasser. Ein Paradies, wäre da nicht die wirtschaftliche Lage des Landes, die Ministerpräsident Tomé Soares da Vera Cruz so beschreibt:
"Rund 60 bis 70 Prozent unseres Staatshaushaltes werden aus Entwicklungshilfemitteln gedeckt. 54 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Das heißt, wir gehören zu den ärmsten Ländern der Welt."
Das Durchschnittseinkommen in São Tomé e Príncipe liegt bei rund 350 Euro im Jahr. Fast die Hälfte der Landesbevölkerung ist arbeitslos. Die Inflation galoppiert. Jedes zehnte Kind stirbt, bevor es sechs Jahre alt ist. Schuld daran, da sind die São-Tomenser sich einig, seien vor allem die Politiker. Der 31-jährige Bernardino Carvalho klagt:
"Wenn ich an unsere Politiker denke, kann ich mich nur schämen. Die sind doch alle korrupt und denken nur an sich. Die sind wie eine Mafia. Einig sind sie sich nur, wenn es um ihre persönlichen Interessen geht. Die wollen nur reich werden, um das Volk kümmern sie sich nicht."
Bernardino spricht neben Portugiesisch auch Englisch und Französisch, darum hat er einen Job als Hotelangestellter mit immerhin 70 Euro im Monat ergattert. Bernardino besitzt sogar ein kleines Motorrad. Viele Ex-Minister dagegen fahren Edelkarossen wie BMW oder Mercedes und haben dicke Devisenkonten im Ausland, meint der junge Mann schulterzuckend und lächelt. Irgendwelche amerikanischen Firmen, die in São Tomé Geschäfte machen wollen, zahlen dafür. Denn Geschäfte werden in den nächsten Jahren viele gemacht werden.
Seit Mitte der 1990er Jahre weiß man, dass vor São Tomé e Príncipe elf Milliarden Barrel Erdöl unter dem Meeresgrund ruhen. Die könnten das Land ab 2012, wenn die Förderung anlaufen soll, zum Kuwait Afrikas machen. Die ehemalige Regierungschefin Maria das Neves de Sousa allerdings hat noch ihre Zweifel an den Zukunftsperspektiven. Sie fürchtet, dass der plötzliche Reichtum noch mehr Korruption und Schlendrian hervorrufen könnte:
"Ich habe immer gesagt, dass Erdöl für uns den Himmel, das Fegefeuer oder die Hölle bedeuten kann. Es liegt ganz an uns. Wir haben jetzt die Chance, etwas aus unserem Land zu machen, wenn wir die Erdölgelder für Strukturmaßnahmen ausgeben, die die zukünftige Entwicklung dieses Landes garantieren."
Immerhin: Seit São Tomés Ölreichtum bekannt ist, kommt die Präsidentengarde aus dem Ehrenspalierstehen nicht mehr heraus, geben sich ausländische Botschafter die Türklinke des pastellfarbenen Volkspalastes in die Hand. Vor allem die USA sind aktiv geworden, haben militärische Entwicklungshilfe angeboten und wollen einen großen Marinestützpunkt auf São Tomé errichten.
Da wundert es nicht, dass die ersten Bohrkonzessionen an amerikanische Firmen wie Exxon und Texaco vergeben wurden. Es herrscht Ölgräberstimmung in São Tomé, Ministerpräsident Vera Cruz versucht abzuwiegeln:
"Das Erdöl ist zwar eine Perspektive, die verspricht. Aber mein Optimismus ist gebremst, denn das Öl wird wohl erst ab 2015 eine Alternative für unser Land sein."
Der Mann stapelt tief: Es geht um mehr als 200 Millionen Dollar geschätzte Erdöleinnahmen im Jahr ab Förderbeginn. Und das ist nur ein Bruchteil der Gewinne, die die am Erdölgeschäft beteiligten Firmen machen werden.
Deshalb kommt nicht so richtig Freude auf in São Tomé e Príncipe, dem zukünftigen Kuwait am Golf von Guinea. Das Land sei bei den Konzessionsvergaben über den Tisch gezogen worden, heißt es. Viele Politiker hätten sich bei den Verhandlungen persönlich bereichert. Zwar sei auf Drängen der UNO ein vorbildliches Erdölgesetz erlassen worden, das genau vorschreibt, wie die Petrodollars zur Landesentwicklung ausgegeben werden sollen. Doch ist es in São Tomé e Príncipe ein weiter Schritt von der Theorie zur Praxis. Viele São-Tomenser fürchten, dass vom zukünftigen Geldsegen nur sehr wenig beim Volk ankommen wird.
