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Zwischen Hoffnung und Trauma

Uganda ist im Vergleich zu anderen ostafrikanischen Staaten reich an fruchtbaren Böden. Winston Churchill sprach daher einst auch von der "Perle Afrikas". Lange Zeiten der Diktatur und der Bürgerkriege haben in dem Land jedoch Spuren hinterlassen. Der Leadsänger der kölschen Rockband BAP, Wolfgang Niedecken, engagiert sich in Uganda für die vom Krieg gezeichneten Kindern - und entdeckt erste Fortschritte.

Von Frank Capellan | 21.03.2009
    Kalongo, ein winziges Dorf im Norden Ugandas, nah an der Grenze zum Sudan. Inbrünstig brummt der Direktor der Berufsschule die Nationalhymne ins Mikrofon. Die Sonne brennt, ein Generator dröhnt, Strom für die Lautsprecheranlage. Ein besonderer Tag - mit deutscher Unterstützung erhält die Schule einen Schlafsaal - ab heute übernachten die Jugendlichen nicht mehr im Klassenraum.

    Im Halbrund stehen etwa 40 Mädchen hinter dem hölzernen Rednerpult. Alle tragen schwarze Sandalen, weiße Tennissocken, türkisfarbene Röcke, weiße Blusen - die Schuluniform, neben dem Linksverkehr auf Ugandas Straßen ein anderes augenfälliges Überbleibsel aus britischer Kolonialzeit.

    Winston Churchill sprach einst von der "Perle Afrikas", doch hier im Norden ist Ugandas Glanz längst ermattet. 20 Jahre Krieg liegen hinter den Menschen, 500.000 Opfer sind zu beklagen.

    Joseph Kony, Chef der LRA, der Lord Resistance Army, hat sich in den Kongo zurückgezogen. Seine sogenannte "Widerstandsarmee des Herrn" ist eine pseudo-christliche Organisation, ihre Kämpfer sind radikale Fundamentalisten, allesamt Angehörige des Volkes der Acholi. Rebellenführer Kony sieht sich vom Heiligen Geist gelenkt, aber auch Elemente der ursprünglichen Acholi-Religion prägen sein Weltbild - die Bedeutung von Geistern etwa oder auch die Tolerierung der Vielehe. Dass der seit 23 Jahren regierende Staatspräsident Museveni keiner ihrer Volksgruppe ist, dass vor ihm mit Diktator Idi Amin und dessen Nachfolger Milton Obote dagegen Vertreter aus Nord-Uganda das Land regierten, das steht bis heute hinter diesem Konflikt. Für die Kölner Ethnologin Lioba Lenhart, die inzwischen einen festen Wohnsitz in Uganda hat und die Sprache der Acholi spricht, ist klar:

    "Dass man gerne die Leute aus der eigenen ethnischen Gruppe in Ämter bringt und in Uganda die Regierungen sich auch immer abgewechselt haben und jeweils aus Personal des Südens oder des Nordens rekrutiert wurden. Insofern hat das mit Sicherheit eine ethnische Komponente, dann hat es aber auch damit zu tun, dass der Norden lange Zeit vernachlässigt wurde."

    Dass der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag im Sommer 2005 einen Haftbefehl gegen Kony und vier seiner Offiziere aussprach, wurde von vielen Nichtregierungsorganisationen kritisch gesehen. Viele, die unter dem Terror der LRA persönlich gelitten haben, halten nicht allzu viel davon, Kony vor ein internationales Gericht zu stellen. Etwa Jane Okello, eine 23-jährige Frau, die für die Juristen aus Den Haag eine wichtige Zeugin ist. Sie war eine der Leibwächterinnen des Rebellenführers, und obwohl sie acht Jahre lang in der Hand der LRA war, lässt sie bis heute nichts auf Joseph Kony kommen:

    "Ich habe einige Male an den Anhörungen des Internationalen Strafgerichtshofes teilgenommen. Die haben mir immer wieder versichert, Kony muss bestraft werden, weil er der Anführer ist, weil er das Morden der ganzen Truppe hätte stoppen können! Aber wenn sie weiter nachforschen, dann werden sie feststellen, dass er nichts gemacht hat, ich glaube nicht, dass Kony jemals eine Waffe in die Hand genommen und jemanden erschossen hat, nein, das hat er andere machen lassen, der hat nicht einmal einen Stock genommen und jemanden geschlagen, nein, das hat er nicht getan!"

