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Zwischen den Fronten

Erntezeit in Galiläa, im Norden Israels. Mit Leitern und Harken bewaffnet macht sich Familie Makhoul über einen ihrer Olivenbäume her. Die ganze Verwandtschaft ist an diesem Wochenende zusammengekommen, um die harten grünen Früchte aus den Ästen der knorrigen Bäume zu klauben. Während sich die Oliven in immer größerer Menge auf der Plastikplane am Boden sammeln und die Großfamilie ein Rezept für Schokoladenkuchen diskutiert, hat sich Amid Makhoul einen Platz inmitten der Baumkrone gesucht. Sein grobes Schuhwerk fest im Geäst verkeilt, lässt er von hier aus den Blick schweifen - über den in der Sonne dösenden Olivenhain mit seinem silbrig schimmernden Blätterwald.

Jasper Barenberg |
    Erntezeit in Galiläa, im Norden Israels. Mit Leitern und Harken bewaffnet macht sich Familie Makhoul über einen ihrer Olivenbäume her. Die ganze Verwandtschaft ist an diesem Wochenende zusammengekommen, um die harten grünen Früchte aus den Ästen der knorrigen Bäume zu klauben. Während sich die Oliven in immer größerer Menge auf der Plastikplane am Boden sammeln und die Großfamilie ein Rezept für Schokoladenkuchen diskutiert, hat sich Amid Makhoul einen Platz inmitten der Baumkrone gesucht. Sein grobes Schuhwerk fest im Geäst verkeilt, lässt er von hier aus den Blick schweifen - über den in der Sonne dösenden Olivenhain mit seinem silbrig schimmernden Blätterwald.

    Der Olivenbaum hat für uns keine wirklich ökonomische Bedeutung, sondern vor allem eine spirituelle. Er ist ein Symbol für unser Land, für unsere Existenz hier.

    Der junge Rechtsanwalt ist Araber und Israeli zugleich. Für die einen ein Palästinenser mit israelischem Pass, für die anderen ein arabischer Israeli - schon die Frage der Bezeichnung kommt in Israel einem politischen Bekenntnis gleich.

    Amid gehört zu den Nachkommen der etwa 200 Tausend Muslime und Christen, die während des Unabhängigkeitskrieges von 1948 nicht geflohen, sondern im Land geblieben sind. In manchen Gegenden lebten sie bis in die siebziger Jahre unter einer Militärverwaltung, heute machen diese arabischen Israelis ein knappes Fünftel der Gesamtbevölkerung von gut sechs Millionen aus. Jeder von ihnen hat den blauen israelischen Pass. So auch Amid. Wie aber soll er sich mit einem Staat identifizieren, der ihm zwar die Staatsbürgerschaft gewährt, sich aber ausdrücklich als jüdisch definiert? Den Eindruck ungleicher Verhältnisse kann er nicht leugnen.

    Dem Gesetzestext nach leben wir in einem höchst liberalen und einem höchst demokratischen Staat. Unter der Lupe betrachtet benachteiligt das Recht aber die arabische Bevölkerung: wenn es um Steuern geht, um Land oder darum, Araber in Regierungs-Einrichtungen zu beschäftigen.

    Ein Leben zwischen allen Stühlen: Die Palästinenser jenseits der Staatsgrenze verachten die arabischen Israelis bisweilen als Kollaborateure, die mit dem politischen Gegner zusammenarbeiten. Auf der anderen Seiten gleicht das Verhältnis zur jüdischen Mehrheit bis heute eher einem Neben- denn einem Miteinander.

    Amid deutet den Hang hinab: In der Senke liegt sein Dorf im Abendlicht - 600 arabische Christen, umgeben von einigen rein jüdischen Ortschaften. So oder ähnlich sieht es im ganzen Land aus: Die arabischen Wohngebiete sind ganz überwiegend von den jüdischen getrennt. Und selbst in gemischten Städten lebt man in jeweils eigenen Stadtvierteln. Im landesweiten Vergleich weisen die arabischen Quartiere die höchsten Armutsraten auf. Kein Zufall, sondern Folge einer jahrzehntelangen Politik der Vernachlässigung, sagt der Soziologe Dan Rabinowitz:

    Israel hat seine Wirtschaft in den ersten vierzig Jahren seiner Existenz stark gelenkt. Es blühten also die Regionen auf, denen der Staat Mittel zuwies. Andere aber, wo das nicht geschah, blieben unterentwickelt. Hier ist die Diskrepanz zwischen dem jüdischen und dem palästinensischen Sektor sehr sehr offensichtlich.

