Dienstag, 19. März 2024

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Zwischen Despoten und Kardinälen
Ein Priester in Rom im Kampf gegen die Nazis

Heute dürfte dieser irische Priester nur noch wenigen bekannt sein. Obwohl Hugh O'Flaherty noch 1983 im Mittelpunkt eines Hollywood-Films stand - mit Gregory Peck in der Hauptrolle. Und obwohl O'Flaherty vom Vatikan aus ein geheimes Netz aufbaute, das viele Juden und andere Flüchtlinge rettete.

Von Kirsten Serup-Bilfeldt | 15.01.2020
Gregory Peck Characters: Monsignor Hugh O Flaherty Film: The Scarlet And The Black 1982 Director: Jerry London 02 February 1983 PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright: MaryxEvansxAFxArchivexCbs 12463345 editorial use only
Gregory Peck als Monsignore Hugh O'Flaherty im Film: The Scarlet And The Black (www.imago-images.de)
Da ist die Hauptperson, der Initiator, der Kopf und die Seele der Gruppe: der "Oskar Schindler des Vatikans", der irische Monsignore Hugh O‘Flaherty!
Dieser Mann, eine Art Robin Hood im Priestergewand wird sich gemeinsam mit seinen Helfern gegen den Terrorapparat des mörderischsten Regimes der Weltgeschichte stemmen.
Sein erbittertster und gefährlichster Gegner ist der Obersturmbannführer Herbert Kappler, Kommandeur der deutschen Sicherheitspolizei in Rom.
Ein Katz- und Maus-Spiel, aber auch eines auf Leben und Tod in den Gassen der Ewigen Stadt.
"In der Tat scheint er von Angst nicht geplagt gewesen zu sein. Zum einen hat er - ich denke, da spielt auch wieder die christliche Prägung mit - Gottvertrauen im Sinn des Wortes gehabt; zum anderen aber erinnere ich mich, dass seine Großnichte uns gesagt hat, dass er auch an dem Katz-und-Maus-Spiel und vor allem an den schauspielerischen Elementen durchaus seine Freude gehabt hat", sagt Rüdiger Strempel.
Konspirative Treffen mit hohem Gefahrenpotential
Ein kühler, ungemütlicher römischer Herbstabend im Jahr 1943. Der Riese in der schwarzen Soutane mit der purpurfarbenen Schärpe scheint es eilig zu haben. Dennoch nimmt er nicht den direkten Weg vorbei am Petersdom in Richtung Vatikan, sondern sucht nach Schleichwegen. Immer wieder sieht er sich vorsichtig um, durchquert kleine Innenhöfe und dunkle Torbögen und verschwindet schließlich im "Domus Sanctae Marthae", dem Gästehaus des Vatikans. An einer Tür im oberen Stockwerk läutet er.
Helligkeit, Wärme. Ein weißgedeckter Tisch, Silberbesteck, Kristallgläser, polierte Kerzenleuchter. Der Butler John May serviert Grapefruit, als Hauptgang Steak mit Champignons und gegrillten Tomaten und zum Abschluss französischen Käse. Offenbar eine angenehme Abendgesellschaft. Eine angenehme Abendgesellschaft? Nein, weit gefehlt! Eher ein konspiratives Treffen mit hohem Gefahrenpotential!
Denn hier, in der Residenz des britischen Vatikan-Botschafters, hinter verschlossenen Türen und zugezogenen Vorhängen, wird eine Verschwörung vorbereitet. Ihr Ziel ist es, eine Untergrundorganisation ins Leben zu rufen, die Flüchtlingen im von den Deutschen besetzten Italien helfen soll.
"Das ist eine geradezu unwahrscheinliche Kombination und ich glaube, wenn man das so erfinden würde, würde es einem keiner abnehmen. Wir haben vier kongeniale Partner...", so Rüdiger Strempel.
Nämlich den britischen Botschafter am Heiligen Stuhl Sir Francis d’Arcy Osborne, "der zunächst sehr zurückhaltend war, weil er natürlich nicht kompromittiert werden wollte, da er Diplomat war, sehr diskret und vorsichtig. Dann sein Butler, ein geborener Organisator" sowie der aus deutscher Kriegsgefangenschaft geflohene britische Major Sam Derry, der auch über Organisationstalent und detaillierte militärische Kenntnisse verfügt.
