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Zwischen ehrgeizigen Zielen und dreckiger Luft

Indien ist ein wichtiger Verhandlungsteilnehmer in Doha, denn es stößt die drittgrößte Menge an CO2 aus. Doch Wachstum auf Kosten von Umwelt und Klima es sich nicht länger leisten: die Situation ist in Städten wie Neu Delhi schon heute grenzwertig. Die Regierung hat auf die Probleme mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen reagiert.

Von Michael Brandt | 06.12.2012
    Es ist ein Morgen wie fast immer um die diese Jahreszeit in Neu Delhi. Zehntausende von Autos drängen sich durch die Straßen. Obwohl dieselgetriebene Nutzfahrzeuge und Autobusse seit Jahren nicht mehr zugelassen werden, obwohl Tausende von den kleinen "Tuctuc" genannten Taxis nicht mehr mit Benzin, sondern mit Gas unterwegs sind, die Smogwolke über der Stadt wird immer größer.

    Das zweitgrößte Land der Erde hat einen Konflikt. Einerseits ist es ein Schwellenland, in den vergangenen Jahren waren die Wachstumsraten gewaltig und es sieht sich selbst in zehn Jahren als einen der großen Player der Weltwirtschaft. Andererseits kann es sich Wachstum auf Kosten von Umwelt und Klima nicht leisten, denn die Situation nicht nur in Städten wie Neu Delhi ist schon heute grenzwertig.

    "Indien ist extrem empfindlich für Klimaveränderungen","

    sagt Ligia Noronha, Direktorin bei der NGO The Energie and Ressource Institute des Friedensnobelpreisträgers Rajeenda Pachauri, die sich seit Jahrzehnten für Ressourcenschonung einsetzt.

    ""Die indische Landwirtschaft hängt vom jährlichen Monsunregen ab und in den vergangenen Jahren waren bereits mehrere schlechte Monsune zu verzeichnen, die auf den Klimawandel zurückgehen."

    Die Regierung hat auf die Probleme mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen reagiert. Beispielsweise gibt es ein eigenes Ministerium für Erneuerbare Energien, das sich und dem Land hohe Ziele gesetzt hat.

    "Für Indien sind erneuerbare Energie sehr wichtig","

    sagt Staatssekretär Gireesh Pradhan.

    ""Das wird zunächst durch die Tatsache belegt, dass Indien seit 1983 das einzige Land mit einem Ministerium für erneuerbare Energien ist. Der Anteil der erneuerbaren Energien liegt bei uns derzeit bereits bei 32 Prozent. Und wir wollen die Kapazitäten in den kommenden fünf Jahren verdoppeln."

    Das ist die eine Seite. Die andere ist, dass erstens das Stromnetz bereits heute an der Grenze zur Überlastung ist. Dass zweitens die boomende Wirtschaft immer mehr Strom braucht und dass drittens noch immer 400 Millionen Menschen komplett ohne Zugang zu Stromnetz sind. Die Regierung also muss handeln, so Jens Burgtorf von der GIZ in Indien:

    "Das gibt einfach einen ganz großen Druck auf die Regierung, dort etwas zu tun. Indien ist ganz stark darauf angewiesen, Energie zu importieren. heimischer Energieträger ist Kohle, das heißt, da muss etwas passieren."

    Und Pläne gibt es. Die Kapazität der Erneuerbaren soll nicht nur verdoppelt werden; der Anteil soll auch im Verhältnis zur konventionellen Energieerzeugung deutlich größer werden. Insbesondere für die Versorgung der Menschen die bislang ganz ohne Strom sind, soll zudem die Photovoltaik massiv ausgebaut werden. Und zwar nach deutschem Vorbild

    "Wir wollen von Deutschland lernen, sagt Staatssekretär Pradhan, beim Ausbau von Photovoltaik auf den Dächern, wir wollen das sehr erfolgreiche deutsche Ausbauprogramm adaptieren."

    Die staatlichen Programme und Fünfjahrespläne sind gleichwohl nur das eine. Beim ablaufenden Plan etwa wurde das Ausbauziel deutlich verfehlt. Aber dennoch sieht Jens Burgtorf von der GIZ gute Chancen, dass die Erneuerbaren beim Ausbau der Energieversorgung eine erhebliche Rolle spielen werden - ganz einfach weil es der Wettbewerb regelt:

    "Viele Investoren sehen, dass Investitionen in erneuerbare heute zum selben Preis möglich sind wie in konventionelle. Und das ist der Durchbruch, den wir in drei bis vier Jahren erwarten."

    Die Probleme sind groß, das Bemühen sie anzugehen aber erkennbar auch. Ein Grund, warum viele in Indien wenig erfreut auf die Entwicklung der Weltklimakonferenz in Doha schauen, und enttäuscht vor allem über die Europäer sind, die sich wegen Polen nicht auf eine Erhöhung der CO2 Einsparziele auf 30 Prozent einigen können.

    "Wir haben keine großen Erwartungen mehr","

    sagt Ligia Noronha von der NGO Energy and Ressource Institute.

    ""Folglich sind wir nicht allzu enttäuscht. Also setzen wir darauf, dass sich die USA möglicherweise bewegen in der zweiten Amtszeit von Barak Obama, wie es die heutigen Zeitungen vermuten lassen, und wir setzen auf mehr multilaterale Vereinbarungen, damit es nicht an einzelnen scheitert."

    Auch wenn die Kritik an der EU deutlich hörbar ist, bei Nachfragen nehmen alle Gesprächspartner in Indien Deutschland aus. Die Energiewende wird auch in Indien nicht nur interessiert beobachtet, so Jens Burgtorf:

    "Die Leute, mit denen wir zu tun haben, sei es in den Ministerien oder im Privatsektor, die schauen da ganz genau hin und sagen: das geht doch. Also der Anreiz ist immens hier in Indien."