    Der jüdische Israeli beschäftigt sich an der Universität Tel Aviv seit Jahren mit der Geschichte und den Lebensverhältnissen der arabischen Minderheit. Alarmiert von seinen Forschungsergebnissen, verfasste er zusammen mit 20 Kollegen einen Notstandsbericht für die Regierung. Ob es um das staatliche Erziehungswesen geht oder die Bekämpfung von Arbeitslosigkeit, ob um Gelder für die örtliche Verwaltung oder um soziale Dienste - in vielen Lebensbereichen müssen arabische Israelis zurückstecken. Dass der Staat ihnen nach und nach auch 70 bis 80 Prozent ihres Landbesitzes genommen und bisher kaum etwas davon zurückgegeben hat, zählt Dan Rabinowitz zu den folgenschwersten Verfehlungen.

    Seit 1948 wurden in Israel mehr als 800 jüdische Gemeinden errichtet, für die arabischen Israelis dagegen nur sehr wenige. Das heißt, das Land hat seinen Besitzer nur in eine Richtung gewechselt: Aus den Händen der arabischen Israelis in die des Staates und von dort aus weiter in die von jüdischen Siedlern. Auf diesem Gebiet ist die Diskriminierung nicht nur sehr sehr auffällig - sie ist auch völlig legal: Denn all das fand statt auf der Grundlage einer ganzen Reihe eng zusammenhängender Gesetze, die in der Knesset verabschiedet wurden.

    So vielfältig die Formen der offenen oder versteckten Benachteiligung, so vielfältig sind auch die Folgen dieser Politik in den arabischen Wohngebieten. Wo zu wenig Geld für Bildung zur Verfügung steht, drängeln sich die Schüler in den Klassenräumen. In größerer Zahl als sonst irgendwo in Israel verlassen Jugendliche die Schule vorzeitig. Wo die Bevölkerung wächst, aber kein zusätzliches Bauland erhält, leben immer mehr Menschen in nicht anerkannten Siedlungen ohne Zugang zu Elektrizität, zu Wasser oder medizinischer Versorgung. Selbst größere Städte wie Um-al-Fahm im Norden des Landes verfügen kaum über eine funktionsfähige Kanalisation. All das kennt Mohammad Darawshe vom Bildungs- und Dokumentationszentrum Givat Haviva, das sich für die Stärkung der Bürgerrechte einsetzt, zur genüge. Besonders ungehalten stimmt ihn aber, dass kaum jemand in seinem arabischen Heimatort eine Arbeit findet.

    Unsere Gemeinden entwickeln sich zu Schlafstädten ohne jede Lebensqualität. Es sind Herbergen für Arbeiter, die morgens in jüdischen Städten zur Arbeit gehen und abends zum Schlafen zurückkommen. Und selbst das ist noch ein Privileg. Denn die Arbeitslosigkeit in arabischen Gemeinden ist drei Mal so hoch wie im Landesdurchschnitt.

    Lange Zeit haben die arabischen Israelis nicht aufbegehrt. Doch mit der Ruhe ist es seit Beginn der zweiten, der so genannten Al-Aksa-Intifada vorbei. Zeitgleich mit den gewalttätigen Auseinandersetzungen im Westjordanland und im Gazastreifen versammelten sich im Herbst vor zwei Jahren Tausende Einwohner arabischer Gemeinden auf den Straßen. Und protestierten gegen ihre Benachteiligung in Israel wie gegen den Besuch des damaligen Oppositionsführers Ariel Sharon auf dem Tempelberg. In Um-al-Fahm antwortete die Polizei nicht mit Wasserwerfern, sondern mit Gewehrfeuer, in dem dreizehn Menschen starben. Die Erschütterung, die diese Ereignisse unter den arabischen Israelis auslösten, lässt sich nach Ansicht von Dan Rabinowitz kaum überschätzen.

