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Zwischen Bremse und Gaspedal

Das Opel-Werk in Eisenach hat die Fertigung des Corsa auf zwei Schichten gedrosselt, für die Automobilindustrie in Frankreich war 2012 ein schwarzes Jahr. Und auch 2013 sind die Aussichten für die Branche trotz aller Export-Erfolge deutscher Premiumhersteller durchwachsen.

Von Michael Braun | 02.01.2013
    Opel kommt mit dem kleinen Adam, VW mit dem gasbetrieben Up, Fiat hat den Cinquecento nicht zuletzt mit der L-Version immer näher an den erfolgreichen Mini aus dem Hause BMW herangerückt. Die Produktpipeline gerade im Segment der Klein- und Kompaktwagen ist gut gefüllt. Die europäischen Hersteller haben solche Autos, die asiatischen auch. Kia und Hyundai vor allem rollen den Markt von unten auf. Und von oben ist Daimler in den Markt eingedrungen, hat die A-Klasse vom Hochsitzauto für Senioren zum Flitzer für die jungen, flotten Schönen umgemünzt:

    Aber das wird die Rangfolge im Markt so schnell nicht ändern, meint Jürgen Pieper, Autoanalyst beim Bankhaus Metzler:

    "Ich würde sagen vom Wachstum her, von den Gewinnen her, die im Endeffekt erzielt werden, vom Erfolg auf den Märkten, von den Marktanteilen her, sehe ich 2013 auch die Reihenfolge von 2012 nach wie vor: Volkswagen inklusive Audi und Porsche knapp vor BMW und knapp vor Daimler. Ich glaube, dass Daimler viel versucht im Moment, das Steuer mehr in Richtung mehr Dynamik herumzureißen. Man sieht Anzeichen, man sieht die neue A-Klasse, man sieht verschiedene Personalmaßnahmen wie beispielsweise in China, die dafür sprechen, dass man jetzt einfach mehr Schwung reinbringen will. Aber es dauert einfach. Es dauert, Produkte zu entwickeln, es dauert, eine neue Kultur zu verbreiten. Und da sehe ich Daimler noch nicht in der Führungsposition im nächsten Jahr."

    Es gilt, die Marktanteile zu verteidigen. Den Kunden kommt das zupass. In Deutschland, wo die Beschäftigung hoch und die wirtschaftliche Lage in europäischem Maßstab glänzend ist, da wollen alle verkaufen. Und deshalb bleibe der Automarkt auch 2013 ein Käufermarkt. Branchenanalysten sehen das so, und Matthias Wissmann, der Präsident des Verbandes der deutschen Automobilindustrie ahnt wohl auch, dass "Rabatt" 2013 kein Fremdwort bleiben wird:

    "Das gesamte Umfeld führt dazu, dass der Druck im Handel – davor verschließen wir nicht die Augen – deutlich zugenommen hat. Vor allem auch deshalb, weil Volumina, die für andere europäische Märkte bestimmt waren, jetzt auf den vergleichsweise stabilen deutschen Markt drängen. Der PKW-Inlandsmarkt ist derzeit kein Verkäufermarkt. Der Preisdruck ist dementsprechend weiterhin hoch."

    Voriges ist die Zahl der Pkw-Neuzulassungen in Europa zum dritten Mal in Folge gesunken. Mit einem Minus von etwa acht Prozent stärker als in den beiden Vorjahren. Große Hoffnungen kann sich die Branche im neuen Autojahr nicht machen. Auch sie hofft darauf, dass die relative Ruhe an der Front der Schuldenkrise sich verstetige:

    "Wer Tag für Tag beim Frühstück mit der Frage konfrontiert wird, ob dieses oder jenes EU-Land noch seine Schulden bezahlen kann und was die entsprechenden Rettungsmaßnahmen für den deutschen Steuerzahler bedeuten, der geht nicht unmittelbar nach dieser Lektüre voller Vorfreude ins Autohaus, um einen Neuwagen zu kaufen."

    Langsam wächst aber der Zwang zum Autokauf. Denn mehr als ein Drittel aller Autos in Europa ist älter als zehn Jahre. Es hat sich ein nennenswerter Ersatzbedarf aufgebaut. Die Pkw-Neuzulassungen in Italien etwa unterschritten 2012 den langjährigen Mittelwert um 35 Prozent. In Spanien waren es 44 Prozent, heißt es in einer Studie von DB Research. Das könne ein Indiz sein, dass die Märkte zumindest nicht stärker schrumpften als in den letzten Jahren. Metzler-Analyst Pieper hält sogar später im Jahr eine Wende für möglich.

    "In Europa sieht es, glaube ich, ähnlich aus wie in 2012. Wir kriegen wahrscheinlich einen Marktrückgang und einen deutlichen Marktrückgang in Südeuropa, ich würde mal sagen, zumindest für die ersten sechs bis neun Monate. Ich sehe dann eine kleine Chance im Jahresverlauf, weil der europäische Markt eigentlich im Prinzip abgeschrieben ist von den meisten Beobachtern, von der Industrie. Sie erwarten eigentlich gar nichts mehr für 2013, dass es dann doch eine kleine Überraschung vielleicht auf der positiven Seite gibt."

    Opel, Ford, Peugeot, Renault und Fiat, meint Pieper, dürften es weiter schwerer haben als Hersteller wie VW, BMW und Daimler. Doch mit den angekündigten Werksschließungen dürften die großen Kapazitätsschnitte erst einmal genügen.