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Zwischen Drogen, Terror und Gewalt

In kaum einem anderen Land sind die Eigentumsverhältnisse so ungerecht verteilt wie in Kolumbien: Dem reichsten Fünftel der Bevölkerung gehören zwei Drittel des Wohlstandes, dem ärmsten Fünftel gerade mal 2,7 Prozent. Dennoch ist ein erheblicher Teil der Bevölkerung zufrieden mit Präsident Alvaro Uribe, der mit harter Hand gegen die linken Rebellen im Land kämpf. Seine Wiederwahl am Sonntag gilt als sicher.

Von Gottfried Stein |
    "Um 11 Uhr morgens kamen sie, Paramilitärs und Angehörige des Heeres, sie warfen Bomben auf das Dorf und schossen, die Leute flohen, und es gab ein paar verletzte Frauen. Sie nahmen einen Jungen, banden ihn fest, zogen ihn nackt aus und 'schlachteten' ihn Stück für Stück, und das Fleisch warfen sie den Hunden vor. Das war ein Angriff auf die Zivilbevölkerung, denn hier gab es keine Guerillas, wie sie behaupteten."

    Eine fast alltägliche Horrorgeschichte aus Kolumbien. Die Zivilbevölkerung gerät zwischen die Fronten in die Kämpfe zwischen der linksgerichteten Guerilla, den rechtsgerichteten Paramilitärs und regulären Truppen. Aber es gibt Hoffnung, denn Präsident Alvaro Uribe und die Paramilitärs haben ein Abkommen geschlossen. Ernesto Baez, Kommandant der größten Paraeinheit:

    "Wir haben beschlossen, diesen Prozess zur Befriedung des Landes mit einem Akt des guten Willens, mit der Entwaffnung von zirka 3000 Personen voranzutreiben, ohne irgendeine Gegenleistung zu fordern. Das heißt, wir haben dem Land und der Welt gezeigt, dass unser Ziel, zum Ende des Krieges beizutragen, ehrlich gemeint ist."
    Die stolzen Worte des Kommandanten sind nur die halbe Wahrheit. Die Paramilitärs, in den 80er Jahren von Großgrundbesitzern und Wirtschaftsbossen zum Schutz gegen die Guerilla gegründet, sind für schwerste Verbrechen verantwortlich: Massaker an Zivilisten, Massenvertreibungen und Drogenhandel. Aber Präsident Uribe will sie entwaffnen – und wieder ins zivile Leben eingliedern. Das Abkommen sei ein Erfolg, meint Alfredo Rangel, Direktor der Stiftung "Friede und Demokratie" in Bogota:

    "Die Regierung hat mit der Entmilitarisierung der paramilitärischen Gruppen einen großen Erfolg erzielt. Während der vergangenen zwei Jahre hat sie zirka 30.000 Kämpfer und Unterstützer der Paras entwaffnet. Der Waffenstillstand, den diese Gruppen während der letzten drei Jahre vereinbart haben, hat Kolumbien vor rund 10.000 Morden bewahrt, vor Hunderten von Entführungen und Zigtausende Personen vor der Vertreibung."

    Wir sind in Guadelupe, einem dicht besiedelten Stadtviertel im Norden von Medellin. Bis Anfang der 90er Jahre galt Guadelupe als eines der kriminellsten Viertel Südamerikas. Dann sorgten die Paras für Ruhe - und errichten ihr eigenes Regime. Seitdem kontrolliert der Block Metro das Drogen- und Schutzgeldgeschäft in dem Viertel. Der 22-jährige Alejandro gehört dazu:

    "Ich sah, dass wir nicht ruhig auf der Straße herumlaufen konnten, nicht einmal im eigenen Viertel, da Gruppen mit völlig anderen politischen Vorstellungen auf den Plan traten, die deswegen Druck ausüben und die Leute zwingen wollten, ihnen zu folgen. Da gab es eines Tages das Angebot, sich dem Block Metro anzuschließen, der zu den paramilitärischen Gruppen Kolumbiens gehörte."

