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Zwischen Hass und Begeisterung

An der Mathematik scheiden sich die Geister. Die einen finden das Fach einfach nur grässlich, haben es in der Schule gehasst, die anderen, die es mögen, berichten von Glückgefühlen, wenn es in ihrem Kopf klick macht und sie die Lösung eines Problems gefunden haben.

Von Andrea Westhoff | 03.01.2008
    Mathematik ist etwas, das einige Menschen richtig begeistert, Mathematiker wie Ehrhard Behrends zum Beispiel:

    "Ja, das fing in der Schule an, dass mich mathematische Fragestellungen besonders interessiert haben, es ist einerseits intellektuell anspruchsvoll, man kann zu Wahrheiten vorstoßen, die in gewisser Weise einen objektiveren Stellenwert haben als die Wahrheiten anderer Wissenschaften. Es ist eine Wissenschaft, die einem ermöglicht, Sachverhalte in der Philosophie, in den Naturwissenschaften besser zu verstehen, als man es ohne Mathematik verstehen kann, und es ist ein Gebiet, das so umfangreich ist, dass es niemals langweilig wird, sich mit neuen spannenden Fragen auseinanderzusetzen."

    Auch die Mathematikerin Christine Scharlach:

    "Was mich immer begeistert hat, ist dieses Gefühl, ein Problem zu lösen. Ja, wenn man also irgendwas scheinbar sehr Schwieriges, sehr Abstraktes verstanden hat, dieses Gefühl, kann ich es greifen, das ist einfach schön. Also es gibt mir eine Sicherheit, dass ich letztendlich weiß, dass ich mit den meisten Fragen, die auf mich zukommen, entweder gleich beantworten kann oder mich hinsetzen kann und die in bestimmter Zeit rausfinden kann. Und es macht mir Spaß, jemandem helfen zu können, indem ich ihm helfe, sein Problem zu strukturieren, zu sehen, was ist überhaupt mein Problem und dann ein Stück weiter auch lösen zu können. Das geht vielleicht sogar in Richtung Therapeut ja."

    Mathematik ist etwas, das manche Menschen zumindest billigend in Kauf nehmen:

    "Sie kommt jedenfalls bei allen naturwissenschaftlich orientierten Studiengängen immer als erster Stolperstein vor, ohne das Werkzeug der Mathematik kommt man bei den meisten Wissenschaften einfach schon nicht aus, heutzutage."

    "Sie hat eine sehr große Rolle gespielt, und zwar eine viel größere, als ich dachte vorher, Mathematik ist ja die Sprache der Physik."

    "In der Medizin spielen ja zumindest am Rande Physik, Biologie, Chemie eine wesentliche Rolle, und für diese Fächer braucht man auch mathematische Kenntnisse, sicher nicht auf einem universitären Niveau."

    "Für mich als Musikerin zielt Mathematik erstmal auf das Denken, auf den Geist, während Musik primär erstmal mit den Emotionen sich beschäftigt - wobei, da gibt es ja dann auch wieder so einen Zusammenhang, man muss zählen, wenn man Musikstücke spielt, ja, die Verhältnisse der Töne zueinander, die sich auch in Verhältnissen ausdrücken, in mathematischen Verhältnissen, also Bach fällt mir ein."

    Für die meisten Menschen aber ist Mathematik etwas, von dem sie sich schaudernd abwenden oder wie es der deutsche Mathematiker Paul Epstein ausdrückte:

    "Die Mehrheit bringt der Mathematik Gefühle entgegen, wie sie nach Aristoteles durch die Tragödie geweckt werden sollen, nämlich Mitleid und Furcht. Mitleid mit denen, die sich mit der Mathematik plagen müssen, und Furcht: dass man selbst einmal in diese gefährliche Lage geraten könne."

    "Ja, es gibt eben genau die zwei Seiten, entweder man kann es sehr gut oder man kann es sehr schlecht."


    Mathematik - schon das Wort führt oft zu heftigen Reaktionen bei vielen Menschen. Böse Schulerinnerungen werden wach. Manch einer hat hier große Niederlagen in seinem sonst doch recht erfolgreichen Berufsleben hinnehmen müssen. Und einige scheinen mathematische Ahnungslosigkeit sogar als Voraussetzung dafür zu begreifen, ein echter Schöngeist oder Menschenfreund zu sein

    Hans Magnus Enzensberger sieht in einem Essay anlässlich des Weltkongresses der Mathematiker in Berlin 1998 " Die Mathematik im Jenseits der Kultur" - und findet "geradezu lebensgefährlich",

    "denn noch nie hat es eine Zivilisation gegeben, die bis in den Alltag hinein derart von mathematischen Methoden durchdrungen und derart von ihnen abhängig war wie die unsrige"."