Ein Priester mit der Statur eines Preisboxers
Und schließlich ist da die Hauptperson, der Initiator, der Kopf und die Seele der Gruppe: der irische Vatikan-Priester Monsignore Hugh O‘Flaherty! Ein Mann mit der Statur eines Preisboxers, fast zwei Meter groß, breitschultrig, und - tatsächlich - Hobbyboxer, leidenschaftlicher Golfspieler sowie Diplomat am Heiligen Stuhl.
Dieser Mann, dieser Robin Hood im Priestergewand, wird mit seinen Helfern versuchen, einen Terrorapparat aufzuhalten oder zumindest dem Mörderregime ein paar Steine in den Weg zu legen.
Dass dabei keine Zeit zu verlieren ist, wird an diesem Abend in der Residenz des Botschafters klar: Am 25. Juli ist der "Duce", Benito Mussolini gestürzt und inhaftiert worden. Am 8. September verkündet der neue Ministerpräsident Marschall Pietro Badoglio, dass das Königreich Italien, noch immer Bündnispartner Nazi-Deutschlands, vor der Übermacht der Alliierten kapituliert hat.
Die Achse Rom - Berlin ist zerbrochen. Ganz Italien ist jetzt Kriegsschauplatz. Am 9. September landen anglo-amerikanische Truppen im Golf von Salerno. Der deutsche Oberbefehlshaber Generalfeldmarschall Kesselring setzt sofort deutsche Truppen gegen die italienische Hauptstadt in Bewegung. Zwischen Italienern und Deutschen entbrennt der Kampf um Rom. Über der Ewigen Stadt wehen nun die Hakenkreuzfahnen. Ab jetzt gilt dort deutsches Kriegsrecht. Besonders gefürchtet sind die plötzlichen Razzien der deutschen Polizei.
Der Vatikan allerdings bleibt unbesetzt. Das Reichsaußenministerium in Berlin gibt eine formelle Erklärung ab, dass die Souveränität des Kirchenstaates respektiert werde. Konkret bedeutet das: Papst Pius XII. und die Kurie sind auf einer Art neutraler Insel in einem besetzten Land eingeschlossen!
Das Mussolini-Regime ist am Ende; und das Deutsche Reich erklärt Italien im Oktober 1943 den Krieg - diese politische Gemengelage führt dazu, dass rund 50.000 Kriegsgefangene aus italienischen Lagern freikommen, dafür aber nun von den Deutschen verfolgt werden. Tausende fliehen nach Rom, um dort gemeinsam mit anderen Nazi-Gegnern Schutz, Hilfe und Verstecke zu suchen.
Die weiße Linie trennt zwei Welten
Das ist die Stunde des Hugh O‘ Flaherty! Sagt der Autor Arne Molfenter, der 2015 zusammen mit seinem Kollegen Rüdiger Strempel ein Buch über Hugh O‘ Flaherty geschrieben hat - mit dem Titel "Über die weiße Linie". Mit dieser weißen Linie beginnt tatsächlich alles.
"Es hat sich herumgesprochen, dass jeden Abend auf den Stufen vor dem Petersdom ein hochgewachsener Monsignore steht - O’Flaherty war über 1,90, athletisch gebaut, ehemaliger Boxer - und die alliierten Soldaten, die aus diesen Kriegsgefangenenlagern geflohen sind, haben mitbekommen: dort steht jemand, der ansprechbar ist, der uns hilft, der ein Gebetbuch in der Hand hat und der uns dann, wenn wir Glück haben und uns bis zum Petersplatz durchschlagen, in Verstecke bringen wird."
O’Flahertys erbittertster und gefährlichster Gegner, Obersturmbannführer Herbert Kappler, Kommandeur der deutschen Sicherheitspolizei in Rom, hat sie auf das Straßenpflaster pinseln lassen. Der weiße Strich trennt zwei souveräne Staaten und zwei Welten: die Republik Italien und den Vatikanstaat. Und er trennt zwischen Gefahr und Sicherheit, zwischen Gefangenschaft und Freiheit und manchmal auch zwischen Leben und Tod:
"Auf der einen Seite patrouillierten Tag und Nacht deutsche Soldaten, auf der anderen Seite stand O’Flaherty auf den Treppen des Petersdoms. Sein Gegenspieler Herbert Kappler hat diese Linie auch anbringen lassen, um dem Iren klar zu zeigen: wenn du hier herübertrittst, dann hab ich dich! Dann bist du in meinem Gebiet und dann werden wir dich umbringen."
