Kaum eine Nachrichtensendung im jordanischen Fernsehen ohne Palästina. In den Berichten geht es um Israels Bulldozer und Soldaten; es geht um die Opfer unter den Zivilisten. Es geht um die Autonomiebehörde. Palästina ist allgegenwärtig. Im Fernsehen, auch im Radio und in den Zeitungen. Weil die Jordanier wie fast alle Araber politisiert sind und nicht verstehen können, warum Amerika seine Rolle als "ehrlicher Makler" im Friedensprozeß nicht wahrnimmt. Weil die Bilder verletzter und weinender Kinder immer wieder Mitleid, Empörung und Wut erregen. Und weil mehr als 60 Prozent der jordanischen Bevölkerung palästinensischen Ursprungs sind - mit engen Bezügen zur Heimat. Fast ein jeder hat dort noch Familie und Freunde.
Die Jordanier sehen dem Ausgang der Wahlen in Israel pessimistisch entgegen. Sie rechnen mit einem Wahlsieg der Kadima-Partei unter dem derzeit amtierenden Premierminister Ehud Olmert. Olmert hat bereits in diesen Tagen verkündet, was er an der Spitze einer neuen Regierung umsetzen möchte: Er will die Grenzen Israels endgültig festlegen, zu Gunsten seines Landes, einseitig - ohne mit der anderen Seite zu verhandeln.
Die Palästinenser werden die großen Verlierer sein, sagt Oraib Rantawi, Leiter des al-Quds-Centers for Political Studies" in Jordaniens Hauptstadt Amman. Das sei abzusehen. Doch auch die arabischen Nachbarstaaten, so der Journalist und Politologe seien unmittelbar betroffen. Oraib Rantawi warnt vor den negativen Folgen einer solchen Außenpolitik Israels - auch und vor allem für das Königreich Jordanien...
"Israels Unilateralismus wird Jordanien existenziell bedrohen, demo-graphisch, mit Blick auf seine Sicherheit und Stabilität, und mit Blick auf die Wirtschaft ..."
Das Bedrohungsszenario, sagt der Journalist und Politologe Rantawi sei realistisch ...
"... wenn es zu keinem überlebensfähigen, unabhängigen Staat Palästina kommen wird – mit der Westbank, mit Gaza und mit Ostjerusalem – dann wird die Lösung des Problems vorrangig zu Lasten Jordaniens gehen. Zum einen weil die Flüchtlinge, die sich bereits hier bei uns im Land aufhalten, bleiben werden. Zum anderen weil es neue Flüchtlingswellen geben wird. Denn was sollen die dreieinhalb Millionen Palästinenser in den besetzten Gebieten dann anderes tun als ihre Heimat zu verlassen? Jordanien ist das Land, das am leichtesten zu erreichen ist. Sie müssen nur die Brücke überqueren und dann sind sie bei uns ..."
Weitere Flüchtlinge in großer Zahl aber werde sein Land nicht aufnehmen können, meint Oraib Rantawi und verweist dabei auf die fast eine Million irakischer Flüchtlinge, die erst kürzlich - mit Beginn des 3. Golfkrieges -Zuflucht im Haschemitischen Königreich gesucht haben. Jordanien ist ein Entwicklungsland, sagt er, mit geringen Ressourcen und einer unzureichenden wirtschaftlichen Produktivität. Einer weiteren Belastung wird Jordanien nicht standhalten.
Al-Baqa’a am späten Nachmittag. Das palästinensische Flüchtlingslager liegt etwa eine halbe Autostunde von Amman entfernt. 300.000 Menschen leben hier, in ärmlichen Verhältnissen. Es sind die Bewohner von al-Baqa’a, die unter den vielen gescheiterten Verhandlungen um einen Frieden im Nahen Osten zu leiden haben: Sie sind fern der Heimat, sie fühlen sich recht- und mittellos. Entsprechend eng ist die Bindung an Palästina, entsprechend groß sind die Antipathien gegen Israel. Und gegen die arabischen Regierungen, die nach Meinung der Flüchtlinge nicht genug tun, um ihnen zu helfen.
Eine Frau mittleren Alters, das Kopfhaar verschleiert, ein offenes freundliches Gesicht ...
"Wenn ich die Bilder aus Palästina im Fernsehen sehe, von einem Kind, das in den Trümmern seines alten Zuhauses spielt, dann macht mich das traurig, sehr traurig. Ich fühle mit ihm, weil es ein Kind meines Volkes ist, des Landes, von dem wir vertrieben wurden. Das Kind ist seiner Rechte beraubt worden, seiner Rechte, die es als Mensch hat. "
Palästina ist und bleibt unsere Heimat, fügt sie dann noch hinzu, das Land, zu dem wir gehören. Und was immer Israel auch tun wird, wir werden eines Tages heimkehren. Das ist die einzige Hoffnung, die mir bleibt.
