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Zwischen Cage und Rihm

Die MaerzMusik – ein Festival für aktuelle Musik - ausgerichtet von den Berliner Festspielen, war in diesem Jahr John Cage und Wolfgang Rihm gewidmet. John Cage, der vor hundert Jahren geboren wurde und vor 20 Jahren starb und Wolfgang Rihm, der gerade 60 geworden ist.

Von Georg-Friedrich Kühn | 24.03.2012
    Eigentlich stellt man sich Klavierkonzerte ja anders vor. Hier ist die Bühne anfangs dunkel. Kein Instrument zu sehen, kein Musiker. Sie tröpfeln langsam herein, bringen ihr Instrument mit: Cello, Harfe, Posaune, eine Schachtel mit Bällchen. Ein Flügel wird hereingeschoben. Eine Schreibmaschine klappert rhythmisch.

    Die Lämpchen an den Pulten gehen an und aus, die Musiker kommen und gehen. Mal wird der Raum lichtgeflutet, und es pilgern aus dem Parkett Musiker auf die Bühne. Irgendwann erobert auch einer mit einer schwarzen Fahne den Raum und proklamiert, keine Regierung sei die beste Regierung.
    Das Klavierkonzert von John Cage war 1958 bei seiner Uraufführung ein Fanal. Die Partitur war eine Sammlung grafischer Notationen, die Musiker sollten selber entscheiden, was sie in den vorgegebenen fünfzig Minuten machen wollten. Ein Affront gegen die in ihrer seriellen Determinierung erstickende europäische Nachkriegsavantgarde. Cage wollte die Kunst öffnen. Nicht um Ausdruck ging es ihm, sondern um den bloßen Klang.

    Bei Cage ging es immer ein bisschen nach dem Prinzip "Anything goes", alles ist möglich, sagt einer seiner heute berühmtesten Schüler, La Monte Young, beim Pressegespräch. La Monte kam mit seinem Just Alap Raga Ensemble für einen Improvisationsabend zur MaerzMusik.

    Was er Cage ankreidete, dass der etwas lässig mit seinen Zen-Prinzipien umging, während er, La Monte, immer sehr strenge Disziplin gewahrt habe, war an dem ersten Abend nicht zu spüren. Mit 40 Minuten Verspätung begannen er und die drei weiteren Musiker ihr Konzert mit arg variationsarmen Oberton-Vokalisten.

    Interessanter fast war ein Blick in La Montes Schulstube. Das Arditti-Quartett grub ein frühes Opus La Montes von 1956 aus, ganz noch im Stil Webern'scher Miniaturen, wie er das beim Schönberg-Assistenten Leonard Stein studiert hatte.

    Auch der andere Jubilar der MaerzMusik dieses Jahres wurzelt in der Wiener Moderne des 20.Jahrhunderts - und zeigt es bis heute: Wolfgang Rihm, in den 1970iger Jahren gestartet mit dem Weckruf nach einer wieder sanglichen Musik. Vor einigen Tagen wurde er 60. Mancherorts feierte man ihn.

    Prominent das Konzert des SWR-Sinfonieorchesters unter Lothar Zagrosek, bei dem Rihm konfrontiert wurde mit der amerikanischen Moderne des Cage-Umfelds: Christian Wolff, Morton Feldman. Rihms 3.Doppelgesang für Klarinette, Viola und Orchester erinnerte da doch sehr an die frühe Schönberg-Schule mit einem fast schwelgerischen Ton.

    Cage und sein Kreis - hat er Relevanz noch heute, wo es für die Kunst kaum Grenzen mehr gibt? Für seinen Verlag war er das profitabelste Investment, bekannte sein Verleger bei einem Symposion. Denn wie sehr Cage den Werkbegriff zu durchlöchern suchte, hat er doch alle auch nur konzeptuellen Partituren signiert. Ohne Signatur kein Copyright und kein Honorar.

    Viel junges Publikum war zu sehen, angelockt auch mit Performances in angesagten Szenelokalen. Dennoch, es blieb ein Blick ins Museum, historisch und kaum aktuell, wie der Untertitel des Festivals suggeriert.
    Es war die erste MaerzMusik auch unter der Intendanz von Thomas Oberender. Erstmals stand auch wieder das generalüberholte Festspielhaus zur Verfügung. Zumal bei der Cage-Eröffnung konnte die Technik brillieren. Weniger gut klappt es noch mit den ins neue graue Festspiel-Design gezwängten Programmheften. Lesefreundlich wäre was anderes.