Herbert Kappler bei seiner Ankunft bei Prozessbeginn am 3. Mai 1948 in Rom.
Obersturmbannführer Herbert Kappler, der Gegenspieler Hugh O´Flahertys (picture alliance/dpa)
Jenseits dieser weißen Linie machen Wehrmacht und Gestapo im besetzten Italien tagtäglich Jagd auf alliierte Soldaten, Kriegsgefangene, Deserteure, Juden, Oppositionelle, Flüchtlinge, Widerstandskämpfer. Obersturmbannführer Kappler und seine Schergen setzen eine teuflische Maschinerie in Gang. Und Hugh O’Flaherty ist genau der Mann, der Sand ins Getriebe dieser Maschinerie streut.
Mit einer Mischung aus Chuzpe, Mut und Gottvertrauen nutzt er die Spielräume, die ihm seine Stellung als Priester und die Institution Kirche bieten, um Verstecke, Lebensmittel und Fluchtwege zu finden. Unter den Augen des Papstes liefert er sich mit seinen deutschen Verfolgern ein mörderisches Katz-und-Maus-Spiel, immer irrlichternd zwischen Kurienkardinälen, Diplomaten und Despoten. Kappler und seine Schergen sind dem Priester ständig hart auf den Fersen. Ihre gnadenlose Jagd geht quer durch die Ewige Stadt, durch Palazzi, Kirchenschiffe und - Kohlenkeller!
Als O’Flaherty eine adlige Unterstützer-Familie in ihrem römischen Palazzo besucht, bekommt die SS Wind von der Sache und stürmt das Gebäude. Blitzschnell sucht der Priester Zuflucht im Keller. Dort stößt er auf zwei Arbeiter, die gerade Kohlen liefern. Blitzschnell verwandelt sich der Gottesmann in einen Kohlenmann: Er schnappt sich einen der leeren Säcke, zieht seine Soutane aus, stopft sie hinein und reibt sich Gesicht, Hemd und die langen Unterhosen mit Kohlenstaub ein. Als er den Kohlenschleppern hinterher aus dem Kellerloch klettert, erschrickt er.
"Er wäre verhaftet und gefoltert und hingerichtet worden"
Draußen stehen sie! SS! Ihre Maschinenpistolen blinken im Sonnenlicht. Ungerührt schultert der Mann in den geschwärzten Unterhosen seinen Kohlensack und stapft an der SS vorbei den beiden anderen Kohlenschleppern hinterher - unbehelligt.
"Wenn er nicht die rettende Idee mit dem Kohlensack gehabt hätte, wäre er verhaftet und zweifellos gefoltert und hingerichtet worden. Insofern sieht man tatsächlich, wie akut das Bedrohungsszenario war", erzählt Arne Molfenter.
Und dennoch nicht akut genug, um O’Flaherty von seinem Vorhaben abzubringen. Wendig, listenreich und wagemutig nimmt er den Kampf auf, so Rüdiger Strempel: "In der Tat scheint er von Angst nicht geplagt gewesen zu sein. Zum einen hat er - ich denke, da spielt auch wieder die christliche Prägung mit - ein echtes Gottvertrauen im wahrsten Sinne des Wortes gehabt. Ihm hat das bei allem Ernst des Hintergrundes wohl auch Spaß gemacht, die Deutschen in dieser Art und Weise zu narren."
Hugh O’Flaherty, 1898 in der irischen Grafschaft Cork geboren, tritt gleich nach seinem Theologiestudium in den diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls, wird Mitarbeiter im Heiligen Offizium, macht eine Blitzkarriere wie Rüdiger Strempel recherchiert hat:
"Er hat fast die gesamte Mussolini-Zeit dort erlebt. Das war der Hintergrund, vor dem seine Karriere sich entfaltet hat. Die Mussolini-Herrschaft und dann die deutsche Besetzung wurden erst für ihn relevant, als er mit der Situation der Gefangenen und der Geflohenen konfrontiert wurde. Er war sowohl im diplomatischen Korps als auch in der römischen Gesellschaft - er war ja ein sehr geselliger, sehr charmanter Mensch, ein gern gesehener Gast, der in vielen noblen Häusern in Rom ein- und ausgegangen ist. Und da hat er natürlich auch Kontakte geknüpft, die ihm dann sehr hilfreich waren."