    Jane ist zwölf, als sie von den Rebellen entführt wird. Gefasst erzählt sie ihre Leidensgeschichte, davon wie sie einem von Konys ranghöchsten Commandern zur Frau gemacht wird. Das junge Mädchen wird gezwungen, den Umgang mit der Waffe zu lernen, sie tötet für die Widerstandskämpfer - als sie darüber spricht, laufen ihr dicke Tränen über die Wangen. Jane ist eine hübsche junge Frau, sie trägt ein feines beige-braun gemustertes Kleid, streicht etwas verlegen mit der Hand durch die langen Rasta-Locken. Dass die Rebellen ihr die Jugend genommen haben, sieht man ihr nicht an. Verantwortlich für alles macht sie die Offiziere des Anführers, die immer wieder eigenmächtig gehandelt hätten:

    "Ich glaube, ich habe keine Probleme mit Kony. Immer wieder hat er seinen Commandern gesagt, tötet nicht, lasst die Menschen in Frieden, und was haben sie gemacht? - Sie sind losgezogen und haben gemordet. Mir ist inzwischen klar, dass der Anführer immer für alles verantwortlich gemacht wird, aber diese ganzen Entführungen von Kindern, all die Grausamkeiten, das hat nicht er getan. Ich glaube, ich habe meinen Frieden mit Kony gemacht. Ich habe ihm vergeben!"
    Unterwegs mit dem Jeep von Kalongo nach Gulu, eine der größeren Städte im Norden des Landes, schätzungsweise 100.000 Menschen leben hier. Zwei Stunden Autofahrt über eine staubige Piste. Immer wieder bremst der Wagen, um dann langsam durch metertiefe Löcher zu fahren. Auf der Straße viele Frauen und Kinder, sie tragen gelbe Kanister auf dem Kopf, schleppen Wasser kilometerweit aus den Brunnen zu ihren Hütten.

    "Alles, was wir uns jetzt anschauen, wird komplett durch Spendengelder abgedeckt."

    Steffen Emrich, Projektleiter der Hilfsorganisation World Vision, erzählt vom sogenannten "Reception Center" in Gulu. Dort werden ehemalige Kindersoldaten nach ihrer Rückkehr aus der Gefangenschaft betreut, traumatisierten junge Frauen, die von den Rebellen oft über Jahre als Sexsklavinnen misshandelt wurden, soll hier geholfen werden, in ein normales Leben zurückzufinden. Viele kehren mit ungewollten Kindern zurück, werden von ihren Familien verstoßen. Trotzdem: Die Bereitschaft unter ihnen, zu vergeben, ist groß:

    "Es ist schon so, dass hier auch traditionell ein sehr großer Wert auf Versöhnung und Ausgleich gelegt wird. Wenn die Angeklagten in Den Haag verurteilt werden, sitzen sie im Knast, aber es hilft niemandem - als direkt Betroffener, dem das Dorf abgefackelt wurde, dem die Kinder erschossen wurden oder entführt. Der hat kein Benefit davon. Lokale Verfahren haben das mehr im Blick!"

    In einem kleinen Dorf treffen wir auf Jennifer Lamwanka. Auch sie ist Opfer des Konfliktes zwischen den Rebellen und der ugandischen Armee. Jennifer ist eine von Tausenden von Kindesmüttern - Mädchen, die - selbst noch Kinder - von den Schergen des Joseph Kony verschleppt, vergewaltigt und dann schwanger wurden. Jennifer bittet uns in ihre kleine Hütte, unter dem runden Strohdach hängen zwei Kochtöpfe und eine große Pfanne für den Holzkohleofen. Neben dem türlosen Eingang steht ein kleiner Schemel, darauf ein paar Kleidungsstücke, eine Zahnbürste, auf dem Boden eine Matratze, Jennifer setzt sich und legt Innocent, ihren einjährigen Sohn an die linke Brust, sie runzelt die Stirn, dann erinnert sie sich daran, wie sie von LRA-Kämpfern entführt wurde:

    "Als die Rebellen uns in den Sudan verschleppt hatten, wurden wir auf verschiedene Männer verteilt, dem konnte sich keiner entziehen. Ich war damals 13 und sofort haben sie uns erklärt, wir wären nun dazu da, Kinder zu produzieren."

