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Zwischen Bastei und Affensteinen

Dort, wo die Elbe die deutsch-tschechische Grenze durchstößt, steht schroff wie bizarr eine Felslandschaft, um die sich lange Zeit niemand kümmerte. Noch 1729 schreibt Pastor Weisse in seiner "Topographia ... des Churfürstlich Sächsischen Amtes, Schlosses und Stadt Hohenstein" "... zu den Singularibus sollten wir auch die Berge rechnen. Aber weil derselben viel, so macht man kein Werk davon."

Von Rainer-K. Langner |
    Ein Jahrhundert später ist alles anders. Damen in Reifröcken und Herren im Frack erobern die so "furchterregende Gegend", auf den Spuren der Maler, Caspar David Friedrich oder Adrian Zingg, die zuerst die Natur als künstlerischen Gegenstand entdeckten.

    Und noch ehe die Jünger des Turnvaters Jahn ihre Eisen in den sächsischen Fels treiben, nisten in ihm die Seufzer aller Lustreisenden, die in dieser "erhabenen Landschaft" sich ergehen.

    Der Dichter Novalis bringt es auf den Punkt:
    "Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es."

    Eine "Lange Nacht" im sächsischen Fels als literarische Reise durch die Archive der Romantik.


    Schon 1876 brachte es Meyer’s Konversationslexikon auf den Punkt:

    "Sächsische Schweiz, liebliche Gebirgsgegend im mittleren Deutschland, gebildet durch das Elbsandsteingebirge, welches zu beiden Seiten der Elbe den südöstlichen Teil des sächsischen Kreishauptmannschaft Dresden und angrenzende Teile von Böhmen einnimmt. Das Sandsteingebirge, mit einer mittleren Höhe von 400 Meter, ist außerordentlich zerspült und zerklüftet und trägt eben durch diese Beschaffenheit zu den Naturschönheiten der Gegend bei, die übrigens an einer gewissen Einförmigkeit leidet. Senkrechte Felsenwände und frei aus ihnen hervortretende Felsenpfeiler von abenteuerlichen und phantastischen Formen, in gewissen Abständen terrassenförmig übereinander gebaut und horizontal abgeschnitten, wechseln ab mit weiten Tälern, wo Wein, Obst und Gartenfrüchte gedeihen, und engen, schluchtenartigen Gründen, die nur hier und da eine einsame Mühle belebt. "

    Im 18. Jahrhundert aber hieß die Sächsische Schweiz noch "Meißner Oberland" und war eine Wildnis an der Peripherie Sachsens, den Fremden unbekannt und ausgebeutet von den Einheimischen. Der urwüchsige Mischwald mit seinen Rotbuchen und Linden, den Birken, dem Berg- und Spitzahorn war bis auf wenige Areale weitgehend zerstört. Holzfäller, Köhler, Flößer, Holzfuhrleute, Ruß- und Aschebrenner, Schnitzer von Kleingeräten für Haus und Hof, Schreiner – alle wollten überleben. Unentwegt klapperten die Schneidemühlen, zersägten Stamm für Stamm zu Balken und Bretter. Oder die Stämme wurden zu Flöße zusammengebunden, elbabwärts nach Pirna, Dresden und in die waldlosen Ebenen verfrachtet.

    Historisch ist die Herkunft des Namens, der das Sandsteingebirge über seine Grenzen hinaus bekannt macht, nicht eindeutig belegbar.

    Seit Beginn des 19. Jahrhunderts wollte die feine Dresdener Gesellschaft, die Fremden, gutbürgerliche Herren im Frack mit ihren Damen in Reifröcken, die "Sächsische Schweiz" besuchen, nicht das "Meißner Oberland".