Arne Molfenter ergänzt: "Nach relativ kurzer Zeit war es so, dass O’Flaherty das natürlich nicht mehr alleine geschafft hat. Er hat dann ein Netzwerk von Helfern aufbauen können."
Netzwerk von Helfern
In einer Art Schneeballsystem entwickelt sich aus den anfänglich bescheidenen privaten Hilfsaktionen bald eine hocheffiziente Organisation mit den unterschiedlichsten Akteuren: mit alliierten Flüchtlingen, römischen Adelsfamilien, Bauern im Umland, die Flüchtlinge verstecken, mit Kommunisten, Untergrundkämpfern, einem Schweizer Gesandten, dem britischen Botschafter und seinem ungewöhnlichen Butler John May. Der verfügt über beste Schwarzmarkt-Kontakte und hat folglich die Aufgabe, Nahrung und Kleidung zu beschaffen.
Schon in den ersten Monaten gelingt es dem Netzwerk, rund 1000 Menschen zu retten. Doch dann kommt der Tag, an dem die Hilfe ausgeweitet werden muss.
Am 16. Oktober 1943 erfolgt die Anweisung aus Berlin, alle römischen Juden zu verhaften und zu deportieren. Die "Aktion Sabbatschlag" nimmt ihren Lauf. Die römische Jüdin Lia Levi wird sich später erinnern:
"Dann darf man nicht vergessen, dass man in allen Familien davon ausging, dass uns Juden in Rom nichts geschehen würde - wegen des Papstes. Das war für alle eigentlich sicher. Wir glaubten, vor den Augen des Papstes würden sie es nicht wagen."
Sie wagen es!
Sehnsüchtig haben die Menschen im jüdischen Viertel auf ein Zeichen aus dem Vatikan gewartet. Als es ausbleibt und Herbert Kappler von der jüdischen Gemeinde noch 50 Kilogramm Gold erpresst hat, beginnt die Razzia:
"Am Abend vor dem 16. Oktober waren wir wie gewöhnlich zu Hause. Es war eine merkwürdige Nacht. Man konnte fast spüren, dass etwas in der Luft lag. Kurz vor Sonnenaufgang hörten wir dann schwere Schritte auf der Straße. Wir wunderten uns, denn es war ja noch Sperrstunde. Also ging ich ans Fenster und sah, dass die Deutschen in Zweierreihen durch die Straßen gingen, in Hauseingängen verschwanden und Leute abführten."
Settimia Spizzechino wird mit einer Gruppe von 1250 römischen Juden auf Lastwagen geladen und zwei Tage später vom Bahnhof Tiburtina aus nach Auschwitz deportiert. Sie und ein Dutzend Männer sind die einzigen, die überleben und nach dem Krieg zurückkehren.
Für O’Flaherty und seine Helfer sind diese Tage voller Bedrückung und Angst. Noch mehr Menschen müssen versteckt werden. Hunderte finden Unterschlupf in Klöstern und Konventen, andere werden auf Bauernhöfe im Umland verteilt. O’Flaherty ist rastlos unterwegs. Oft verlässt er in aller Herrgottsfrühe den Vatikan und wagt sich immer wieder über die weiße Linie - manchmal in durchaus abenteuerlichen Verkleidungen: als Straßenkehrer, Postbote, Handwerker oder sogar - als Nonne! Von dieser Maskerade allerdings raten seine Helfer dringend ab, eine ein Meter neunzig große Ordensfrau wirkt wenig plausibel.
Teils gegen den Willen des Papstes
Hugh O’Flaherty handelt auf eigene Rechnung; teils mit stillschweigender Billigung der Vatikan-Hierarchie, teils gegen den Willen des Papstes. Was genau Pius XII. von all diesen Vorgängen weiß, ist nie eindeutig geklärt worden. Sicher ist aber, dass er irgendwann eingreift und den bockbeinigen Iren ins Gebet nimmt:
"Was sicher mit hineinspielte, war die berechtigte Sorge, dass der Vatikan von den Deutschen besetzt werden könnte", so Rüdiger Strempel.
Zwar habe Pius XII. ihm "auf die Finger geklopft", doch über Details dieser Unterredung bewahrt O’Flaherty lebenslang Stillschweigen. Und - macht danach unbeirrt weiter.