    Mathematik im eigentlichen altgriechischen Wortsinn bedeutet "die Kunst des Lernens", oder wie es der Mathematiker Ehrhard Behrends ausdrückt:

    ""Mathematiker beschäftigen sich damit, Strukturen zu schaffen, die notwendig sind, um Modelle für das Weltverständnis herstellen zu können. Ob das nun Zahlen sind oder Vektoren oder Wahrscheinlichkeitsräume, damit kann man sehr gut Phänomene beschreiben, die für das menschliche Leben wichtig sind."

    Gedanken strukturieren, die Welt erklären, lebenswichtige Phänomene beschreiben - und was ist mit Rechnen?

    "Grundlage von Mathematik ist natürlich Rechnen","

    sagt Christine Scharlach, Mathematikprofessorin an der TU Berlin, und ihr Kollege von Freien Universität, Ehrhard Behrends, ergänzt:

    ""Das hat heute ebenfalls noch einen großen Stellenwert, Rechnungen zu haben für das konkrete Finden von Lösungen, aber das machen natürlich die Computer. Und deswegen: Rechnen hat für das, was Mathematiker unter Mathematik verstehen, keinen großen zeitlichen Stellenwert. Und es ist auch das Allergeringste, was sie interessiert."

    Scharlach: "Wobei aber jeder sicherlich zum ersten mathematischen Verständnis immer rechnen lernen muss."

    Für Mathematiker ist Mathematik "die Kunst, das Rechnen zu vermeiden", hat einmal jemand gesagt, das oft lästige, ungeliebte Beiwerk, wenn es um das Eigentliche geht. Denn: Das Wesen der Mathematik ist Theoriebildung zur Lösung von grundsätzlichen Fragestellungen. Aber: Zu welcher Wissenschaft gehören diese Fragestellungen? Sind Mathematiker nun Natur- oder Geisteswissenschaftler?

    "Die Mathematik ist das Alphabet, mit dem Gott die Welt geschrieben hat","

    glaubte Galileo Galilei. Demnach wäre Mathematik also eine Naturwissenschaft

    Ehrhard Behrends und Christine Scharlach:

    ""Die Geschichte insbesondere seit Beginn der Neuzeit, ist voll von Situationen, wo es mit mathematischen Methoden gelungen ist, zum Verständnis der Welt wirklich fundamentale Beiträge zu liefern. Newtonsche Grundgesetze der Mechanik, wo halt versucht wird, mittels weniger elementarer Begriffe und weniger grundsätzlicher Annahmen, das Riesengebäude aller möglichen Bewegungen dieser Welt auf einen Nenner zu bringen."

    "Also die theoretische Physik zum Beispiel oder auch die theoretische Informatik, da sind die Grenzen ja oft auch schwer zu ziehen, was ist da jetzt Mathematik und was ist da eben Informatik oder Physik? Ich denke, dass das im historischen Kontext sich natürlich sehr verändert hat: Gerade wo die angewandte Mathematik sich immer stärker durchgesetzt hat ist die Nähe zur Naturwissenschaft natürlich viel größer geworden. Ansonsten denke ich aber, dass die Nähe zu den Naturwissenschaften absolut nicht eine Gleichsetzung macht."

    Keine Frage: Mit dem Aufstieg der experimentellen Naturwissenschaften wuchs auch die Bedeutung der Mathematik als Wissenschaft. Berechnungen, die Formalisierung von Beobachtungen und Gedanken, das exakte Herleiten einer Theorie durch den Beweis - diese mathematischen Methoden bilden einen großen Teil naturwissenschaftlicher Forschungen.

