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Zwischen Islam und Islamismus-Verdacht

Schätzungsweise 2000 Imame arbeiten in Deutschland - und zwar oft ehrenamtlich. Welche Ausbildung sie haben sollten, ist nicht vorgeschrieben. Doch längst ist das Rezitieren der Gebete nicht mehr die einzige Aufgabe der Imame. Zunehmend sind sie auch als Seelsorger gefragt, als Stadtteilbeauftragter und Sozialpädagoge.

Von Dorothea Jung | 21.02.2010
    Wenn der Sonnenaufgang naht, beginnt mit dem Vortragen des rituellen Morgengebetes der klassische Aufgabenkanon eines Imams.

    Michael Kiefer: "Das sind Aufgaben, die die Moschee betreffen, er leitet das Gebet, also er steht während des Gebets der Gemeinde vor, und eine wesentliche Aufgabe, die zu nennen ist, ist die Freitagspredigt, die er hält, und er ist natürlich in der Moschee auch Ansprechpartner für die Gläubigen in Bezug auf religiöse Dinge."

    So Michael Kiefer, Islamwissenschaftler aus Düsseldorf. Das Wort Imam kommt aus dem Arabischen. Es bedeutet eigentlich nur "Jemand, der vorne steht". "Imam" ist also keine Bezeichnung für ein religiöses Amt. In aller Regel sind Imame Männer - obschon für weibliche Gemeindemitglieder auch Vorbeterinnen und Predigerinnen tätig sind.

    Schätzungsweise 2000 Imame arbeiten in Deutschland - und zwar oft ehrenamtlich. Welche Ausbildung sie haben sollten, ist nicht vorgeschrieben. Doch längst ist das Rezitieren der Gebete nicht mehr die einzige Aufgabe der Imame. Zunehmend sind sie auch als Seelsorger gefragt. So die Beobachtung von Islamwissenschaftler Michael Kiefer.

    "Das ist etwas, was erst in den letzten Jahren hier in Deutschland auf die Imame zugekommen ist, denn man muss wissen, dass traditionell zum Beispiel die Waschung der Toten, die Riten, die werden von der Familie durchgeführt. Allerdings ist hier viel Wissen verlorengegangen, und da wird natürlich nach dem Imam verlangt, der hier Unterstützung gewährt, weil man schlicht und ergreifend manchmal nicht weiß, wie es geht."

    Nicht nur die religiösen Anforderungen an die Imame sind komplexer geworden. Professor Rauf Ceylan hat an der Universität Osnabrück eine Untersuchung über deutsche Imame durchgeführt. Der Religionswissenschaftler musste feststellen: In den Herkunftsländern der Migranten, etwa in der Türkei, verlangen die Moscheegemeinden bei Weitem nicht so viel von ihren Imamen wie die Moscheegemeinden in Deutschland.

    Rauf Ceylan: "Die Imame sollen auch sozialpädagogische Qualifikationen haben. Imame sollen wissen, was im Stadtteil los ist, sie sollen die Gesellschaft kennen, sie sollen die deutsche Sprache beherrschen, weil vor allem natürlich Kommunikationsprobleme entstehen zwischen den jungen Mitgliedern und dem Imam zum Beispiel im Islam-Unterricht und vieles mehr. Und auf diese Rolle sind die Imame nicht vorbereitet."

    Viele Imame in Deutschland möchten den zahlreichen Anforderungen besser gerecht werden und wünschen sich deswegen mehr Möglichkeiten zur Weiterbildung.

    Berlin, Juni 2009. Feierliche Verleihung von Weiterbildungszertifikaten an islamische Geistliche. 24 Imame und muslimische Seelsorgerinnen hatten unter dem Motto "Berlin-Kompetenz" an einem sechsmonatigen Lehrgang teilgenommen und sich mit dem öffentlichen Hauptstadtleben vertraut gemacht. Der Kursus wurde mit Steuergeldern gefördert und kam bei vielen Absolventen gut an. Zum Beispiel bei Abdullah Hajjir, Imam eines arabischen Islamvereins in Berlin, der sich "Haus der Weisheit" nennt.

    "Man hat viel Informationen über Gremien, staatlich oder bürgerlich, auch Vereine, Einrichtungen sich sozusagen verschaffen können. Außerdem hat man gute Kontakte mit Politikern und behördlichen Stellen, die auch weiter den Gemeindemitgliedern beraten und helfen können in vielen Bereichen: sozial, politisch oder auch religiös und im Bildungsbereich und so weiter."