Nun geht O’Flahertys Erzfeind in Aktion! Obersturmbannführer Kappler, wütend darüber, dass er den Priester außerhalb des vatikanischen Gebiets nicht schnappen kann, schmiedet ein Komplott:
"Die Idee war, dass sich zwei Gestapobeamte während der Sonntagsmesse im Vatikan einfinden sollten - im Petersdom - und O’Flaherty dann rechts und links unter den Arm nehmen und quasi vom vatikanischen Gelände zerren sollten. Er hätte dann, dem gebräuchlichen Terminus entsprechend, "auf der Flucht erschossen" werden sollen."
Doch Kappler hat die Rechnung ohne den umtriebigen Butler John May gemacht. Der weiß längst Bescheid und hat vorgesorgt:
Während der Messe tauchen plötzlich hinter einem Pfeiler vier überaus athletisch gebaute Schweizergardisten in farbenprächtigen Uniformen und mit gezückten Hellebarden auf, packen die beiden Gestapomänner mit eisernem Griff und führen sie aus dem Petersdom hinaus, sagt Rüdiger Strempel:
"Die Schweizer Garde hat sie dann einigen jugoslawischen Partisanen ausgehändigt, die ebenfalls in Rom im Versteck waren, die die beiden dann übel zugerichtet, aber am Leben gelassen haben, damit sie das ihrem Chefschergen Kappler berichten konnten."
Der ist zu allem bereit. Auch zum Mord. Im März 1944 ist er maßgeblich an dem Massaker in den Ardeatinischen Höhlen beteiligt, bei dem die Deutschen über 350 italienische Zivilisten, darunter 75 Juden erschießen.
In der Residenz des britischen Botschafters. Wieder: ein weißgedeckter Tisch, Silberbesteck, Kristallgläser, polierte Kerzenleuchter. Ein diskreter Butler und knallende Champagnerkorken. Der unvergleichliche John May hat die edelsten Flaschen für diesen Moment aufbewahrt.
Es ist 4. Juni 1944. Alliierte Truppen befreien Rom. Plötzlich erklingen auf dem Petersplatz ungewohnte Klänge. Eine Gruppe schottischer Dudelsackpfeifer und Trommler hat die britischen Truppen in die Stadt geleitet. Sie marschieren vor dem Vatikan auf, um dem Papst ihre Reverenz zu erweisen. In den Straßen jubeln und tanzen die Menschen.
Zu diesem Zeitpunkt haben Hugh O’Flaherty und seine Mitstreiter, die von ihren Helfern mit einer Summe von umgerechnet 35 Millionen Euro unterstützt wurden, etwa 6500 Menschen gerettet.
O’Flaherty tauft seinen schlimmsten Feind
Herbert Kappler gelingt es, aus Rom zu fliehen. Im Mai 1945 stellt er sich in Bozen der britischen Militärpolizei und wird zu lebenslanger Festungshaft verurteilt. Nur ein Besucher erscheint regelmäßig in seiner Gefängniszelle: Hugh O'Flaherty. 1959 konvertiert Herbert Kappler zum katholischen Glauben:
Rüdiger Strempel: "O’Flaherty hat darüber nicht gesprochen, das war für ihn Teil des priesterlichen Geheimnisses. Aber die beiden haben lange Zeit Kontakt gehabt und es war O’Flaherty, der ihn schließlich auch getauft hat."
Ireland, Province Munster, County Kerry, Killarney, Memorial and statue of Hugh O Flaherty PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY THA000734 Ireland Province Munster County Kerry Killarney Memorial and Statue of Hugh O Flaherty PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxHUNxONLY THA000734
Denkmal für Hugh O'Flaherty in Killarney, Irland (imago stock&people)
Heftige Kritik, vor allem aus der italienischen Presse prasselt danach auf den Priester nieder, so Arne Molfenter:
"Wie kannst du unserem schlimmsten Feind in Rom vergeben und dich regelmäßig mit ihm treffen? O’Flaherty hat auf diese Vorwürfe sehr gelassen reagiert und hat immer einen Satz wiederholt."
Es ist der Satz, der heute an Hugh O’Flahertys lebensgroßem Bronzedenkmal steht, das 2013 anlässlich seines 50. Todestages in seiner irischen Heimat Killarney enthüllt wurde. Immer wieder hat er diesen Satz wiederholt, wenn er gefragt wurde, warum er auch Menschen half, die "auf der anderen Seite" standen. Der Satz lautet:
"God has no country."