Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Zwischen Eminem, Rihanna und Lady Gaga

DSO-Direktor Alexander Steinbeis freut sich über den Grammy-Award für das Deutsche Symphonieorchester. In Zeiten leerer kommunaler Kassen gebe das den Musikern "den erwünschten Rückenwind", ist Steinbeis sicher.

Alexander Steinbeis im Gespräch mit Michael Köhler | 14.02.2011
    Michael Köhler: Das Deutsche Symphonieorchester Berlin und der Rundfunkchor Berlin haben einen Grammy gewonnen. So liest sich eine nüchterne Agenturmeldung, die doch viel bedeutet. Die Musiker bekamen gestern Abend in Los Angeles die Auszeichnung für ihre Opernaufnahme von "L'Amour de loin" der finnischen Komponistin Kaija Saariaho unter der Leitung von Kent Nagano. Dazu muss man wissen: Das Deutsche Symphonieorchester Berlin wurde 1946 gegründet, 1994 zur Rundfunk Orchester und Chöre GmbH erweitert. Gesellschafter sind das Deutschlandradio als Mehrheitsanteilseigner, die Bundesrepublik, das Land Berlin und der Rundfunk Berlin-Brandenburg. Aber hören wir zunächst einen Ausschnitt aus dem preisgekrönten Werk, das durchaus Anklänge an Debussy und Messiaen zulässt.

    Musikeinspielung

    Köhler: Die Grammys, das sind die wichtigsten Preise der US-Musikindustrie und die Frage deshalb an Alexander Steinbeis, Direktor des Deutschen Symphonieorchesters: Kommt man sich nicht ein bisschen wie im falschen Film vor, wenn man so zwischen Eminem, Rihanna, Lady Gaga und der Countryband Lady Antebellum plötzlich einen Preis für ein Opernwerk bekommt?

    Alexander Steinbeis: Also man reibt sich schon erstmal die Augen, aber es ist einfach eine ungeheuere Erfahrung, wenn man dann auch hierzulande Gratulationsstürme bekommt, und in dem Moment wird einem auch klar, was das auch hier bei uns bedeutet.

    Köhler: Ist es denn wirklich so selten, dass eine Oper einen Grammy kriegt?

    Steinbeis: Na ja, es gibt schon jedes Jahr bei der Grammy-Verleihung auch eine Opern-Nominierung zur besten Opern-Einspielung des Jahres, aber man konkurriert natürlich auf sehr, sehr hohem Niveau.

    Köhler: Jetzt müssen Sie uns erklären, wer die finnische Komponistin Kaija Saariaho ist, die in Agenturmeldungen schon mal als Komponist durchgehen musste.

    Steinbeis: Also Kaija Saariaho ist Finnin, lebt aber seit vielen Jahren in Frankreich und hat sich unter Pierre Boulez und am IRCAM-Zentrum für elektronische Musik entwickelt und ihren Namen gemacht, und sie gehört heute wirklich zu den bedeutendsten und auch richtungsweisendsten Komponisten in der klassischen Musik. Ich finde, Kaija Saariahos Musik ist nicht unbedingt schwer zugänglich. Man spürt durchaus ihre Einflüsse. Sie hatten ja gerade die französische Schule schon angesprochen. Ich finde auch, man merkt einfach, dort hat sie ganz prägende Jahre verbracht. Die Musik befindet sich in einem ständigen Bewegungsfluss, sie ist also durchkomponiert, und ich finde, Kaija Saariaho schafft es, eine ungeheuere Transparenz und auch Sensibilität in dieser Musik herzustellen. Sie schafft es, Grenzbereiche zwischen Emotionalem und Rationalem auszuloten, und sie ist unheimlich farbenreich, aber nie dick aufgetragen. Sie wirkt wie eine Art Klangteppich und das erreicht sie unter anderem durch ein sehr geschicktes Einbeziehen von elektronischen Elementen, die man als Zuhörer eigentlich erst mal gar nicht als solche wahrnimmt, und einem wirklich klugen und ausbalancierten Nebeneinander der vokalen Linien, also der Linien der Sänger, und den Spektren des Orchesters.

    Köhler: Hat durchaus was Kontemplatives?

    Steinbeis: Hat was sehr Kontemplatives, absolut!

    Köhler: Herr Steinbeis, Sie sind Orchesterdirektor. Ingo Metzmacher hat Sie geholt, hat Sie verpflichtet. Ist das jetzt die Belohnung für moderne Programmarbeit?

    Steinbeis: Ach, irgendwo natürlich, wobei ich dazu sagen muss, dieses Projekt wurde natürlich vor Ingo Metzmachers Zeiten initiiert und auch durchgeführt. Aber Kent Nagano, dem wir natürlich auch sehr, sehr dankbar sind und mit dem wir uns gemeinsam außerordentlich freuen, war derjenige, der das DSO während seinen Jahren als Chefdirigent in eine ganz wichtige programmatische Richtung entwickelt hat. Die hat Ingo Metzmacher dann natürlich auf seine Art weiter fortgeführt. Aber ich muss sagen, in Beziehung zum Grammy gilt wirklich unser Dank und auch die Ehre Kent Nagano.

    Köhler: Ein letztes. Wir sprechen in Zeiten, wo kommunale Kulturausgaben gekürzt werden, Leistungen beschnitten werden, Sparvorschläge allerorten stattfinden. Das Deutsche Symphonieorchester und der Chor sind davon nicht ganz unberührt. Ist das quasi noch mal ein bisschen Rückenwind für Sie?

    Steinbeis: Das ist durchaus Rückenwind. Ja, die Zeiten sind nicht einfach und es sind ja viele Diskussionen im Gange, auf dem Weg. Wir wollen natürlich uns auch gerne selbst in diese Diskussion einbringen, weil wir uns unserer Verantwortung, auch unserer fiskalen Verantwortung bewusst sind. Aber es ist natürlich schön, wenn eine Auszeichnung wie der Grammy, die auch einfach einem sehr breiten Publikum bekannt ist, auch einem Publikum, das nicht unbedingt in erster Linie Publikum des Deutschen Symphonieorchesters ist, wenn man dieses nach außen tragen kann, wenn man damit kommunizieren kann. Es stellt eine gewisse Referenz dar, zu der ja sehr viele Zugang haben, und die gibt uns dann auch in Zeiten der Herausforderung den erwünschten Rückenwind. Das hoffen wir zumindest.

    Köhler: Sagt Alexander Steinbeis, Direktor des Deutschen Symphonieorchesters, zur Grammy-Verleihung gestern in Los Angeles für die Oper "L'Amour de loin".