    Sohn Innocent wurde in Freiheit geboren, Daniel dagegen, der dreijährige Halbbruder, der sich etwas schüchtern an ihre Seite kuschelt, wurde von einem Rebellen gezeugt, und auch ihr drittes Kind, Tochter Sarah, ging aus einer Vergewaltigung hervor. Acht Jahre lang lebte Jennifer mit den Kämpfern der Lord Resistance Army im Grenzgebiet zwischen Uganda und dem Sudan, dann, bei einem Angriff ugandischer Regierungstruppen, gelingt ihr die Flucht:

    "Wir waren plötzlich von Regierungssoldaten umringt, sofort begannen sie zu schießen, ein Mädchen neben mir wurde getroffen und fiel auf meinen Schoß, mein ganzer Körper war voller Blut. Aber ich habe überlebt, und dann bin ich mit meinen Kindern weggerannt. Meinen Sohn trug ich auf dem Rücken, ich hatte solche Angst er könne von einer Kugel getroffen worden sein, aber er hat es überlebt."

    Weil sie noch leicht zu beeinflussen sind, vor allem aber weil ihm Mitte der Neunziger Jahre der Nachschub an freiwilligen Kämpfern ausgeht, beginnt Rebellenführer Kony in großem Stil Kinder zu entführen - Schätzungen gehen von insgesamt 30.000 aus, selbst jetzt, da Kony in den Kongo vertrieben wurde, soll er noch mindestens 1000 in seiner Gewalt haben. Viele werden in der Gefangenschaft zu unvorstellbaren Gräueltaten gezwungen, Kinder müssen andere Kinder töten, wenn diese sich den Befehlen ihrer Peiniger widersetzen. Aus vielen werden regelrechte Killermaschinen, die die Dörfer des eigenen Acholi-Volkes mit unglaublicher Brutalität überfallen. Die furchtbar entstellte Margrit ist eines ihrer Opfer:

    "Die Rebellen fragten uns, ob Regierungssoldaten im Dorf sind. Wir sagten ja, ganz in der Nähe, der Kommandeur schrie dann: "Ihr seid frei, lauft!" Aber plötzlich brachten sie meine Freunde um, vor meinen Augen. Dann schnitten sie mir mit einem Messer Lippen, Nase und Ohren ab."

    In Pajule, zwei Autostunden von Gulu entfernt werden Wolfgang und Manfred begrüßt. Prominenter Besuch aus Deutschland. Wolfgang Niedecken und Manfred Hell - der eine ist Leadsänger der kölschen Rockband BAP, der andere Chef von Jack Wolfskin, erfolgreicher Anbieter von Outdoor-Bekleidung. Beide sind befreundet, und beide stellen ihren Namen und Geld zur Verfügung, um den vom Krieg gezeichneten Kindern in Uganda zu helfen.

    Manfred Hell ist ein Schrank von Mann, ein kantiger Typ, ein Naturbursche, wie aus dem eigenen Outdoor-Katalog entsprungen. Es ist heiß in Uganda, Hell zieht den braunen Cowboyhut tief ins Gesicht, er trägt ein beigefarbene Trekkinghose aus dem eigenen Sortiment, darüber lässig ein rotes, kurzärmliges Hemd, Niedecken wirkt neben ihm wie sein Zwillingsbruder, rot-weiß kariertes Holzfäller-Hemd, ähnlicher Cowboy-Hut, gleiche Hosen. Beiden wird eine Schere gereicht, sie durchschneiden ein gelbes Band, das vor den neuen Schlafsaal der Berufsschule gespannt wurde.

    Dann werden sie zu einem mit Packpapier verhüllten Schild neben der Tür geführt, eine Gedenktafel für die Spender aus Deutschland, die sie enthüllen sollen ...

    Jack-Wolfskin-Chef Hell weiß, dass sein Engagement in Afrika eine zweischneidige Sache ist. Wenn ein erfolgreicher Unternehmer Geld in Entwicklungshilfeprojekte steckt, dann heißt es schnell: Du willst ja nur das Image Deiner Firma aufpolieren.

    "Es wird immer Menschen geben, die hinter irgendetwas, was Böses vermuten. Da zählt alleine meine Intention. Da bin ich allein meinem Gewissen verpflichtet. Ich habe es als legitim erachtet, zu sagen, da benutze ich auch die Plattform, die ich als Unternehmer habe für etwas, was aber eindeutig persönlich ausgelöst war."