    Für die Wiedereingliederung der Paramilitärs in die Gesellschaft hat die Stadt Medellin ein Programm erstellt: Rückkehrbereite gehen zur Schule, erlernen Berufe, werden für soziale Aufgaben in den Stadtvierteln trainiert. Das bedeutet aber keine Straffreiheit, versichert Silvia Montanes, die Koordinatorin des Programms:

    "Hier gibt es keinerlei Amnestie. Einige nehmen aktiv am Programm für Frieden und Versöhnung teil, einige haben das Gefängnis bereits verlassen und für ihre Vergehen gebüßt, manche sind noch im Gefängnis, und bei anderen sind wir sicher, dass es demnächst ein Urteil geben wird, dass sie schuldig gesprochen und ins Gefängnis kommen werden, aber währenddessen glauben wir, dass jede Änderung des Verhaltens, die wir bei ihnen bewirken können, sehr wertvoll ist, und dafür kämpfen wir."

    Nach offiziellen Schätzungen gab es rund 40.000 Paramilitärs in Kolumbien. In Medellin waren sie besonders stark. Die Justiz prüft jeden Fall, landesweit sitzen über 1000 Paras wegen Kapitalverbrechen im Gefängnis. Die großen Bosse aber sind in Freiheit – und verlangen vom Staat Garantien, dass sie nicht, wie von Washington gefordert, wegen Drogengeschäften an die USA ausgeliefert werden. Ohnehin würden die meisten amnestiert, sagt Camilo Gonzales, Direktor des Instituts Indepaz:

    "Nach konservativen Schätzungen haben sich die Paras auf gewaltsame Weise 1,5 Millionen Hektar angeeignet, manche sprechen von 4,5 Millionen Hektar. Das Gesetz wäscht alles, Gewalt, Drogenhandel, all das soll 'bereinigt' werden. Es gibt auch viele andere Geschäfte jenseits des Drogenhandels, das Verschwindenlassen von Staatsgeldern, für die es nun eine Amnestie geben wird – eine Amnestie für illegale Geschäfte."

    Schlendert man tagsüber durch Guadelupe, scheint alles friedlich. Die Straßen sind dicht belebt, die Geschäfte gut besucht, auf den Plätzen spielen die Kinder. Nichts deutet mehr auf den Terror hin, der hier vor gar nicht langer Zeit herrschte:

    "Früher war es hier absolut ausgestorben, es gab viele Tote, und die Geschäftsleute litten sehr, denn sie mussten genauso wie die Transportunternehmen Bestechungsgelder zahlen. Wir haben viel gelitten, vieles verloren, von 1980 bis 1995, eine ganze Generation. Jetzt leben wir hier Gott sei Dank ruhig und schauen vorwärts."
    Viele Menschen wie dieser Passant sind zufrieden. Aber es gibt auch Leute, die behaupten das Gegenteil. In den Stadtvierteln von Medellin habe sich unter der Oberfläche wenig geändert, klagt Adriana Betancur von der "Vereinigung gerechte Freiheit":

    "Die Paras sind in allen Stadtvierteln präsent. Sie verfolgen eine sehr undurchsichtige Strategie. Dieselben, die ein Stadtviertel verlassen haben, sind woanders wieder aufgetaucht, mit den gleichen Chefs unter anderem Namen. Die sich vorher Militärchef nannten, nennen sich jetzt 'Koordinator für die Entwaffneten'. Sie kassieren Erpressungsgelder, die sie als 'Impfung' bezeichnen. Alle Stadtbusse müssen eine monatliche Abgabe zahlen oder die Bewohner der Viertel selbst. Damit sie Wasser bekommen, müssen sie 1000 Pesos pro Woche zahlen."

    Dass die Entwaffnung der Paramilitärs eine Gratwanderung ist, weiß auch die Regierung. Es sei ein erster Schritt, um etwas in Gang zu bringen. Und viele Kolumbianer honorieren, dass überhaupt etwas passiert, nach vielen Jahren der quälenden Konflikte. Auch Alonso Salazar, Sekretär der Stadtregierung von Medellin weiß, dass nicht alles astrein ist:

    "Zur schlimmsten Zeit, 1991, gab es 6000 Morde in einem Jahr. Als die Gesellschaft reagierte und etwas unternahm, gingen die Gewalttaten zurück. Im vergangenen Jahr registrierten wir 770 Morde, das ist ein Durchschnitt von 35 pro 100.000 Einwohner. Wir haben immer angeprangert, dass ein Teil der Wiedereingegliederten sich wieder kriminell betätigt, und wir versuchen, die Zonen und Gebiete zu trennen, wo dies geschieht. Die bedrohten Gebiete in der Stadt werden gottlob immer kleiner."