    Sie fühlen sich jetzt nicht mehr in der Lage, ihre Kinder zu beschützen. Sie sehen ihre persönliche Sicherheit bedroht, die man gewöhnlich für selbstverständlich hält, wenn man auf die Straße geht - auch auf Demonstrationen. Diese Wahrnehmung fügt sich in ein noch tieferes, strukturelles Gefühl der Verzweiflung über die Aussicht, von der gleichwertigen Teilhabe am Staat Israel als einem gesellschaftlichen Projekt ausgeschlossen zu werden.

    Aber nicht nur bei der arabischen - auch bei der jüdischen Bevölkerung haben die Ereignisse Spuren hinterlassen. Selten zuvor hatten sich die arabischen Israelis so deutlich auf die Seite der Palästinenser gestellt. Seitdem werden sie mit anderen Augen betrachtet, sagt Adel Manna. Er beschäftigt sich am privaten Van-Leer-Forschungsinstitut in Jerusalem seit Jahren mit der arabischen Minderheit in Israel:

    Die jüdische Seite hält die arabischen Israels für einen Teil des Feindes. Denn die meisten machen keinen Unterschied zwischen diesem und jenem Araber, diesem und jenem Palästinenser. Für sie ist jeder Araber ein Feind. Wie auch immer die Araber sich verhalten in diesen Zeiten des Blutvergießens und des Hasses: Der Ruf nach Vergeltung richtet sich gegen den "Anderen". Und dazu werden auch die Araber innerhalb Israels gezählt.

    Der Soziologe Dan Rabinowitz hält dieses Urteil in seiner Schärfe für überzogen. Doch auch er hat einen Wandel in der öffentlichen Meinung registriert.

    Es gibt gegenüber den arabischen Bürgern den Vorwurf der Undankbarkeit und den Vorwurf, sie würden die Demokratie und ihre Freiheit missbrauchen. Viele Israelis glauben, dass den arabischen Bürgern über die Jahre viele Rechte, Privilegien garantiert und Möglichkeiten eröffnet worden sind, die sie in keinem anderen Land der arabischen Welt erhalten hätten. Es ist Teil der Tragödie, dass die arabischen Bürger vom mainstream der öffentlichen Meinung sehr kritisch gesehen werden. Wenn Sie mich fragen, werden hier Opfer und Täter verwechselt.

    Gleichwohl ist der Ruf nach stärkerer Kontrolle und strikter Abgrenzung in einem Teil der Gesellschaft lauter geworden. Wo Vorbehalte gegen die arabische Minderheit einmal Platz gegriffen haben, erhalten sie beim Blick in die Zeitung neue Nahrung. Denn islamistische Terrorgruppen wie Hizbollah oder Dschihad finden auch unter den arabischen Israelis immer öfter Helfer für ihre mörderischen Vorhaben. Einmal ist die Rede von einem palästinensischen Attentäter, der seine Waffe bei einem Komplizen in einem arabischen Dorf verstecken konnte. Ein anders Mal sorgt der Bericht über ein junges arabisches Mädchen für Entsetzen, das von einem Selbstmordattentäter kurz vor dem Anschlag gewarnt wurde und daraufhin den Bus verließ, ohne die Polizei zu alarmieren.

    Das Klima des Misstrauens, das solche Nachrichten gedeihen lässt, wird in der arabischen Bevölkerung vielfach als pauschale Verdächtigung erlebt. Dieses Fazit zieht Mohammad Darawshe auf der Grundlage einer Umfrage seiner Organisation Givat Haviva. Sie dokumentiert vor allem eines: wachsende Verunsicherung.

    Die Ergebnisse zeigen ein großes Maß an Entfremdung. Sie zeigen eine wachsende Kluft zwischen den arabischen Bürgern Israels einerseits und dem Staat bzw. der jüdischen Bevölkerung andererseits. Vorherrschend ist das Gefühl, nicht dazuzugehören, Fremde im eigenen Land zu sein. Und leider hat in den letzten zwei Jahren die Angst zugenommen und der Eindruck mangelnder Stabilität und ungewisser Zukunft.