    Umgekehrt allerdings gehören naturwissenschaftliche Methoden nicht zum Handwerkszeug der Mathematiker: Sie beobachten keine Naturphänomene, und sie experimentieren nicht. Ihr Forschungsobjekt ist nicht die Welt, wie sie wirklich ist. Das hat der Mathematiker, Computerspezialist und Computerkritiker Joseph Weizenbaum vor ein paar Jahren mit folgender Geschichte auf einem Kongress sehr anschaulich beschrieben:

    "Da ist ein Mann mit einem kleinen Kind bei der Hand, und da sieht man da drüben so einen Hügel, ein Schlammhügel, und da droben sitzt ein Elefant. Und dann sagt das Kind: 'Vati, wie lange würde es dauern, wenn der Elefant da runterrutscht?' Der Vater denkt vielleicht eine halbe Minute nach, und dann sagt er: 'So ungefähr 90 Sekunden, es könnten auch 92 oder 88 sein.' Was hat der Vater gemacht, besonders, wenn er Mathematiker ist und am MIT studiert hat? Er hat ein mathematisches Modell hergestellt in seinem Kopf."

    Dieses Modell enthält alles, was wichtig ist, um dem Jungen genau auf seine Frage zu antworten: den Elefanten als Massepunkt, den Hügel als schiefe Ebene, den Rutschwinkel und noch ein paar physikalische Daten und Rechenformeln.

    "Aber was ist nicht in diesem Modell? Zum Beispiel, dass die Sonne scheint, oder wie der Elefant riecht, oder dass der Elefant ein lebendiges Wesen ist, oder wie alt der Sohn ist. Wenn ich jetzt versuche, eine ausführliche Liste zu machen von all den Dingen, die nicht im Modell enthalten sind, würde ich nie zu Ende kommen. Die ganze Welt, alles, was man über diese Welt sagen kann und möchte, ist nicht drin."

    Manche bestreiten sogar, dass Mathematik überhaupt etwas Nützliches sein will. Der theoretische Physiker Richard Feynman hat einmal gesagt:

    "Mathematik ist wie Sex, Sicher gibt es ein paar nützliche Resultate, aber das ist nicht der Grund, warum wir es tun."

    Es gibt einen alten Streit, ob eine mathematische Theorie erfunden oder gefunden wird. Wo existieren zum Beispiel die Zahlen? Beschäftigt sich die Mathematik mit Phänomenen, die im Prinzip da sind, nur entdeckt werden müssen? Oder werden die Objekte der Mathematik durch das reine Denken, durch die Tätigkeit eines Gehirns, erst geschaffen? Ehrhard Behrends:

    "Das eine ist erstmal so richtig wie das andere, weil man beide Behauptungen nicht beweisen kann. Es war zu Beginn dieses Jahrhunderts sehr viel darüber nachgedacht worden, aber die Karawane zog weiter, ich selbst habe eher das Gefühl, was zu entdecken als zu konstruieren."

    "Mathematik ist die radikalste aller Geisteswissenschaften","

    schrieb Gero von Randow in einem Essay in der "Zeit".

    Scharlach: ""Ich glaube, für die meisten Mathematiker existiert tatsächlich die Mathematik nur im Geist, sind abstrakte formalistische Objekte, mit denen wir dann halt weiter handhaben. Das ist auch der Grund, warum ich denke, dass jeder Mathematik lernen sollte, weil es halt eine bestimmte Geisteshaltung ist."

    Also wirklich eher eine Geisteswissenschaft? Zumindest die prinzipiellen Arbeitsweisen ähneln sich, sagt Christine Scharlach:

    "Also mir reicht im Prinzip zum Arbeiten eben auch ein Stück Paper und ein Stift und Ruhe - die man leider nicht so oft hat, eventuell noch der Computer, aber ansonsten, ähnlich wie ein Geisteswissenschaftler, brauche ich halt keine Werkzeuge, sondern bin eben allein mit meinem Geist in der Lage, Mathematik zu betreiben."

    Andererseits...

    "Es gibt ja große Diskussionen, wie man Geisteswissenschaften beschreibt, also wir beschäftigen uns als Mathematiker in der Regel eben nicht mit irgendwelchen kulturellen Phänomenen, ja. Oder diese Arbeitsmethoden im Sinne von Eindeutigkeit da ist dann auch wieder ein Riesenunterschied. Also als Geisteswissenschaft würde ich es nicht bezeichnen."

    Vielleicht ist Mathematik ja auch eher eine Philosophie? Ehrhard Behrends:

    "Richtig ist, dass in allen großen Philosophien die Mathematik ebenfalls eine wichtige Rolle gespielt hat. Ob sie nun Platon nehmen, Aristoteles, Descartes, Kant - alle wiesen der Mathematik eine überragende Rolle zu."