    Uribes Kritiker werfen dem Präsidenten immer wieder vor, er sei unbarmherzig gegen die Guerilla, aber nachgiebig gegen die Paras. Geprägt hat ihn sicher der Tod seines Vaters, der von der Guerilla umgebracht wurde. Und während seiner Amtszeit als Gouverneur der Krisenregion Anteoquia wurde ihm immer wieder die Nähe zu den Paras vorgeworfen. Pedro Medellin, Politologe an der Universität Bogota:

    "Der Präsident hat von den guten Paras und den schlechten Paras gesprochen. Die Guten sind diejenigen, die dazu beitragen, den Terrorismus zu bekämpfen und dazu, dass sich die Institutionen festigen, und die Bösen sind diejenigen, die selbst schließlich kriminell werden."

    Uribes vermeintliche oder tatsächliche Nähe zu den Paramilitärs aber verblasst hinter einem anderen, noch größeren Problem: dem Drogenhandel. Kolumbien ist der größte Kokainproduzent der Welt. Seit der Zerschlagung der großen Drogenkartelle in Cali und Medellin machen die linksgerichtete FARC-Guerilla und die rechten Paramilitärs das Millionengeschäft. Was passiert, wenn sich die Paras zurückziehen und die Guerilla in das Vakuum stößt? Ricardo Vargas, Direktor der "Accion Andina Colombia":

    "In diesem neuen Szenarium sehen sich die Guerillas gestärkt, denn sie werden größere Gebiete kontrollieren und für ihre Geschäfte nutzen, und deshalb wird ihre Macht wachsen. Eine strategische Niederlage auf mittlere oder lange Sicht zeichnet sich also nicht ab. Das Potential, das sie hinzugewinnen, wird ihnen bessere Bedingungen verschaffen, um das Territorium zurückzugewinnen, das sie vor allem im Norden des Landes verloren haben."

    Auf den Careteras, den Landstraßen zwischen den größeren Städten, herrscht wieder normaler Verkehr. In Abständen von wenigen Kilometern sichern Soldaten das Gelände, stehen mit Gewehren im Anschlag am Straßenrand. Vor einigen Jahren war es wegen der Überfälle der Guerilla praktisch unmöglich, ohne militärischen Schutz über Land zu fahren. Die Menschen in den Städten sagen, sie fühlen sich wieder sicherer, aber sind trotzdem nicht frei von Angst. Alexandra Guaqueta, die Leiterin der Stiftung "Ideen für den Frieden":

    "Kolumbien ist eigentlich schizophren, denn die eine Hälfte des Landes funktioniert. Wir haben Universitäten, ich stehe alle Tage auf, putze mir die Zähne, gehe ins Büro, gehe ins Theater, in die Oper. In Bogota führe ich ein - in Anführungszeichen - 'normales Leben'. Aber das ist kein Vergleich mit Ländern, die in Frieden leben. Denn die Unternehmen zum Beispiel müssen eine ganze Reihe von Vorkehrungen treffen, die sie in Chile oder Argentinien nicht bräuchten, zum Beispiel privates Wachpersonal beschäftigen, Begleitfahrzeuge einsetzen, um Entführungen zu verhindern."

    Insgesamt sind die Städte sicherer geworden. Die starke Präsenz von Polizei und Militär auf den Straßen hat nicht nur die Guerilla, sondern auch die Kriminalität zurückgedrängt. Im Kreuzfeuer der Kämpfe stehen die Kleinstädte und Dörfer in den unwegsamen Regionen wie im Cauca oder in Antioqia. Das würde, meint Jose Obdulio Gaviria, die rechte Hand von Präsident Uribe, das Gesamtbild verfälschen:

    "Das sind Städte mit nicht mehr als zwei oder drei Prozent der Bevölkerung, in ländlichen Gegenden, im Urwald. Überall in der Welt wäre unter solchen Bedingungen die Lage äußerst schwierig, wenn es terroristische Angriffe gibt. Denn gegen terroristische Attacken in Urwaldgegenden ist man praktisch machtlos."