    Eine Angst, so fügt Darawshe hinzu, die vor allem Diskussionen am rechten Rand des politischen Spektrums, also in den orthodoxen jüdischen Parteien, wachgerufen hat. Dort werde in mehr oder minder deutlichen Worten ins Auge gefasst, was vor 10 Jahren noch undenkbar gewesen sei:

    Heute gibt es drei Minister in der Regierung, die einen Transfer der arabischen Bürger Israels fordern, eine Aussiedlung: Das löst Existenzängste aus, was unser Schicksal und unsere Zukunft hier angeht. Wie sollen wir sicher sein, dass in ein paar Jahren nicht die Hälfte der Minister die Aussiedlung der hiesigen Bevölkerung verlangt?

    Übern solchen Gedankenspiele droht das Bewusstsein dafür verloren zu gehen, dass es noch Mitte der 90er Jahre schien, als könne die arabische Minderheit wirklich Teil der israelischen Gesellschaft werden. Rückblickend erstrahlen die Regierungsjahre von Ministerpräsident Yitzhak Rabin in hellem Licht. Niemals, so Adel Manna vom Van-Leer-Institute Jerusalem, sei es den arabischen Israelis besser gegangen als in dieser vom Osloer Friedensprozess geprägten Zeit.

    Tatsächlich haben sie in dieser Zeit erlebt, dass es eine Verbindung gibt zwischen einem Frieden im Westjordanland und Gleichheit für die Araber in Israel. Zum ersten Mal gab es mehr Geld für Erziehung, für die örtlichen Verwaltungen und das Wohlfahrtssystem.

    Die Zuversicht jener Jahre spiegelte sich auch in den Wahlergebnissen. So mancher sprach gar von einer "zionistischen Neigung" der arabischen Bevölkerung, da viele Araber den großen jüdischen Parteien ihre Stimme gaben - dem Likud, vor allem jedoch der Arbeitspartei.

    An die Erfolge dieser Zeit möchte man bei den Wahlen in einer Woche wieder anknüpfen. Weit entfernt von der damaligen Zuversicht herrscht doch Aufbruchstimmung in der Zentrale der Awoda, der Arbeitspartei, in Tel Aviv. Amram Mitzna, der im November gewählte neue Vorsitzende, hat angekündigt, den Friedensprozess wieder auf den Weg zu bringen. So wirbt der 57-jährige bärtige Mann auch um die Stimmen der arabischen Israelis. Mit ihrem Potential von 14 Prozent der Stimmen käme er seinem Ziel, Ministerpräsident Ariel Sharon und seine Regierung zu beerben, ein gutes Stück näher.

    Zu meinen Aktivposten gehört ein solides Vertrauen zwischen mir und den israelischen Arabern. Dieses Vertrauen gründet vor allem auf meiner Arbeit als Bürgermeister von Haifa. 10 bis 12 Prozent der Bevölkerung dort sind Araber. Und gemeinsam mit ihnen ist es vor allem in den letzten zwei Jahren gelungen, alle Herausforderungen auf friedliche und freundschaftliche Art zu meistern.

    Um die Gunst der über eine Millionen arabischen Israelis streiten aber vor allem die drei arabischen Parteien, die insgesamt 11 von 120 Abgeordneten in der Knesset stellen. Trotz Unterschieden in der ideologischen Ausrichtung gleicht sich ihre Programmatik in einem wesentlichen Punkt: Alle drei haben sich die Verbesserung der Lebensbedingungen der arabischen Minderheit ebenso auf die Fahne geschrieben wie das Ziel eines unabhängigen palästinensischen Staates.

    Doch weder der "Vereinigten Arabischen Liste" noch der Partei "Hadash" gelingt, was der charismatische Führer von "Balad", Azmi Bishara, meisterhaft beherrscht: die israelische Öffentlichkeit immer aufs neue an die Grenzen ihrer Toleranz zu führen. Im Gartencafé eines vornehmen Hotels in Ost-Jerusalem macht der kompakte Mann mit Schnauzbart keinen Hehl daraus, dass er auch Loyalität für die Palästinenser in den besetzten Gebieten empfindet:

    Wir versuchen, auch unsere politische Position in Fragen von Krieg und Frieden zu sagen und wir versuchen auch, unsere Solidarität auszudrücken mit den Palästinensern in den besetzten Gebieten: das ist unsere Rolle, das ist auch unsere Pflicht, so sehen wir unsere Pflicht als Palästinenser und als Bürger des Staates Israel. Meine Auffassung ist, dass die Araber in Israel haben eine doppelte Verantwortung. Einerseits als Bürger des Staates Israel, andererseits als Palästinenser und darum investieren wir sehr viel Energie in einem Versuch, die Araber in Israel politisch zu repräsentieren in politischen Fragen und nicht nur in ihren zivilen Fragen.