    In Platons Philosophenschule wurde nur aufgenommen, wer Mathematik beherrschte. Für Immanuel Kant galten Geometrie und Arithmetik als "Beispiele für absolut gewisse Erkenntnisse". Mit Logik müssen sich sowohl Philosophen als auch Mathematiker beschäftigen. Beide arbeiten mit Begriffen wie "unendlich", "rational", "irrational" oder "imaginär". Und die mathematische Null ist ebenso schwierig zu erfassen und umstritten wie das philosophische nichts.

    Der Philosoph und Mathematiker Leibniz wollte sogar die beiden Wissenschaften mit einem Geniestreich verbinden, erzählt die Philosophieprofessorin Sybille Krämer von der FU Berlin:

    "Leibniz hat zum ersten Mal die Idee eines Universalkalküls des Denkens gehabt, diese Idee, dass alle problematischen Fragen mit einer Methode gelöst werden können, die dem Rechnen analog ist. Keiner vor ihm hat mit solcher Klarheit gesagt, Denken sei Rechnen. Also der Beginn des neuzeitlichen Denkens im 17. Jahrhundert war der Versuch, ein Erkennen zu entwickeln, das der göttlichen Offenbarung oder überhaupt der Bezugnahme auf Gott nicht mehr bedarf, und das heißt ja, Denken ist ein Reglement, es gibt ein Regelwerk, halte es ein und du wirst zur Wahrheit gelangen."

    Inzwischen ist allerdings auch die Mathematik kein Garant für "Wahrheit" mehr. Es hat eine Grundlagenkrise im letzten Jahrhundert gegeben, als sich herausstellte, dass sich nicht alle mathematischen Theorien zweifelsfrei beweisen lassen. Das lässt manche Spötter sogar fragen, ob Mathematik heute nicht eher eine Glaubensfrage als eine Wissenschaft sei.

    Ihren früheren Ruhm als Mutter oder Königin aller Wissenschaften hat die Mathematik jedenfalls verloren. Zwar scheint sie überall dabei zu sein, aber das bringt ihr bei vielen heute eher den Status einer Hilfswissenschaft ein. Etwas mehr Gewicht misst ihr natürlich der Mathematiker Behrends bei:

    "Wenn ich mir die Mathematik ansehe, wie sie als Wissenschaft in anderen Wissenschaften eingesetzt wird, dann ist es für mich so eine Art Brückenwissenschaft, ja, sie steht als Brücke zwischen der Welt, die uns interessiert, und den Wissenschaften, die sich um Theorien über diese Welt kümmern."

    Wieder andere zählen Mathematik zu den Strukturwissenschaften, ein Begriff, den der Physiker Carl-Friedrich von Weizsäcker geprägt hat. Sie beschäftigen sich nicht mit der Erforschung konkreter Objekte oder Fragestellungen, sondern entwickeln die unterschiedlichsten Methoden für die Wissenschaften insgesamt. Für Mathematikprofessorin Christine Scharlach trifft das die Sache nicht. Sie sieht die Mathematik auf jeden Fall als etwas ganz eigenes:

    "Ich glaube, dass Mathematik eine bestimmte Denkweise ist, eine bestimmte Art, wie man Probleme löst: also 'Wissenschaft des Problembelösens' gefällt mir eigentlich schon."

    Und Mathematik ist eine gesellschaftlich enorm wichtige Wissenschaft.

    "Man kann sagen, dass wir im Zeitalter der Mathematik leben. Unsere Kultur ist mathematisiert","

    heißt es in einem Bericht, den die Amerikanische Mathematische Gesellschaft schon 1984 veröffentlichte.

    Scharlach; ""Für mich ein wunderschönes Beispiel ist unsere Uhrzeit: Wer kann sich vorstellen, ohne Uhrzeit zu leben. Da stellt man auch fest, dass diese Linearisierung, diese Art, sich jede Minute immer gleichlang vorzustellen, dem wirklichen Empfinden nicht unbedingt entspricht, aber tatsächlich ist es die Art, wie wir miteinander umgehen, ja uns mit Uhrzeit verabreden und so weiter."

    Die großen Bereiche unserer Gesellschaft: Wirtschaft, Technik, Wissenschaft kommen ohne Mathematik nicht aus.