    Die Bevölkerung honoriert den Rückgang der Gewalt. In Umfragen liegt Präsident Alvaro Uribe nie unter 60 Prozent, seine Popularität verdankt er vor allem den Erfolgen im Kampf gegen Paramilitärs und Guerilla. Dabei täuscht das Bild: Zwar musste sich die FARC aus einigen Gebieten zurückziehen, aber sie hat ihre Anschläge auf Polizeistationen und Militäreinrichtungen intensiviert. Aber das interessiert die breite Bevölkerung wenig. Denn in den Städten ist nun mal die Situation anders als auf dem Land, sagt Dr. Alejo Vargas, Politikwissenschaftler an der Universität Nacional de Colombia:

    "Der Bewohner in den Städten spürt von dem Guerillaproblem verhältnismäßig wenig. Wir beziehen uns dabei auf die mehr als 70 Prozent der Bevölkerung Kolumbiens, die in Städten lebt. Das Guerillaproblem betrifft also höchstens 30 Prozent der Bevölkerung, die auf dem Land lebt. Aber für Präsident Uribe war es ein geschickter politischer Schachzug, zu sagen, ich werde der Guerilla ein Ende bereiten, meine Priorität ist, das Land zu befrieden. Auf diese Weise rechtfertigte er, dass er weniger Gewicht auf andere Gebiete legte, zum Beispiel den sozialen Sektor."

    Fliegereinsatz im Süden Kolumbiens. Hubschrauber und Spezialflugzeuge überfliegen Kokaplantagen, besprühen die Felder mit Pflanzengift. In den Maschinen sitzen nicht nur Angehörige der kolumbianischen Drogenpolizei, sondern auch Mitarbeiter amerikanischer Militärunternehmen. Über 90 Prozent der Kokainimporte in die USA stammen aus Kolumbien. Seit 1999 hat Washington deshalb über vier Milliarden US-Dollar in den so genannten Plan Colombia investiert. Dr. Eduardo Pizarro, Politikprofessor an der Universität Nacional de Colombia:

    "Der Plan Colombia war äußerst wichtig für Kolumbien, weil er den Drogenhandel eingedämmt und zum Zerfall der Paramilitärs beigetragen hat. Und er hat auch die Guerilla geschwächt. Kolumbien war vor zehn Jahren als Staat nicht so stark wie heute. Aber der Plan hat ein Manko: Er beinhaltet keine Sozialpolitik."

    Der Drogenhandel ist eines der zentralen Probleme Kolumbiens. Ohne die Hilfe der USA kann Präsident Uribe das Krebsgeschwür nicht besiegen. Der Plan Colombia lässt nur 500 US-Militärangehörige in Kolumbien zu. Deshalb tummeln sich Dutzende private amerikanische Militärunternehmen im Land, die Tausende ausländische Söldner auf der Gehaltsliste haben. Trotzdem, sagt Coronel Gustavo Rosales, Direktor des Instituts für geostrategische Studien, sei Kolumbien militärisch nicht abhängig von den USA:

    "In Kolumbien gab es seit langer Zeit militärische Missionen der USA, zum Beispiel im Rahmen des Kalten Krieges. Kolumbianische Soldaten wurden in den USA trainiert, und amerikanische Ausbilder sind hier im Lande. Eine völlige Abhängigkeit von den USA aber ist nicht gegeben. Unsere Wirtschaft erlaubt uns keine dauerhaften militärischen Anstrengungen."

