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Zwischen Hegel und HTML

Der Studiengang "Europäische Medienwissenschaft" in Potsdam hat sich vom Modellstudiengang zu einem regulären Angebot gemausert. Die über 100 Bachelor- und Master-Aspiranten studieren gleich an zwei Hochschulen: Die Universität der Stadt sorgt für den theoretischen Background der Medienwissenschaftler, während an der Fachhochschule die gestalterische Praxis im Vordergrund steht.

Von Peter Leusch und den Studierenden Johanna Strodt, Anja Hübner, Christoph Wende und Andreas Kubatzki |
    Dieter Mersch ist Professor für Europäische Medienwissenschaft an der Universität Potsdam:

    "Wenn man Träume hat, vielleicht Moderator zu werden oder so etwas, finde ich, ist dieser Studiengang verfehlt."

    Für ihn sind Medien mehr als reine Massenunterhalter. Psychoanalyse und antike Philosophie gehören genauso zu diesem Studiengang wie HTML-Programmierung und Videoschnitt. Mit Medien zu arbeiten heißt für Dieter Mersch auch, sie im gesellschaftlichen Kontext zu begreifen:

    "Wenn es um Medien geht im weitesten Sinne, dann geht es für mich darum, einerseits auf der Basis eines Medienbegriffs Kultur zu verstehen, kulturelle Prozesse zu verstehen, die Gegenwart zu verstehen, Interesse auch an Gegenwart zu haben, aber vor allen Dingen auch Gegenwart im Lichte eines Verständnisses kultureller Prozesse durcheinander zu bringen."

    Also Querdenken statt "Schema F". Und das aus einem spezifisch europäischen Blickwinkel - schließlich ist man in Potsdam stolz darauf, deutschlandweit die einzige Europäische Medienwissenschaft zu sein. Ebenso ungewöhnlich: Hier studieren 135 Bachelor- und Master-Studenten gleich an zwei Hochschulen: kulturwissenschaftliche Theorie an der Uni, gestalterische Praxis an der Fachhochschule Potsdam.

    Peer Hellerling ist einer der ersten Studenten dieses Modellstudienganges. Er hat die Entwicklung der Europäischen Medienwissenschaft miterlebt.

    "Am Anfang hörte sich das alles wunderbar an, sehr praxisorientiert, aber auch Theorie, im Nachhinein hat sich dann doch herauskristallisiert, dass es doch eher Theorie ist, Medientheorien. Zum Glück gibt es aber auch Praxis, von daher ist die Mischung ein wenig unausgewogen, aber ich hoffe, das wird sich jetzt wieder ein bisschen ändern."

    Seit der Gründung im Jahr 2000 ist der Studiengang in Bewegung - immer weitere Dozenten, Exkursionen und Projekte veränderten und formten ihn, bis er sein heutiges Gesicht fand. Von etwa 1000 Bewerbern jährlich werden jedoch nur 30 zugelassen. Ein hoher Numerus Clausus spielt dabei ebenso eine Rolle wie berufspraktische Erfahrungen. Diese Auslese hat aber auch ihre Vorteile, wie Dozent Heiko Christians aus eigener Erfahrung weiß:

    "Wir haben überschaubare Seminare und wir haben durchgehend sehr gute und sehr motivierte Studenten. Und ich kenne sie, ich hab mit allen auch zwischen den Seminaren gesprochen, ich kann in etwa ihre Leistungsfähigkeit und ihre Vorlieben, ihre Interessen einschätzen, und das gibt eine Kommunikation auch jenseits der Seminare, die dann dazu führt, dass man einfach verlässlich zusammenarbeitet und qualitativ - wie ich finde - auf einem guten Level zusammenarbeitet."

    Europäische Medienwissenschaft ist auf kein konkretes Berufsbild ausgerichtet. Vielmehr ist es Ziel, den Studenten Kreativität und Aufgeschlossenheit im Umgang mit Medien zu vermitteln. Professor Dieter Mersch:

    ""Einer meiner Lieblingssätze ist von Picabia: Der Kopf ist rund, damit das Denken in verschiedene Richtungen gehen kann. Und mir geht es eigentlich darum, dass man nach allen Seiten immer wieder offen ist"."