    "Mancher Schweizer, der in dies Ländchen kam, äußerte, daß er sieh hier in sein Vaterland versetzt zu sein glaube. So kam der Verfasser 1795, in Gesellschaft eines jungen Schweizers, auf den Neurathen. Als er sich eine Weile umgesehen hatte, rief er aus: ‚ach Gott! Hier ist die Schweiz. Das ist ganz wie bei uns‘. Was war natürlicher, daß man anfing, von einer in Sachsen gefundenen kleinen Schweiz zu sprechen ... Der Name blieb also, wurde von einem Freunde der Naturschönheiten nach dem ändern wiederholt. Eine neue Schweiz gefunden zu haben, gefiel. "

    Den Sachsen gefiel’s und unter den Schweizern war nur einer, der die Schweiz in der Schweiz belassen wollte.

    "Was brucht das Sachse Schwyzerland
    Bis daß es ist e Vaterland?
    Ein wenig höhere Flüh
    E wenig feistere Küh
    E Rheinfall un e Thunersee
    Un dazu noch e Hampfle Schnee
    Das brucht de Sachse Schwyz."

    Die Kupferstiche von Adrian Zingg und Philipp Veith, Engelhardts und Götzingers Bücher, nicht zuletzt der 1801 erscheint erste praktische Reiseführer des Pastors C. Nicolai aus Lohmen "Wegweiser durch die Sächsische Schweiz" machten um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert das Elbsandsteingebirge zur vielbesuchten Landschaft.

    Wer in den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts Dresden besuchte, plante eine drei- bis viertägige Reise in die Sächsische Schweiz. Das Sandsteingebirge war in Mode gekommen.

    "Man mag sich, fast wo man will, auf einem hohen Berge befinden, so sieht man beinahe um den ganzen Horizont herum eine große und reizende Landschaft vor sich liegen, daß man das Auge nicht wieder wegwenden will, und fast nicht weiß, welche Seite man zuerst bewundern soll. Überall erblickt man gleichsam im Vordergrunde fruchtbare Felder, bunte Wiesen, oder lange und grüne Thäler, durch die sich zwischen hohen Felsenwänden ein Bach hinschlängelt und ansehnliche Dörfer vor sich, mit welchen die hin und her zerstreuten Gehölze ein angenehmes Gemische bilden. Eine lange schwarze Reihe von Waldungen, unter denen sich hier und da eine wunderbare Felsfigur sehen läßt, zieht sich in der Mitte herab, bis sie an offenen Feldern ihren Ausgang findet und dem Zuschauer eine neue Aussicht öffnet. Verläßt man die Höhe und steigt in die Thäler hinab, so wird das Herz durch eine neue Veränderung zur Bewunderung des Schöpfers erhoben. Doch ich fühle mich zu schwach dieses alles lebhaft zu schildern. Diese reizende Gegend will nicht beschrieben, sondern gesehen seyn."

    Adrian Ludwig Zingg war nicht der erste, der in das Felsengebirge ging, nach der Natur zu zeichnen. 1726 bereits stach der Dresdner Hofmaler Alexander Thiele eine der berühmtesten Ansichten des Gebirges, den großen Elbbogen mit der Festung Königstein und dem Lilienstein in Kupfer.

    Caspar David Friedrich

    Karte des historischen Malerwegs

    Am Lilienstein kommt keiner vorbei, der die Sächsische Schweiz bereist. Ein Kanonenschuss nur von der Festung Königstein entfernt, durch die Elbe von ihr getrennt, erhebt sich der Tafelberg 415 Meter über dem Meeresniveau. Als wolle ihn der Fluss aus drei Himmelsrichtungen betrachten, umarmt er den Lilienstein in einem 270-Grad-Bogen.

    Hier, im Liebethaler Grund, entdeckt die feine Gesellschaft den Inbegriff des Romantischen... Am Dresdner Hof wurden Fürsten und Grafen auf die abenteuerlichen, dabei lustvollen Möglichkeiten vor den Toren der Stadt neugierig. Ein Ausflug in die Sächsische Schweiz bot eine Abwechslung im Alltag und geriet zur Lustreise, wenn man über reichlich Zeit und Geld verfügt.

    Ein besonderer Anziehungspunkt wird auch der sogenannte Kuhstall. Er ist gewaltig und den Reisenden des 19. Jahrhunderts ein Ort emotionalen Überschwangs.