    Vergleichbare Kurse werden Moscheegemeinden inzwischen in mehreren Großstädten Deutschlands angeboten. Es sind Lehrgänge, die neben der deutschen Sprache vor allem Alltagswissen über Deutschland vermitteln. Die Imame lernen Ämter und Polizeidienststellen kennen, besuchen soziale, kirchliche und kulturelle Einrichtungen, informieren sich über Abläufe in der parlamentarischen Demokratie und machen sich mit ihren Stadtteilen vertraut.

    Politik und Verwaltung wollen damit erreichen, dass die Imame eine Brückenfunktion wahrnehmen zwischen Moschee und der jeweiligen Kommune. Die Geistlichen sollen für Transparenz sorgen und die muslimischen Gemeinden mit ihrer Nachbarschaft vernetzen. Islamwissenschaftler Michael Kiefer glaubt, dass die Kommunen die Imame auch für einen weiteren Zweck einspannen wollen: nämlich für die Verhinderung extremistischer Tendenzen.

    "Also, dass die Jugendabteilungen der Moscheen hier tätig werden, dass Imame dort tätig werden, und Extremismus, der im Internet verbreitet wird oder auch andernorts, dass man dagegen vorgeht. Man hat auch die Hoffnung, dass vielleicht Imame im Bereich der Integration hilfreich sein könnten, dass sie Menschen dazu motivieren, sich stärker in die Gesellschaft einzubringen, und man hat auch die Hoffnung, dass Imame durchaus auch bei familiären Problemstellungen, wenn man so will, sozialarbeiterisch tätig werden könnten."

    Vorbeter, religiöser Lehrer, Seelsorger, Integrationslotse, Sozialarbeiter und Beistand für Verfassungsschützer - überfordert ein derartig umfassendes Berufsbild nicht die Imame? Zumal mehr als 90 Prozent der hiesigen Geistlichen ihre Ausbildung im Ausland erhalten haben. Und zumal - wie Professor Rauf Ceylan herausgefunden hat - die meisten Imame in ihrem Islamverständnis Traditionalisten sind.

    Rauf Ceylan: "Also ein Großteil, über 75 Prozent, vertreten einen konservativen Islam, beispielsweise die Vorstellung, Rollenverteilung Mann und Frau; dann haben noch etwa vielleicht 15 Prozent intellektuell offensive Imame, die für eine Neuauslegung der Quellen da stehen. Und dann haben wir 'ne kleinere Gruppe von salafitischen, von extremistischen Imamen, die vielleicht zwei, drei Prozent ausmachen, und im Grunde genommen sind es gerade die salafitischen Imame, die auch den Verbänden Kopfschmerzen bereiten."

    Die wichtigsten Dachverbände der hiesigen Moscheegemeinden haben sich zum Koordinationsrat der Muslime zusammengeschlossen. In diesem Gremium, auch KRM genannt, sitzen erstens der Islamrat, zweitens der Zentralrat der Muslime, drittens die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion, Ditib, und viertens der VIKZ, der Verband der islamischen Kulturzentren. Alle vier KRM-Verbände lehnen die hier angesprochene religiöse Strömung des Salafismus ab. Damit wenden sie sich gegen ein intolerantes Islamverständnis, das sich wortwörtlich auf den Koran bezieht und keine andere Lesart gelten lässt.

    Trotzdem müssen die vier Verbände tatenlos zusehen, wenn populäre salafitische Prediger vor allem bei jungen Muslimen Erfolg haben. Wie zum Beispiel der Kölner Exboxer Pierre Vogel - alias Abu Hamza - dessen Bekehrungsvideos bei Youtube tausendfach angeklickt werden. Oder auch der charismatische Imam der Berliner Al Nur-Moschee, Abdul Adhim. Ein Mann, der in seinen sonntäglichen Fragestunden ein strahlendes Lächeln mit knallharten Worten kombiniert. Für Ehebruch, zum Beispiel, haben Salafiten kein Verständnis.

    Abdul Adhim: "Der Mann, der fremdgeht, der verheiratet ist, der wird gesteinigt bis zum Tod. Und auch die Frau. Ob die anderen sich jetzt darüber lustig machen, oder es ihnen nicht gefällt - redet, wie ihr wollt. Das ist unsere Scharia. Und wir sind froh darüber, und wir nehmen das an."

    Aber auch wenn sich keiner der anerkannten KRM-Verbände zum Salafismus bekennt, gibt es doch ideologische Verknüpfungen. Da ist zum Beispiel der Berliner Imam Ferid Heider. Der 30-Jährige ist an zwei Moscheegemeinden tätig, die zum Netzwerk der IGD, der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland gehören. Die IGD ist organisiert im Zentralrat der Muslime - einem KRM-Mitglied.