Zwei junge Männer, die beim Vorbeieilen die Worte der Passantin aufgeschnappt haben, bleiben stehen, bringen sich ebenfalls in das Gespräch ein ...
"Zwischen Israel und uns gibt es nur einen Weg, das Problem zu lösen, sagt einer der beiden. Wir werden kämpfen, und dann wird viel Blut fließen. Laß Israel tun, was es will, laß es noch mehr Mauern bauen. Eines ist gewiß: Es ist unser Land. Und wir werden dorthin zurückkehren.
Palästina wird niemals Wirklichkeit werden, solange wir selbst uns nicht darum kümmern, wirft sein Begleiter ein. Und dann fast aufgebracht: Schauen Sie sich doch an, was die arabischen Führer tun! Sie tun nichts für unsere Sache. Keiner wird das Problem lösen. Das können nur wir selber tun."
Jordaniens Regierung hat einen schweren Stand ... Sie steht unter dem Druck der eigenen Öffentlichkeit: Die Jordanier sind enttäuscht, wie wenig der Separatfrieden, den Jordanien 1994 mit Israel schloß, dem Land letztlich gebracht hat. Sowohl für die Entwicklung Jordaniens, als auch für die Befriedung des gesamten Nahen Ostens. Die Stimmung ist schlecht, in den Lagern schwinden Hoffnung und Zuversicht. Jordaniens Islamisten, die die stärkste Oppositionskraft im Land sind, fordern die Regierung auf, Palästina und das Schicksal seiner Menschen -vehementer noch - einzuklagen.
Doch Jordaniens Regierung muss weiteren Druck aushalten: Sie muss es auch dem Westen rechtmachen, ist abhängig von den Geldern und den Hilfen aus den USA und Europa. Jordaniens Regierung kann es sich nicht leisten, in Ungnade zu fallen.
Israel – der schwierige Nachbar jenseits des Jordan, von dem so vieles trennt und mit dem so wenig verbindet – stellt dennoch ein Sicherheitsrisiko dar, sagt der Journalist und Politologe Oraib Rantawi. Die Kadima-Partei werde nach einem Wahlsieg, so Rantawi, den bereits eingeschlagenen Kurs fortsetzen und damit nicht nur die Palästinenser und Jordanier, sondern den gesamten Nahen Osten in größte Gefahr bringen ...
"Es wird zu einer dritten Intifada kommen. Wenn nicht heute, dann in ein, zwei Jahren. Denn die Politik, die Israel aufzwingen will, wird in keinster Weise den Wünschen und Bedürfnissen der Palästinenser gerecht. Eine dritte Intifada aber wird gewaltsamer sein als die vorangegangenen. Sie dürfte die besetzten Gebiete ins Chaos stürzen und die gesamte Region abdriften lassen, in ein Nirgendwo."
Die Jordanier sehen dem Ausgang der Wahlen in Israel pessimistisch entgegen. Sie rechnen mit einem Wahlsieg der Kadima-Partei unter dem derzeit amtierenden Premierminister Ehud Olmert. Olmert hat bereits in diesen Tagen verkündet, was er an der Spitze einer neuen Regierung umsetzen möchte: Er will die Grenzen Israels endgültig festlegen, zu Gunsten seines Landes, einseitig - ohne mit der anderen Seite zu verhandeln.
Die Palästinenser werden die großen Verlierer sein, sagt Oraib Rantawi, Leiter des al-Quds-Centers for Political Studies" in Jordaniens Hauptstadt Amman. Das sei abzusehen. Doch auch die arabischen Nachbarstaaten, so der Journalist und Politologe seien unmittelbar betroffen. Oraib Rantawi warnt vor den negativen Folgen einer solchen Außenpolitik Israels - auch und vor allem für das Königreich Jordanien...
"Israels Unilateralismus wird Jordanien existenziell bedrohen, demo-graphisch, mit Blick auf seine Sicherheit und Stabilität, und mit Blick auf die Wirtschaft ..."
Das Bedrohungsszenario, sagt der Journalist und Politologe Rantawi sei realistisch ...
"... wenn es zu keinem überlebensfähigen, unabhängigen Staat Palästina kommen wird – mit der Westbank, mit Gaza und mit Ostjerusalem – dann wird die Lösung des Problems vorrangig zu Lasten Jordaniens gehen. Zum einen weil die Flüchtlinge, die sich bereits hier bei uns im Land aufhalten, bleiben werden. Zum anderen weil es neue Flüchtlingswellen geben wird. Denn was sollen die dreieinhalb Millionen Palästinenser in den besetzten Gebieten dann anderes tun als ihre Heimat zu verlassen? Jordanien ist das Land, das am leichtesten zu erreichen ist. Sie müssen nur die Brücke überqueren und dann sind sie bei uns ..."