    "Groß war meine Erwartung von diesem Wunderwerke der Natur gewesen, weit größer aber noch mein Erstaunen und Entzücken, als ich dieses längst Erwünschte sah und betrat. O, es regt sich ein so geheimes, entzückendes, unnennbares Gefühl in mir (gewiß das reinste von Allen)! Er schien mir und alles um ihn heilig, gleichsam als ein von der Gottheit selbst geheiligter und geweihter Tempel (doch nur dem wahren Verehrer der Natur denn außer diesen werden andere schwerlich das hier empfinden), wo der Gefühlvolle sie am reinsten und wahrsten erkennen und verehren kann und wird."

    Das linkselbische Gebiet der "Steine" mit seinen imposanten Felsen und Legenden, der Quirl, der Pfaffenstein, der Papststein, die Zschirnsteine, oder das obere Bielatal blieben den Fremden unbekannt, als wagten sich die Herren im Frack und die Damen in ihren Reifröcken nicht über die Elbe.

    Erst als die erste Eisenbahn von Dresden aus elbaufwärts nach Schandau dampfte, 1851, kamen die Fremden. Linkselbisch liegt die Trasse eng am Fluss und brachte der bislang vergessenen Region einen ersten touristischen Aufschwung. Dann entstiegen junge Männer den Eisenbahnzügen, um im Fels das Abenteuer der dritten Dimension zu suchen, die Höhe. Nun wird der Sandstein auch in der Vertikale durchwandert.

    Immer neue Weg in die Höhe wurden betreten, die bald ebenso überlaufen waren, wie der Fremdenweg. Das Gebirge wurde laut und an markanten Punkten vermüllt – Bastei, Kuhstall, Falkenstein, Amselgrund. Ein Zeitzeuge berichtet:

    "Der Dresdner Hauptbahnhof ist früh ein Stelldichein für Wadenstrümpfler und Rucksäckler. Sonderzüge tragen allsonntäglich viele Hunderte von Kraxlern ins Gewände. Die Eisenbahnwaggons dritter Klasse sind gedrängt voll. Auch viele Damen beteiligen sich als "Bergbrünhilden" am Felsensport ...Im Klettergebiet selbst sind Sonntags die kleinsten Pfade von Nägeln der Bergschuhe zerstampft. Ganze Klettergegenden werden überlaufen. So zählte ich an einem Sonntag in den großen Ferien am Bloßstock 40 und am Falkenstein über 60 Kletterer. Rund um den Falkenstein lagen überall Rucksäcke, Kleider, Abkochapparate und schlafende Personen. Eierschalen und Sardinenbüchsen blieben leider zuletzt liegen. Beim Schusterweg-Aufstieg kreuzte ich vier Partien. Die Gipfelrast teilte ich mit ungefähr zwölf mir unbekannten Personen. Es wurde übermäßig viel gejodelt. Von Einsamkeit war keine Rede. Mir persönlich war durch diesen Massenbetrieb auch jeglicher Naturgenuß verleidet worden."


    Einige Ausflugsziele in der Sächsischen Schweiz:

    Bastei

    Kuhstall

    Festung Königstein

    Lilienstein

    Labyrinth Nikolsdorf

    Bielatal

    Rathener Klettergebiet

    Großer Winterberg


    Tourismusverband Sächsische Schweiz: Dort können die folgenden Bücher bezogen werden

    Der Malerweg
    CD-Hörbuch, gelesen von Gunter Schoß und Axel Wandtke, Verlag Unterlauf und Zschiedrich 1 CD, ca. 80 Min.

    Das Hörbuch folgt dem zu neuem Leben erweckten Malerweg, dessen Streckenverlauf sich teilweise mit der historischen Route deckt, auf der schon so bedeutende Künstler wie Caspar David Friedrich, Carl Gustav Carus, Adrian Ludwig Richter oder Karl Blechen wanderten und malten. 2007 wurde der Malerweg zum schönsten Wanderweg Deutschlands gewählt. Der Schauspieler Gunter Schoß führt den Hörer über acht Etappen durch die zauberhafte Felslandschaft.