    Die Schüler singen ein Loblied auf die NGOs, die Helfer aus aller Welt. Ohne sie würde hier kaum was laufen, das wissen sie. Wolfgang Niedecken streicht sich nachdenklich über den Dreitagebart - "klar" sagt der Kölsch-Rocker, "es besteht immer die Gefahr, dass da Aufgaben übernommen werden, die eigentlich Sache der Regierung in Kampala sind":

    "Deswegen ist es ja wichtig, dass wir herkommen. Dass wir sehen, was vonnöten ist. Was auch eindeutig unsere Kompetenzen überschreitet. Also wir sind ja jetzt nicht das alternative Ministerium für Zusammenarbeit, und ich bin nicht die Frau Wieczorek-Zeul, und das will ich auch gar nicht sein."

    Dann greift er zur Gitarre. Der Kölsch-Rocker stimmt das Lied an, mit dem er bei seinen Konzerten in Deutschland auf das Schicksal der ugandischen Kindersoldaten aufmerksam macht. Das Lied, das von den Kindern erzählt, die während des Krieges jeden Abend von ihren Eltern nach Gulu geschickt wurden, in der Hoffnung auf eine sichere Nacht im Flüchtlingslager, auf Schutz vor den Kämpfern der LRA.

    "Night commuter", Nachtpendler, nannten sie sich, und als Niedecken fragt, wer einer von ihnen war, da gehen fast alle Hände in die Höhe. Niedecken winkt die jungen Leute zu sich heran. Schüchtern kommen die Jungs näher, und dann ist Niedecken umringt von jungen Schülern, die allesamt schwarze Hosen und Hemden in FDJ-Blau tragen. "Noh Gulu" - "nach Gulu" singt der BAP-Chef, auf Kölsch, aber es wirkt, als würde jeder hier ihn verstehen ...

    Heute atmet Gulu auf. Zwei Jahre Frieden ließen Hoffnung aufkeimen. Die Geschäftsstraße ist voller Leben, japanische Pickups bringen Güter aller Art in die Stadt, Fahrräder, Schubkarren, Wasserkanister. Seit im vergangenen Jahr die Straße in den wohlhabenderen Süden Ugandas bis hinunter zur Hauptstadt Kampala weitgehend asphaltiert wurde, hat sich die Fahrzeit auf vier bis fünf Stunden verkürzt. Ein alter völlig überladener LKW stoppt in der Nähe des Marktes, einige Männer klettern hinauf, werfen große Getreidesäcke nach unten. Wegen des Krieges liegen im Norden Ugandas viele Anbauflächen brach - doch von einem Mangel an Lebensmitteln ist hier auf dem Markt nur wenig zu sehen: Frauen sitzen auf dem Boden, vor sich Gemüse aller Art, bunte Gewürze, getrockneten Fisch. Lebendes Vieh wechselt den Besitzer, am Stand eines Fleischers hängen gerupfte Hühnchen, die in der Mittagshitze hunderte von Fliegen anlocken. Nicht weiter entfernt sitzt ein alter Mann mit grauem Bart hinter einer alten Singer-Nähmaschine. Er näht Kleidungsstücke zusammen, die er direkt an der Straße verkauft. Mit den Füßen bringt er die Nadel in Schwung - Ja es entwickelt sich langsam etwas in Gulu, meint er, aber es fehlt immer noch an vielem:

    "Was hier verkauft wird kommt immer noch aus anderen Regionen Ugandas. Wir haben noch nicht wieder angefangen, die Felder zu bestellen. Natürlich, hier kann vieles angebaut werden, Bananen, Kaffee, Getreide, aber viele leben immer noch in den Flüchtlingslagern. Erst ganz langsam kehren die Menschen in ihre Dörfer zurück."

    Wir steigen wieder in den Geländewagen, machen uns auf den Weg in eines der Flüchtlingslager im Bezirk Gulu. Wir fahren an einer britischen Bank vorbei, Sonnenstrahlen spiegeln sich in den golden verzierten Türrahmen, direkt gegenüber hütet ein Bauer seine kleine Herde - acht afrikanische Kühe mit gewaltigen Hörnern, ein skurriles Bild. Abrupt endet der bescheidene Wohlstand, die holprige Lehmpiste bringt uns zurück auf den Boden der nordugandischer Realität.