An der Praça da Independência, dem Platz der Unabhängigkeit in der Hauptstadt São Tomé, sind in den vergangenen Jahren Banken wie Pilze aus dem Boden geschossen: die Banco Internacional, die Nigeria-Bank, die Island-Bank. Geld gewechselt wird allerdings nach wie vor auf der Straße. Hier tauscht auch Adilson Almeirim Euro und Dollar gegen die Landeswährung Dobra. An guten Tagen verdient er damit zwei Euro, an schlechten weniger. Und während die Bankbeamten in ihren Anzügen hinter den verspiegelten Fenstern auf das große Ölgeschäft warten, meint Adilson in seinen zerschlissenen Jeans resigniert:
"Ich will gar nicht über Erdöl reden. Ich habe nie Hoffnungen darauf gesetzt. Sicher wird das Erdölgeld irgendwann kommen, aber es wird alles bei den Reichen hängen bleiben. Ich glaube nicht, dass wir Armen etwas davon abbekommen werden."
"Wir werden wohl gerade mal die Spritkosten decken, heute haben wir so gut wie nichts gefangen. Dieselöl ist sehr teuer. Wir haben umgerechnet rund 50 Euro bezahlt, und der Fang bringt wohl nur 60 Euro ein. Da geht fast alles für den Sprit drauf."
Ein paar Seebarsche liegen in dem Boot, zwei Eimer Fliegende Fische, einige große Barracudas. Um die feilscht Danilson jetzt mit den Fischhändlerinnen. Angolares, eigentlich São João dos Angolares, ist die Hauptstadt des Süddistrikts Caué direkt am Äquator, der größten, aber auch ärmsten Provinz der Inselrepublik São Tomé e Príncipe, und wohl auch der afrikanischsten: 1546 sei auf den Klippen vor Angolares ein Sklavenschiff im Sturm gestrandet. Die Überlebenden, alle vom Volk der Angolares aus Nordangola, hätten sich hier ans Ufer retten können und den portugiesischen Kolonialherren ein halbes Jahrhundert erbitterten Widerstand geleistet. Noch heute sind die Angolares stolz auf ihre Abstammung. Ihre Musik erzählt von den Bräuchen, die sie von ihren Vorfahren auf dem afrikanischen Festland übernommen haben.
Doch für ihre Eigenständigkeit müssten sie teuer bezahlen, klagen die Fischer von Angolares. Die Zentralregierung vernachlässige sie, im Distrikt Caué gebe es keine Arbeit, keine Investitionen. Julião da Trindade, weit über 70 und mit tiefen Falten im Gesicht, schimpft:
"Hier im Süden haben wir nur Probleme. Sogar die Straße hierher ist fürchterlich. Hätten wir eine gute Straße in die Hauptstadt, wäre alles besser. Aber so kommt ein normales Auto ja kaum durch."
Die Fischer sitzen am Strand und flicken ihre Netze. Smaragdgrün das Meer, endlos weiß der feine Sandstrand, die Kokospalmen wachsen fast bis ans Wasser. Ein Paradies, wäre da nicht die wirtschaftliche Lage des Landes, die Ministerpräsident Tomé Soares da Vera Cruz so beschreibt:
"Rund 60 bis 70 Prozent unseres Staatshaushaltes werden aus Entwicklungshilfemitteln gedeckt. 54 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Das heißt, wir gehören zu den ärmsten Ländern der Welt."
Das Durchschnittseinkommen in São Tomé e Príncipe liegt bei rund 350 Euro im Jahr. Fast die Hälfte der Landesbevölkerung ist arbeitslos. Die Inflation galoppiert. Jedes zehnte Kind stirbt, bevor es sechs Jahre alt ist. Schuld daran, da sind die São-Tomenser sich einig, seien vor allem die Politiker. Der 31-jährige Bernardino Carvalho klagt:
"Wenn ich an unsere Politiker denke, kann ich mich nur schämen. Die sind doch alle korrupt und denken nur an sich. Die sind wie eine Mafia. Einig sind sie sich nur, wenn es um ihre persönlichen Interessen geht. Die wollen nur reich werden, um das Volk kümmern sie sich nicht."