    Frank Richter: Der historische Malerweg - die Entdeckung der Sächsischen Schweiz im 18./19. Jahrhundert
    Herausgeber: Verlag der Kunst, 12,95 Euro

    Berühmte Maler und Schriftsteller des 18. und 19. Jahrhunderts erzählen über den historischen Malerweg und das Elbsandsteingebirge. Illustriert wird der Wegeverlauf durch verschiedene Werke der Künstler der Romantik.


    Hans Christian Andersen Reise nach Dresden und in die Sächsische Schweiz
    Herausgeber: Husum Druck- und Verlagsgesellschaft, 7,95, Euro

    "Hier ist es hoch, sehr hoch! Du musst ein paar Kirchtürme aufeinander setzen und dann nicht schwindlig dabei werden, wenn du auf der obersten Spitze stehst[...]!", schreibt Hans Christian Andersen anlässlich seines Ausflugs auf die Bastei.


    Reiseführer:

    Hans Brichzin: Wandern in der Sächsischen Schweiz.
    DuMont aktiv. 30 Touren. Exakte Karten. Höhenprofile
    ISBN: 978-3770153190, 12,00 Euro

    Felsmassive und canyonartige Schluchten, lichtüberflutete Ebenen und sanft gerundete Rücken sind die Kennzeichen der Nationalparkregion Sächsische Schweiz. 30 Touren, von der einfachen Halbtageswanderung zur anspruchsvollen Partie durch wilde Felsgründe vermitteln einen tiefen Einblick in diese zugleich erhabene und anmutige Landschaft nördlich und südlich der Elbe.
    Die schönsten Touren: Pittoreske Felsen und Schluchten auf dem Weg zur Bastei, Gratwanderung über die Schrammsteine zum Großen Winterberg
    Raubrittergeschichten am Arnstein, Winterstein und Wildenstein


    Ulrike Krause und Enno Wiese: DuMont Reise-Taschenbuch Dresden & Sächsische Schweiz
    DuMont Verlag, ISBN: 978-3770159369, 12,00 Euro

    Ausflüge: Meißen, Moritzburg, Radebeul, Pillnitz, Barockpark Großsedlitz, Weesenstein, Pirna, Stolpen, Bastei, Festung Königstein, Bad Schandau


    Franz Hasse: Elbsandsteingebirge: 51 ausgewählte Wanderungen und Radtouren für das Gebiet der Sächsischen Schweiz. Die schönsten Wanderungen und Radtouren
    Bergverlag Rother, ISBN: 978-3763341917, 11,90 Euro

    Das Elbsandsteingebirge gehört zu den reizvollsten Mittelgebirgslandschaften in Deutschland. Franz Hasse, Bruder des bekannten Extremkletterers Dietrich Hasse und als Einheimischer hervorragender Gebietskenner, hat in diesem Wanderführerbändchen die schönsten Wanderungen im Gebiet der Sächsischen Schweiz zusammengestellt. Die breite Palette des Tourenangebotes reicht von beschaulichen Spaziergängen in den grünen Auenwäldern der Elbe bis hin zu bestens versicherten Steigen in der bizarren Türmewelt der Sandsteinfelsen.


    Tassilo Wengel: Genusswandern Sächsische Schweiz: Herrliche Panoramablicke und regionale Köstlichkeiten genießen
    Bruckmann Verlag, ISBN: 978-3765448355, 19,95 Euro

    Die Sächsische Schweiz ausgedehnte Wälder und Wiesen, aber auch bizarre Felswände und tiefe Schluchten. Als besondere Höhepunkte gelten ihre zahlreichen Aussichtsgipfel. Eindrucksvoll erheben sich der tafelartige Lilienstein und die berühmte Festung Königstein über der Elbe. Nach Bad Schandau folgen die bizarren Schrammsteine, bei Rathen laden die berühmten Felsen der Bastei zum Besuch ein.