    Private US-Militärunternehmen haben nicht nur kolumbianische Soldaten und Polizisten, sondern auch Paramilitärs ausgebildet. Und immer wieder sind Spezialtrupps der Sicherheitsfirmen in Kampfhandlungen mit der Guerilla verstrickt, was offiziell immer geleugnet wird, aber zum Beispiel bei Flugzeugabschüssen ans Tageslicht kommt. Kolumbianische Ex-Militärs, die an einer militärischen Lösung des Konflikts zweifeln, äußern immer unverblümter ihre Kritik an der amerikanischen Haltung. Guillermo Loras, ein ehemaliger Coronel sagt:

    "Für die Regierung der USA ist dieser Krieg von Vorteil. In politischer und wirtschaftlicher Hinsicht. Für die USA ist es von Vorteil, dass wir weiter in einem Kriegzustand verharren, damit wir das verwenden, was sie produzieren. Die USA haben eine Doppelmoral, haben sie immer gehabt. Die sagen etwas, und tun dann etwas ganz anderes. Das passiert auch hier in Kolumbien."

    Ein Journalist rechnete kürzlich vor, dass der Krieg durch Ausgaben für Waffen, Verpflegung, Treibstoff und Logistik täglich zwölf Millionen Dollar bewege. Er sei ein großes Geschäft, das 400.000 Menschen beschäftige, weshalb der Wille, ihn zu beenden, nicht allzu groß sei. An Präsident Uribe aber prallt solche Kritik völlig ab. Auf Vorwürfe, er würde nur in Sicherheit, aber nicht in Sozialpläne investieren, reagiert er gereizt:

    "Jene Leute, die von Sozialpolitik sprechen, haben mir dieses Land mit einer Armutsrate von 59 Prozent übergeben, sie sprachen von demokratischen Garantien und präsentierten mir ein Land mit 400 Bürgermeistern, die vom Terrorismus vertrieben worden waren und ihre Arbeit in den Stadtverwaltungen nicht ausüben konnten. Sie redeten von bürgerlichen Freiheiten und übergaben mir ein Land mit von Guerilleros und Paramilitärs geknebelten Bürgern. Dagegen rebelliere ich."

    Tatsächlich aber fällt Uribes sozialpolitische Bilanz gegenüber den Sicherheitsanstrengungen mager aus. 60 Prozent der Bevölkerung leben in Armut, 20 Prozent im Elend. Für viele dieser Menschen ist die Kirche die einzige moralische Institution, der sie noch vertrauen. Fabian Marulanda, Vizepräsident der kolumbianischen Bischofskonferenz:

    "Die Verarmung nimmt täglich zu, aber nicht nur in Kolumbien. Auch in anderen Ländern, die nicht die Probleme Kolumbiens haben, herrscht trotzdem sehr viel Armut. Dazu trägt die neoliberale Wirtschaft bei, diese ganze Globalisierung, viele Faktoren. Wenn sich Kolumbien endlich von dem Problem befreien könnte, dass so viel Kraft kostet, dann könnte es in sozialer Hinsicht sehr viel tun."

    In kaum einem anderen Land sind die Eigentumsverhältnisse so ungerecht verteilt: Dem reichsten Fünftel der Bevölkerung gehören zwei Drittel des Wohlstandes, dem ärmsten Fünftel gerade mal 2,7 Prozent. Die Elite ist seit Generationen unter sich – und reagiert seit jeher auf die sozialen Widersprüche vor allem mit Repression. Deswegen, sagt der Sicherheitsexperte Alejo Vargas, solle man nicht unterschätzen, dass es trotz der breiten Ablehnung der FARC in der Bevölkerung durchaus Sympathie gebe:

    "In diesen Zeiten, in denen von staatlicher Seite mit harter Hand regiert wird, entsteht häufig das, was ich manchmal eine 'falsche Realität' nenne, denn man glaubt zum Beispiel, dass die Guerillabewegungen keine Unterstützung haben. Aber es gibt eine Unterstützung im Verborgenen, die auf Grund der Umstände nicht an die Oberfläche gelangt. Das kann zu falschen Einschätzungen führen, was natürlich nicht bedeutet, dass es eine sehr große Unterstützung ist. Ich glaube, es handelt sich nur um geringe Unterstützung, die aber nicht außer Acht gelassen werden darf, wie ich meine."

    Trotz allem: Ein erheblicher Teil der Bevölkerung ist zufrieden mit Präsident Alvaro Uribe. Seine Wiederwahl am Sonntag bereits im ersten Wahlgang gilt als sicher. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten hat die Bevölkerung wieder Hoffnung, dass sich die Verhältnisse im krisengeschüttelten Kolumbien endlich bessern.