Weitere Flüchtlinge in großer Zahl aber werde sein Land nicht aufnehmen können, meint Oraib Rantawi und verweist dabei auf die fast eine Million irakischer Flüchtlinge, die erst kürzlich - mit Beginn des 3. Golfkrieges -Zuflucht im Haschemitischen Königreich gesucht haben. Jordanien ist ein Entwicklungsland, sagt er, mit geringen Ressourcen und einer unzureichenden wirtschaftlichen Produktivität. Einer weiteren Belastung wird Jordanien nicht standhalten.
Al-Baqa’a am späten Nachmittag. Das palästinensische Flüchtlingslager liegt etwa eine halbe Autostunde von Amman entfernt. 300.000 Menschen leben hier, in ärmlichen Verhältnissen. Es sind die Bewohner von al-Baqa’a, die unter den vielen gescheiterten Verhandlungen um einen Frieden im Nahen Osten zu leiden haben: Sie sind fern der Heimat, sie fühlen sich recht- und mittellos. Entsprechend eng ist die Bindung an Palästina, entsprechend groß sind die Antipathien gegen Israel. Und gegen die arabischen Regierungen, die nach Meinung der Flüchtlinge nicht genug tun, um ihnen zu helfen.
Eine Frau mittleren Alters, das Kopfhaar verschleiert, ein offenes freundliches Gesicht ...
"Wenn ich die Bilder aus Palästina im Fernsehen sehe, von einem Kind, das in den Trümmern seines alten Zuhauses spielt, dann macht mich das traurig, sehr traurig. Ich fühle mit ihm, weil es ein Kind meines Volkes ist, des Landes, von dem wir vertrieben wurden. Das Kind ist seiner Rechte beraubt worden, seiner Rechte, die es als Mensch hat. "
Palästina ist und bleibt unsere Heimat, fügt sie dann noch hinzu, das Land, zu dem wir gehören. Und was immer Israel auch tun wird, wir werden eines Tages heimkehren. Das ist die einzige Hoffnung, die mir bleibt.
Zwei junge Männer, die beim Vorbeieilen die Worte der Passantin aufgeschnappt haben, bleiben stehen, bringen sich ebenfalls in das Gespräch ein ...
"Zwischen Israel und uns gibt es nur einen Weg, das Problem zu lösen, sagt einer der beiden. Wir werden kämpfen, und dann wird viel Blut fließen. Laß Israel tun, was es will, laß es noch mehr Mauern bauen. Eines ist gewiß: Es ist unser Land. Und wir werden dorthin zurückkehren.
Palästina wird niemals Wirklichkeit werden, solange wir selbst uns nicht darum kümmern, wirft sein Begleiter ein. Und dann fast aufgebracht: Schauen Sie sich doch an, was die arabischen Führer tun! Sie tun nichts für unsere Sache. Keiner wird das Problem lösen. Das können nur wir selber tun."
Jordaniens Regierung hat einen schweren Stand ... Sie steht unter dem Druck der eigenen Öffentlichkeit: Die Jordanier sind enttäuscht, wie wenig der Separatfrieden, den Jordanien 1994 mit Israel schloß, dem Land letztlich gebracht hat. Sowohl für die Entwicklung Jordaniens, als auch für die Befriedung des gesamten Nahen Ostens. Die Stimmung ist schlecht, in den Lagern schwinden Hoffnung und Zuversicht. Jordaniens Islamisten, die die stärkste Oppositionskraft im Land sind, fordern die Regierung auf, Palästina und das Schicksal seiner Menschen -vehementer noch - einzuklagen.
Doch Jordaniens Regierung muss weiteren Druck aushalten: Sie muss es auch dem Westen rechtmachen, ist abhängig von den Geldern und den Hilfen aus den USA und Europa. Jordaniens Regierung kann es sich nicht leisten, in Ungnade zu fallen.
Israel – der schwierige Nachbar jenseits des Jordan, von dem so vieles trennt und mit dem so wenig verbindet – stellt dennoch ein Sicherheitsrisiko dar, sagt der Journalist und Politologe Oraib Rantawi. Die Kadima-Partei werde nach einem Wahlsieg, so Rantawi, den bereits eingeschlagenen Kurs fortsetzen und damit nicht nur die Palästinenser und Jordanier, sondern den gesamten Nahen Osten in größte Gefahr bringen ...
"Es wird zu einer dritten Intifada kommen. Wenn nicht heute, dann in ein, zwei Jahren. Denn die Politik, die Israel aufzwingen will, wird in keinster Weise den Wünschen und Bedürfnissen der Palästinenser gerecht. Eine dritte Intifada aber wird gewaltsamer sein als die vorangegangenen. Sie dürfte die besetzten Gebiete ins Chaos stürzen und die gesamte Region abdriften lassen, in ein Nirgendwo."