    Behrends: "Wenn ein Ingenieur eine Brücke baut, es werden Stützlasten ausgerechnet, es werden Materialkonstanten in die Gleichungen eingesetzt, um am Ende Tragfähigkeiten überprüfen zu können, das ist so überspitzt gesagt diejenige Art von Mathematik, wie sie schon von den Ägyptern und Babyloniern ausgeführt wurde. So in diesem ersten Sinne ist Mathematik unerlässlich für alle Ingenieurwissenschaften, aber auch durch die stochastischen Anteile für Psychologie, Sozialwissenschaften, Medizin und so weiter."

    In nahezu allen Wissenschaftsbereichen wird auch mit statistischen Methoden und/oder Modellen gearbeitet, wird gezählt und gerechnet, werden Zusammenhänge logisch hergeleitet. Selbst in der Germanistik, bei den Linguisten oder in der Musikwissenschaft. Und die Ökonomie ist ohne soliden Rechenhintergrund und auch teilweise ohne mathematische Theorien gar nicht mehr denkbar. Der amerikanische Mathematiker John Nash erhielt zum Beispiel zusammen mit zwei Ökonomen 1994 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften für die gemeinsamen Leistungen auf dem Gebiet der Spieltheorie.

    Die Professorin Christine Scharlach glaubt sogar, dass Mathematik eine gewisse Bedeutung im sozialen Leben haben kann:

    "Wenn ich mich mit Leuten über ganz persönliche Probleme Beziehungsprobleme unterhalte, ist oft wichtig, um dieses Knäuel auseinanderzuwickeln, mathematische Methoden - auseinanderziehen, gucken, worum geht es denn eigentlich, strukturieren, zu benutzen. Aber es ist dann natürlich auch immer wieder wichtig, statt nur den Kopf, auch immer die Gefühlsebenen mit einzubeziehen, und die lassen sich, glaube ich, mathematisch sehr schwer beschreiben. Man sollte das sicher auch mehr thematisieren, wo es dann drinsteckt und wozu man es wirklich brauchen kann."

    Dieses tiefere Interesse für die Mathematik zu vermitteln, ist eine Aufgabe der Schule - die sich damit offenbar immer noch schwer tut. Da hilft es wenig, dass einige Didaktiker immer wieder darauf hinweisen, dass man neben dem Umgang mit Zahlen durch die Beschäftigung mit Mathematik noch viel mehr für das Leben lernen kann: Mathematik befähigt dazu, Probleme zu analysieren und strategische Lösungen zu finden; man lernt, dass es manchmal wichtig ist, präzise zu sein, schon in der Sprache - und begründet zu argumentieren.

    Und dennoch: Die meisten Menschen interessieren sich nicht für Mathematik, nicht einmal für die in den Alltagsdingen: Sie können vielleicht gerade noch die Größe ihres Wohnzimmers ausrechnen, um zu wissen, was der Quadratmeterpreis an der großen Teppichrolle beim Händler für ihren Geldbeutel bedeutet. Aber was passiert, wenn sie ein Rezept für Sauer-Scharf-Suppe suchen und das Wort bei Google eingeben, das wollen sie dann schon nicht mehr wissen. "Black-Box-Denken" nennt man das. Ein Verhalten, was Professor Ehrhard Behrends nicht nur aus mathematischer Perspektive bedauerlich findet:

    "Ja, das ist die Frage, was man als Bildung ansieht. Wenn man damit zufrieden ist, auf einen Knopf zu drücken und dann passiert irgendetwas, dann muss man überhaupt nichts wissen. Dann muss man nur auf Knöpfe drücken können. Aber ich finde schon, dass jemand der diese elementaren Bedürfnisse befriedigt hat, sich auch schon Gedanken machen sollte, warum etwas so ist, wie es ist. Was weiß man heute von der Welt? Und da kommt man dann an mathematischen Theorien nicht vorbei, und ich finde es mindestens genauso wichtig zu wissen, wie etwa moderne Verfahren der Kryptografie funktionieren, die fundamental wichtig sind, wenn sie Banküberweisungen machen oder sicher sein wollen, dass ihre Eurocard nicht unbefugt benutzt wird, wie es zum Beispiel wichtig ist zu wissen, was Strawinsky komponiert hat. Aber das ist schon fast eine andere Geschichte, was man denn so in verschiedenen Kulturen als wichtig und interessant ansieht."