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Zwischen Holzertrag und Naturschutz

Ein Mischwald mit an den Standort angepassten Pflanzenarten gilt Experten als nachhaltig. Doch der Umbau von Wäldern dauert mindestens 80 Jahre. Bei fortschreitendem Klimawandel ist es daher umso schwieriger, jetzt auf die richtige Baumart zu setzen.

Von Verena Herb |
    Wie sieht der Wald der Zukunft aus? Auf der Tagung "Nachhaltigkeit in Forst und Holz" wird eben jener Frage auf den Grund gegangen. Die sich weltweit verändernden Rahmenbedingungen und Ansprüche stellen Wissenschaft und Wirtschaft vor neue Fragen und Aufgaben, erklärt Hermann Spellmann, Leiter der Nordwestdeutschen forstlichen Versuchsanstalt:

    "Wir sind nämlich geprägt von der Globalisierung der Märkte auf der einen Seite, und alles andere ist meiner Meinung nach getrieben vom Bevölkerungswachstum, vom Flächenverbrauch. Und dementsprechend haben wir also eine Riesen Rohstoffnachfrage in der Welt und gewaltige Umweltveränderungen. Die schlägt dann eben auch bis zum Klimawandel durch. Das ist sozusagen der Motor. Und auf diesen Herausforderungen müssen wir mit unserem langlebigen Objekt "Wald" reagieren."

    Das Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF hat vor einigen Jahren einen Förderschwerpunkt "Nachhaltige Wald- und Holzwirtschaft" ins Leben gerufen, um genau diese Herausforderungen zu charakterisieren. In 25 Forschungsprojekten wurde untersucht, wie die Wälder so gestaltet werden können, dass sie den Herausforderungen der Zukunft möglichst gut gewachsen sind. Auf der Tagung in Hamburg wurden entsprechende Ergebnisse vorgestellt. Martin Jenssen ist Biophysiker und Leiter des Waldkunde–Instituts Eberswalde. Er stellt heraus, dass die Forstwirtschaft als Wirtschaftszweig mit einigen Besonderheiten zu kämpfen hat – vor allem mit dem Klimawandel:

    "Wir haben also Produktionszeiträume von mindestens 80 Jahren, häufig sogar weit über 100 Jahre. Und auf der anderen Seite haben sie aber das Problem einer weitestgehend unvorhersehbaren Zukunft. Das heißt, wir haben zwar Klimaszenarien, Projektionen. Aber wir wissen eben nicht mit einer hohen Bestimmtheit, wie in 50 oder in 100 Jahren das Klima aussehen wird. Das heißt wir müssen uns auf eine Vielfalt von möglichen Zukünften einstellen",

    so der Waldexperte. Sein Interesse gilt zurzeit dem Szenario der klimaplastischen Wälder. Zentrale Frage hier: Welche Baumarten muss man heute pflanzen oder fördern, damit auch die Generation der Enkel und Urenkel noch gesunde und stabile Wälder vorfinden?

    "Das heißt, wenn das Klima sich ändert, können auch diese Wälder in ihren Strukturen folgen. Und das erreichen wir damit, dass wir eben sehr viele Baumarten in eine kleinflächige Mischung bringen. Und diese Baumarten haben eben eine sehr unterschiedliche klimatische und waldgeografische Herkunft: wie Buchen, aber auch Hainbuchen, Linden. Aber eben auch ausländische Baumarten. Die vielleicht heute schon in einem Klima wachsen, wie wir es möglicherweise oder sehr wahrscheinlich in 50 oder 100 Jahren hier in Deutschland haben werden. Wie zum Beispiel die Douglasie oder die Küstentanne. Die also auch in diesem Projektschwerpunkt untersucht werden."

    Multikulti im deutschen Forst also. Das ist besonders wichtig auch, wenn man an mögliche Szenarien denkt, die auch auf Deutschland zukommen können:

    "Wir haben das Problem der Waldbrände zum Beispiel. Schauen Sie zum Beispiel jetzt in mediterrane Länder, was sich dort abspielt bei diesen Klimaten. Und genau das ist der Grund, warum wir in kleinflächiger Weise sehr viele Baumarten auf die Fläche bringen müssen."

    Man könne nicht auf eine einzige Baumart für die Zukunft setzen, so Martin Jenssen. Doch es ist nicht nur der Schutz vor Bränden oder die Auswirkungen des Klimawandels - häufig wird vergessen, dass der Wald auch Einkommensquelle ist – und den Menschen zur Produktion des Erzeugnisses Naturholz dient. Derzeit sei es gut um die deutsche Forstwirtschaft bestellt, erklärt Hermann Spellmann von der nordwestdeutschen forstlichen Versuchsanstalt:

    "Man muss sagen, die deutsche Forstwirtschaft steht auch im internationalen Vergleich glänzend da: Wir stehen, was die Waldfläche angeht, in Europa an dritter oder vierter Stelle. Aber was den Vorrat der Wälder angeht, was auch die nachhaltige Nutzung angeht, haben wir eine führende Stellung. Dementsprechend haben wir die größte Sägeholzindustrie, wir haben die größte Holzwerkstoffindustrie, die größte Papierindustrie."

    Und auch diese Branchen müssen sich entsprechend des Klimawandels auf Umstrukturierungen einstellen. Deshalb ist ein Zusammenwirken von Waldökosystemforschung auf der einen und Waldwirtschaft auf der anderen Seite so wichtig.

    "Wir treffen in der Gesellschaft auf bestimmte Interessengruppen, die alles aus einem einzigen Blickwinkel sehen, also unifunktional und sagen – ich nenne da ruhig auch den Naturschutz – der Naturschutz sagt: Also das ist nur Lebensraum. Und es ist wichtig, dass da die Arten erhalten bleiben."

    Doch sie würden sich nicht fragen, ob da auch die Arbeitsplätze oder die Energie bereitgestellt werden. Zusammengefasst, so Hermann Spellmann, geht es darum, die ökonomischen, ökologischen und sozioökonomischen Funktionen des Waldes zu erhalten – und zwar zu gleichen Teilen. Eine Tagung wie "Nachhaltigkeit in Forst und Wald", wie sie nun stattfindet, soll eben jene Lösungsmöglichkeiten generieren.