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Zwischen Geldverdienen und Gräben zuschütten

Die Grenze, die sich quer von Ost nach West durch die Insel zieht, ist am 23. April diesen Jahres durchlässig geworden. Zum ersten Mal seit der Teilung 1974 ist es den griechischen Zyprern erlaubt in den Norden zu reisen. Umgekehrt natürlich auch. Bis Mitternacht muss man dann die Grenze wieder in Richtung Heimat passiert haben. Trotz des nun möglichen Grenzverkehrs: Die beiden Seiten sind sich nach wie vor spinne Feind. Zumindest auf politischer Ebene. Was tun die Hochschulen, um Brücken zu schlagen zwischen Nord und Süd?

Oliver Ramme |
    Das zyprische Hochschulwesen und die Teilung der Insel.


    Zyprischer Techno, auf griechisch gesungen! Was als normaler Pop-Song daherkommt, ist genauer genommen eine Werbebotschaft. Gepriesen werden die Vorzüge des Intercollege. Das Intercollege ist die größte private Hochschule in der Zyprischen Hauptstadt Nikosia. Die meisten der gut 3000 Studierenden stammen aus dem Ausland.

    Intercollege im Deutschen zu erklären ist nicht ganz einfach. Es ist ein Mix aus BA, Fachhochschule und aus einer Universität. Wir haben sowohl Kurse für Sekretärinnen oder Kindergärtnerinnen. Wir haben auch berufsausbildende Kurse. Und wir haben Universitätskurse, zum Beispiel einen Magisterabschluss in Internationale Beziehungen.

    Internationale Beziehungen sind das Lehrgebiet von Dr. Hubert Faustmann. Ende der 90er Jahre hat ihn seine Dissertation über "Britische Kolonialgeschichte auf Zypern" auf die Insel verschlagen. Seit dem lehrt er Politik am Intercollege. Unterrichtet wird in englischer Sprache. Der Grund ist einfach. Man will nicht nur griechisch sprechende Zyprer gewinnen, sondern viele junge Menschen aus der ganzen Welt. Das Intercollege ist, wie ein gutes Dutzend anderer, weiterführender Schulen auf Zypern, den Prinzipien der freien Marktwirtschaft verpflichtet. Sprich, die Hochschule muss Geld verdienen. Vorzugsweise Studierende aus Pakistan, China oder dem Nahen Osten finden sich in den Hörsälen. In letzter Zeit aber auch zunehmend einheimische.

    Intercollege versucht seit mehreren Jahren die Anerkennung als Universität zu erlangen. Unsere Chancen sind seit dem EU-Beitritt Zyperns eher größer geworden. Der Hauptgrund es nicht zu gewähren: Es gibt hier eine staatlich geförderte Universität deren Unterrichtssprache griechisch ist und die nicht interessiert war, sich hier Wettbewerber an den Hals zu holen. Mittlerweile ist es so, dass man durch den Beitritt Zyperns jede Universität Filialstellen aufmachen kann. Und dann scheint es attraktiver zu sein, dass die Zyprioten das Geld selber verdienen.

    Und das Geschäft scheint sich zu lohnen. Überall ums Intercollege wird gebaut. Wer es auf eine der privaten Hochschulen der Insel zieht, muss für seine Ausbildung tief in die Tasche greifen. Ein Masterprogramm beispielsweise kostet 9300 Euro. Der Vorteil allerdings, wer hätte das gedacht, die Zugangsvoraussetzungen sind niedrig. Mangelnde Englischkenntnisse können in einem erschwinglichen Sprachkurs ausgebügelt werden.

    An der University of Cyprus ist das anders, hier wird auf den Numerus Clausus geachtet. Die Hochschule, etwas südlich der Altstadt von Nikosia gelegen, ist die bislang einzig, staatlich anerkannte und geförderte Universität der Republik Zypern. Studiengebühren werden für Einheimische nicht erhoben. Die Unterrichtssprache ist griechisch.
    10.000 junge Menschen, zumeist Zyprer, studieren an vier Fakultäten. Ingenieurwesen, Medizin und Jura befinden sich erst im Aufbau. Überhaut ist die Universität Zypern eine Spätentwicklung, so die Vize-Rektorin Elpida Keravnou-Papaeliou.

    Zypern wurde 1960 in die Unabhängigkeit entlassen. Seit dem war eine eigene Universität immer im Gespräch. Aber wegen der politischen Wirren aber auch der Nähe zu Griechenland kam es zu Verschiebungen. Viel sind früher nach Griechenland zum Studium gegangen. Und Politiker damals fürchteten, wenn wir eine eigene Universität aufbauen, dann wird der Kontakt zu Griechenland abreisen. Also hat man im Parlament viel Zeit benötigt, sich endlich zu entscheiden.

    Erst 1992 hat die Universität Zypern ihren Lehrbetrieb aufgenommen. Seit dem erhält die Hochschule viel Lob, bei internationalen Evaluationen schneidet die Universität gut ab. Außerdem unterhält die University of Cyprus Kontakte zu zahlreichen Universitäten im Ausland. Aber nicht nach Nordzypern.