    Mit dieser Haltung aber weckt nicht allein Azmi Bishara den Unwillen vieler Landsleute. Gerade den Wortgewaltigen unter den arabischen Abgeordneten werfen viele Israelis vor, sich lieber mit provokanten Gesten den Medien anzudienen, als sich um die wirklichen Belange der Menschen zu kümmern. Einerseits, sagen sie, haben wir so viele arabische Abgeordnete wie noch nie in der Knesset, andererseits ist die Bilanz ihrer Parlamentsarbeit dürftig. Mohammad Darawshe hat dafür nur ein Wort: Selbstmarginalisierung.

    Sie interessieren sich nur dafür, einmal neben Hassan Nasrallah von der Hizbollah zu sitzen, Zugang zum Büro von Yassir Arafat zu erhalten oder sich in großen diplomatischen Fragen zu engagieren, die sie vor allem als Teil des palästinensisch-arabischen Kampfes gegen Israel ausweisen. Dadurch stellen sie sich selbst ins Abseits. Und wenn sie dann Mittel für Gesundheit oder Erziehung verlangen, werden sie in der Knesset als Feinde und als illegitime Abgeordnete betrachtet.

    Der Ärger des ansonsten bedächtigen Mannes ist auf niemand anderen als Azmi Bishara gemünzt. Vor drei Jahren hatte er in der syrischen Hauptstadt Damaskus in Anwesenheit des Führers der fundamentalistischen Hizbollah den Kampf gegen Israel als "völlig berechtig" gepriesen. Aufgrund dessen hatte ihn die Wahlkommission wegen "anti-israelischer Hetze" von der Kandidatur ausgeschlossen.

    Dass der Oberste Gerichtshof diese Entscheidung jetzt kassiert und Bishara damit in letzter Minute doch noch zur Wahl zugelassen hat, wurde vor allem in der arabischen Bevölkerung mit Genugtuung zur Kenntnis genommen. Der Aufruf zum Wahlboykott lag schon bereit. Jeder andere Gerichtsbeschluss hätte ihr ohnehin gefährdetes Gefühl der Zugehörigkeit zum Staat Israel erneut auf eine harte Probe gestellt.

    Auch 50 Jahre nach der Staatsgründung ist es Israel nicht gelungen, die Kluft zwischen der formalen Gleichstellung der arabischen Minderheit im Land und seiner praktischen Gleichbehandlung zu schließen. Dies kann nach Ansicht von Mohammad Darawshe nur gelingen, wenn jenseits aller Fragen sozialer und wirtschaftlicher Benachteiligung alle den Blick auf den Kern des staatlichen Selbstverständnisses richten.

    Der Staat Israel definiert sich heute als der Staat seiner jüdischen Bürger. Er definiert sich nicht als der Staat aller seiner Bürger. Im Grunde sagt mir der Staat, ich bin nicht Dein Staat. Der erste Schritt muss also eine Neubeschreibung dessen sein, was das politische Gemeinwesen Israel ausmachen soll. Der Staat muss endlich erwachsen werden. Er kann der Staat der jüdischen Bürger bleiben, aber er muss auch der Staat aller seiner Bürger werden.

    Um den Weg dorthin zu ebnen, denken Dan Rabinowitz und seine Kollegen vor allem an Schritte symbolischer Politik. Die Nationalhymne, die bisher allein die jüdische Seele beschwört, müsste ebenso ergänzt werden wie die Schulbücher, in die der Soziologe die Kultur der arabischen Gemeinschaft eingefügt sehen will. Wenn neben dem Holocaust-Gedenktag auch an die palästinensische Naqba, die Vertreibung durch die Staatsgründer Israels erinnert würde, sieht Rabinowitz eine Chance, dass über den Weg der symbolischen Integration am Ende auch die praktische gelingen kann.

    Wir reden hier über nichts Geringeres als die Neubeschreibung und Neu-Erfindung des Projekts Israel.