Bernardino spricht neben Portugiesisch auch Englisch und Französisch, darum hat er einen Job als Hotelangestellter mit immerhin 70 Euro im Monat ergattert. Bernardino besitzt sogar ein kleines Motorrad. Viele Ex-Minister dagegen fahren Edelkarossen wie BMW oder Mercedes und haben dicke Devisenkonten im Ausland, meint der junge Mann schulterzuckend und lächelt. Irgendwelche amerikanischen Firmen, die in São Tomé Geschäfte machen wollen, zahlen dafür. Denn Geschäfte werden in den nächsten Jahren viele gemacht werden.
Seit Mitte der 1990er Jahre weiß man, dass vor São Tomé e Príncipe elf Milliarden Barrel Erdöl unter dem Meeresgrund ruhen. Die könnten das Land ab 2012, wenn die Förderung anlaufen soll, zum Kuwait Afrikas machen. Die ehemalige Regierungschefin Maria das Neves de Sousa allerdings hat noch ihre Zweifel an den Zukunftsperspektiven. Sie fürchtet, dass der plötzliche Reichtum noch mehr Korruption und Schlendrian hervorrufen könnte:
"Ich habe immer gesagt, dass Erdöl für uns den Himmel, das Fegefeuer oder die Hölle bedeuten kann. Es liegt ganz an uns. Wir haben jetzt die Chance, etwas aus unserem Land zu machen, wenn wir die Erdölgelder für Strukturmaßnahmen ausgeben, die die zukünftige Entwicklung dieses Landes garantieren."
Immerhin: Seit São Tomés Ölreichtum bekannt ist, kommt die Präsidentengarde aus dem Ehrenspalierstehen nicht mehr heraus, geben sich ausländische Botschafter die Türklinke des pastellfarbenen Volkspalastes in die Hand. Vor allem die USA sind aktiv geworden, haben militärische Entwicklungshilfe angeboten und wollen einen großen Marinestützpunkt auf São Tomé errichten.
Da wundert es nicht, dass die ersten Bohrkonzessionen an amerikanische Firmen wie Exxon und Texaco vergeben wurden. Es herrscht Ölgräberstimmung in São Tomé, Ministerpräsident Vera Cruz versucht abzuwiegeln:
"Das Erdöl ist zwar eine Perspektive, die verspricht. Aber mein Optimismus ist gebremst, denn das Öl wird wohl erst ab 2015 eine Alternative für unser Land sein."
Der Mann stapelt tief: Es geht um mehr als 200 Millionen Dollar geschätzte Erdöleinnahmen im Jahr ab Förderbeginn. Und das ist nur ein Bruchteil der Gewinne, die die am Erdölgeschäft beteiligten Firmen machen werden.
Deshalb kommt nicht so richtig Freude auf in São Tomé e Príncipe, dem zukünftigen Kuwait am Golf von Guinea. Das Land sei bei den Konzessionsvergaben über den Tisch gezogen worden, heißt es. Viele Politiker hätten sich bei den Verhandlungen persönlich bereichert. Zwar sei auf Drängen der UNO ein vorbildliches Erdölgesetz erlassen worden, das genau vorschreibt, wie die Petrodollars zur Landesentwicklung ausgegeben werden sollen. Doch ist es in São Tomé e Príncipe ein weiter Schritt von der Theorie zur Praxis. Viele São-Tomenser fürchten, dass vom zukünftigen Geldsegen nur sehr wenig beim Volk ankommen wird.
An der Praça da Independência, dem Platz der Unabhängigkeit in der Hauptstadt São Tomé, sind in den vergangenen Jahren Banken wie Pilze aus dem Boden geschossen: die Banco Internacional, die Nigeria-Bank, die Island-Bank. Geld gewechselt wird allerdings nach wie vor auf der Straße. Hier tauscht auch Adilson Almeirim Euro und Dollar gegen die Landeswährung Dobra. An guten Tagen verdient er damit zwei Euro, an schlechten weniger. Und während die Bankbeamten in ihren Anzügen hinter den verspiegelten Fenstern auf das große Ölgeschäft warten, meint Adilson in seinen zerschlissenen Jeans resigniert:
"Ich will gar nicht über Erdöl reden. Ich habe nie Hoffnungen darauf gesetzt. Sicher wird das Erdölgeld irgendwann kommen, aber es wird alles bei den Reichen hängen bleiben. Ich glaube nicht, dass wir Armen etwas davon abbekommen werden."