    Nach einer Viertelstunde Autofahrt stoppen wir an einer kleinen halbfertigen Rundhütte. Kurzer Besuch bei George Orach, ein ehemaliger Kindersoldat.

    Auf dem kleinen Grundstück wird gebaut, George humpelt uns mit seiner Frau entgegen, zum Gehen braucht er eine Krücke, am linken Knöchel trägt er einen Verband, "trotz zahlreicher Operationen schmerzt mein Fuß immer noch höllisch," sagt er - "hinzu kommen Munitionssplitter überall in meinem Körper" - böse Souvenirs aus dem Krieg. George Orach schüttelt den Kopf, macht eine eindeutige Handbewegung:

    "Manchmal bin ich ungeheuer wütend, meint er, als ich entführt wurde, war ich gesund, als Krüppel bin ich zurückgekommen. Joseph Kony trägt die Verantwortung dafür und trotzdem weiß ich, dass wir ihm vergeben müssen, sonst wird dieser Krieg niemals enden."

    George Orach kämpfte zehn Jahren für die LRA, erst bei einem Angriff ugandischer Regierungssoldaten wagt er 2004 die Flucht. Im Auffangcamp für Kindersoldaten verbringt er fast ein ganzes Jahr. Die Entwicklungshelfer ermöglichen ihm die Rückkehr in ein normales, friedliches Leben. Von seinem Bruder erhält er ein wenig feuchtes Land, ideal für den Anbau von Zucker. Anfangs aber lehnen viele den Heimkehrer ab, niemand will einem ehemaligen LRA-Kämpfer Zuckerpflanzen verkaufen:

    "Es war alles nicht einfach, mein Bruder hat mir sehr schnell klar gemacht, dass er nicht viel mit mir teilen kann. Es war eine schwere Zeit," meint er und lächelt, "aber jetzt haben wir Glück, die letzte Ernte war sehr gut."

    Eine Million Schilling hat ihm der Zucker eingebracht, 500 Euro Jahresverdienst, viel Geld für George Orach. Neben ihm sitzt seine Frau auf einem kleinen Holzschemel, auch sie kämpfte für Kony, aus der Gefangenschaft hat sie die fünfjährige Dora mitgebracht, Kind eines Rebellen - heute gehört es zur Familie Orach, mittlerweile hat sie noch zwei gemeinsame Kinder mit George.

    Ankunft in Anaka, Flüchtlingslager in the middle of nowhere,

    54.000 Menschen haben hier gelebt, berichtet Okime Denis, ein örtlicher Regierungsbeamter. Wie viel es heute noch sind, müssen wir noch herausfinden"

    Knapp 20.000 dürften es immer noch sein, viele sind in ihre Dörfer zurückgekehrt, aber immer noch leben im Norden Ugandas etwa 800.000 Menschen in Camps.

    Dicht an dicht stehen hunderte von Hütten, Kinder bestimmen das Bild. Die Hälfte der Bevölkerung ist jünger als 14, durchschnittlich bekommen Ugandas Frauen sieben Kinder, die Lebenserwartung liegt bei 47, der Altersdurchschnitt bei 15 Jahren. Viele der Kinder haben aufgeblähte Bäuche - Würmer. Zu essen gibt es genug, allerdings nur dank der Hilfe des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen. Überall sind weiße LKW mit der schwarzen UN-Aufschrift zu sehen. Sie bringen Mehl und Reis in die Region.

    "Wenn Kony heute festgenommen würde, würden die Menschen morgen in großer Zahl in ihre Dörfer zurückkehren,"

    ist sich Walter Chengo, der örtliche Koordinator des UN-Ernährungsprogrammes sicher. Allerdings meint er,

    "man muss auch bedenken, dass die jungen Leute im Lager groß geworden sind, die wissen nicht, wie man ein Feld bestellt, die haben gar nicht die Möglichkeiten dazu. Trotzdem: Der Hauptgrund warum so viele noch nicht zurückkehren: Sie haben Angst vor den Rebellen, vor Kony, dass die ugandische Regierung es nicht schafft, diesen Kerl dingfest zu machen!"