    Hubert Faustmann trifft sich mit einem Kollegen mitten in der Altstadt von Nikosia in einem Café. Im griechischen Teil. Der Kollege heißt Huseyin Atesin und ist Professor für Architektur an der Eastern Mediterranean University in Famagusta. Die EMU ist die größte Universität der so genannten Türkischen Republik Nordzypern, also dem von Türken besetzte Teil der Insel. 13.500 Studierende aus 67 Ländern sind dort eingeschrieben. Die Eastern Meditarranien University ist gleichzeitig die älteste Hochschule der Insel, gegründet 1986. Was sich für Studierende paradiesisch ließt - neben den vielen Annehmlichkeiten, die die Insel zu bieten hat: Auf 13 Studierende kommt eine Lehrkraft.

    Doch neben der Ausbildung junger Menschen hat die EMU, genauso wie vier weitere Universitäten im Norden, die Aufgabe einen bankrotten und von der Weltgemeinschaft nicht anerkannten Staat, finanziell am Leben zu halten. Professor Huseyin Atesin umschreibt es so.

    Universitäten sind private Einrichtungen und können unabhängig vom Staat marktwirtschaftlich arbeiten und Geld auf die Insel bringen. Kurz gesagt: Je mehr Geld die Universitäten einnehmen, desto weniger muss sich der Staat nach anderen Geldquellen umsehen.

    Fast 20 Prozent des Staatshaushalts erwirtschaften die Universitäten in Nordzypern. 25.000 Studierende, zumeist vom türkischen Festland und aus Asien, tragen mit der Zahlung üppiger Studiengebühren zur Finanzierung des Staates bei. Für ein Semester im Grundstudium werden um die 2000 US $ verlangt. Trotzdem, Lehrer wie Huyesin Atesin beklagen sich nicht über ihre Arbeitsbedingungen, Forschungsmaterialien seien ausreichend vorhanden und Kontakte ins Ausland gebe es auch. Spärliche Beziehungen jedoch in den Südteil der gemeinsamen Insel.

    Das Treffen von Faustmann und Atesin dient der Annäherung von Nord und Süd. Auf wissenschaftlicher Ebene wollen beide - in Eigeninitiative - den Austausch von Hochschullehrern fördern. Das heißt: Gemeinsame Treffen vereinbaren oder gar grenzüberschreitende Forschungsprojekte ins Leben rufen. Das Aufeinanderzugehen ist seit diesem Frühjahr einfacher geworden. Einen praktischen Grund gibt es dafür. Am 23. April wurde die bisher undurchlässige Mauer zwischen Nord und Süd für den Grenzverkehr geöffnet.
    Für den akademischen Austausch setzt sich seit Jahren auch Professor Niyazi Kizilyürek ein. Kizilyürek lehrt an der University of Cyprus Türkische Studien. Er gehört zu den wenigen Zyprern türkischer Abstammung, die im Süden der Insel leben. Entsprechend verfügt er über gute Kontakte in den Norden und hat immer wieder Begegnungen organisiert. Im nächsten Jahr werden an der University of Cyprus die ersten Studierenden aus dem Norden erwartet. Die Annäherung, für Kizilyürek ein langer Weg.

    Da gibt es ein Problem. Gerade mit der griechischen Seite mit der Anerkennung von Nordzypern. Nordzypern als Staat ist nicht anerkannt. Die Uni Zypern ist zurückhaltend, wenn man Zusammenarbeit fördern will. Das könnte ausgelegt werden als Anerkennung. Die Meinung teile ich nicht. Anerkennung ist eine Sache von Staaten und nicht zwischen Universitäten. Ich begrenze mich nicht nach Nordzypern zu gehen und Konferenzen zu geben. Langsam werden wir bessere Kontakte knüpfen, dann wenn auch die Studenten aus Nordzypern hier sind.
    Besonders die ideologischen Gräben sind tief auf Zypern. Von beiden Hochschulseite lässt man Leute wie Kizilyürek, Faustmann oder Atesin gewähren. Nagelprobe für die Zukunft der geteilten Insel ist die Parlamentswahl am 14. Dezember im besetzten Norden. Die Opposition hat sich bereits zusammengeschlossen und sich einstimmig für die Wiedervereinigung ausgesprochen. Vielleicht gibt es eine gemeinsame Zukunft. Was beide Volksgruppen bereits jetzt eint: Die Sehnsucht nach Bildung. Die meisten Menschen auf Zypern haben ein Diplom in der Tasche. Das Bildungsniveau sucht seines gleichen in Europa. Der Grund dafür, so Vizerektorin der Universität Zypern, Elpida Keravnou-Papaeliou, liegt in der leidvollen Geschichte des Landes, die von Vertreibung hüben und drüben geprägt ist.

    Die Menschen können sagen: wir haben unseren Besitz verloren, unser Geld. Aber die Bildung und das Know-how können nicht verloren gehen. Damit kann man wieder etwas aufbauen, wenn man etwas verloren hat.

    Links zum Thema

    University Of Cyprus
    Die Hochschule Intercollege in Zypern
    www.emu.edu.tr