    Drei Jugendliche machen sich mit kräftigen Stößen an einer Wasserpumpe zu schaffen, füllen gelbe 20-Liter-Kanister auf. Die Mädchen tragen sie zu den Hütten. Hygiene ist das größte Problem in den riesigen Flüchtlingslagern. Fließendes Wasser gibt es nirgends. Als Toiletten dienen einfachste Latrinen, Löcher im Boden.

    Weiterflug von Gulu nach Pader, noch näher an die sudanesische Grenze. Unter uns tristes plattes Land, Steppe, kaum bewirtschaftete Felder, brennende Büsche, Brandrodung. Wildlebende Tiere gibt es praktisch nicht mehr. Mit in der 18-sitzigen Propellermaschine sitzt ein dänischer Landwirt, er will zwei Farmen kaufen.

    "Im Moment bekommst du Land ungeheuer günstig, 100 Dollar der Hektar, im Süden Ugandas sind es 1000, nächstes Jahr ist es hier oben genauso teuer,"

    meint er. Aussteiger wie ihn trifft man hin und wieder, vor allem aber lebt die Region von tausenden von Mitarbeitern der Nichtregierungsorganisationen.

    Staub wirbelt auf bei der Landung in Pader, eine steinige Naturpiste, notdürftig begradigt, das ist der Flughafen. Der kleine Ort Pader selbst hat eher den Charakter eines Slums. Ein paar Hotels haben eröffnet - einfachste Unterkünfte, Raum für die NGO´s und ihre Gäste.

    Die Hilfe wirkt auch hier, Rundgang durch ein kleines Mädcheninternat. Kindsmütter leben hier, bis zu 50 Mädchen leben in einem Saal, geschlafen wird in dreistöckigen Betten, viele teilen sich eine Matratze mit ihren Babys - Kinder des Krieges.
    Tagsüber werden viele von ihnen zu Näherinnen ausgebildet. Etwa ein Dutzend fußbetriebener Maschinen stehen in einem großen Saal. Die Mädchen verfolgen, was ihnen eine junge Lehrerin vormacht, fast jeder der jungen Frauen, hat dabei ein Kind auf dem Schoß, viele stillen ihre Babys, während sie nähen.

    "Als sie hierhin kamen, konnten sie gar nichts", erzählt die Lehrerin, "jetzt lernen sie eine Menge, sechs Monate dauert die Ausbildung, dann können sie hoffentlich ein eigenes Geschäft aufmachen."

    Wolfgang Niedecken und Manfred Hell, verabschieden sich, es gibt noch andere Hilfsprojekte zu besichtigen. Draußen im Jeep wartet Adwonga Santos - er fährt die beiden zur nächsten Schule.

    Hoffnung hat er, dass Uganda endlich einen tragfähigen Frieden bekommt, dass die Benachteiligung des Nordens endlich aufhört.

    "Wir brauchen endlich einen politischen Führer der Uganda eint," meint Santos. "Wir haben so viele Stämme hier, so viele verschiedene Sprachen, ein vereintes Uganda, darüber würde ich mich freuen!"

    Zwischen Bangen und Hoffen, dass der Terror der Lord Resistance Army endlich ein Ende haben wird, dass die tausenden von Kindersoldaten und Kindesmütter das Trauma des Terrors einmal überwinden werden. Wolfgang Niedecken nickt, es gibt eine Chance, meint er. Im Februar vergangenen Jahres war er zuletzt hier, damals mit Bundespräsident Horst Köhler - seitdem hat sich viel getan:

    "Jedes Mal, wenn ich frisch wieder hier ankomme, sehe ich den Fortschritt. Also, als ich das erste Mal hier war vor fünf Jahren, da habe ich in hoffnungslose Gesichter geguckt. Es waren aber gerade genau zwei Mädchen im Alter von 15, die gerade aus dem Busch zurückgekommen waren, beide mit HIV-infizierten, Nicht-Wunsch-Kindern, um es mal dezent zu sagen. Die hatten gebrochene Blicke, da hast Du Dir nicht vorstellen können, dass da jemals wieder ein Funken Leben reinkommt. Jetzt aber bin ich sicher, dass sie eine Zukunft haben, das macht Hoffnung,"

    sagt Niedecken und steigt in den Wagen. Er wird wiederkommen, um zu sehen, was sich tut in Uganda, er wird wiederkommen "noh Gulu" - nach Gulu.