    Ferid Heider gilt als moderater Ansprechpartner für die kommunalen Akteure. Was die meisten Berliner aber nicht wissen: Ferid Heider ist zugleich Dozent eines Fernkurses, in dem Jugendliche zu muslimischen Missionaren ausgebildet werden. Johannes Kandel leitet in der Friedrich-Ebert-Stiftung das Referat für den interkulturellen Dialog. Kandel hat sich die Materialien von Heiders Fernkursus näher angesehen.

    Johannes Kandel: "Er verwendet Materialien, die meines Erachtens ganz deutlich fundamentalistisch orientiert sind: Zum Beispiel das Verhältnis von Gläubigen und Ungläubigen, das wird ganz problematisch betrachtet: Da wird abgegrenzt, da wird auf Distanz gegangen, und auf der anderen Seite gibt er sich offen, eloquent, pluralistisch; aber man sieht dann doch, dass die klare Geschlechtertrennung herrscht, dass man Frauen nicht die Hand gibt, und so weiter und so fort."

    Träger von Heiders islamistischem Fernkursus ist der "Deutsche Informationsdienst über den Islam e.V." mit Sitz in Karlsruhe. Ein Institut, das sich offen dem Salafismus zuordnet. Das hat der Stuttgarter Verfassungsschützer Herbert Landolin Müller herausgefunden. Der ausgebildete Islamwissenschaftler beobachtet, dass die Salafiten immer mehr Anhänger gewinnen, obwohl ihr Ideengebäude im frühen Mittelalter angesiedelt ist.

    Herbert Landolin Müller: "Das bedeutet, die Gefährten Mohammeds und deren unmittelbare Nachkommen, das sind die Vorbilder, die diese geistige Bewegung oder doch auch politische Bewegung für sich reklamiert. Das heißt, aus dem siebten, achten Jahrhundert möchte man die Beispiele auch in politischen Dingen für sich exzerpieren und dann auch denjenigen zeigen, die wissen wollen, wie man den Islam richtig lebt im Persönlichen, und dann eben auch noch in der Gemeinschaft und im Staat."

    Das salafitische Fernkursinstitut in Karlsruhe arbeitet eng zusammen mit einer privaten Hochschule in Frankreich, die für Moscheegemeinden in ganz Europa Imame ausbildet. Auch Fernkursdozent Ferid Heider, der Imam aus Berlin, hat an dieser französischen Hochschule sein Studium absolviert. Es ist das "Institut Européen des Sciences Humaines" - im französischen Château Chinon. "Eine islamistische Kaderschmiede mit engen Verbindungen zur fundamentalistischen Muslimbruderschaft", urteilt der Berliner Islamwissenschaftler Ralph Ghadban.

    "Im Institut, der Vorsitzende ist Youssef El Quaradhawi, der Muslim-Bruder aus Ägypten, und Stellvertreter ist Faisal El Mawlaoui, der Ex-Chef der Muslim-Bruderschaft al Jamaa Islamiya im Libanon. Also diese zwei sind die Hauptfiguren der internationalen Muslim-Bruderschaft, und ich gehe davon aus, dass in ihrem Programm moderne liberale Muslime überhaupt nicht vorkommen."

    Sicher kann man den KRM, den als Dachorganisation anerkannten Koordinationsrat der Muslime in Deutschland, nicht als Unterstützergremium der fundamentalistischen Muslimbruderschaft bezeichnen. Aber innerhalb der Verbände, die sich unter dem KRM-Dach zusammengefunden haben, gibt es einzelne Gemeinden, die ihre Imame in Chateau Chinon ausbilden lassen. Zum Beispiel das Zentralratsmitglied IGD, die Islamische Gemeinschaft in Deutschland. Sie schickt ihren Nachwuchs unter anderem an das französische Muslimbruder-Institut. Das ist gewissermaßen logisch, werden doch die Gemeinden der IGD vom Verfassungsschutz ohnehin den Muslimbrüdern zugeordnet.

    Und eine weitere islamistische Gruppierung taucht in diesem Zusammenhang auf: Die aus der Türkei stammende islamische Gemeinschaft Milli Görüs. Verfassungsschützer bezeichnen die Milli Görüs als die größte islamistische Gruppierung in Deutschland. Die Milli Görüs ist im Islamrat organisiert - und der wiederum ist Mitglied im besagten Koordinationsrat. Die Milli Görüs lässt ihre Imame ebenfalls in Chateau Chinon ausbilden. "Unsere Imame qualifizieren sich aber in ganz unterschiedlichen Ausbildungsstätten", betont Oguz Ücüncü, Generalsekretär von Milli Görüs Deutschland.

    "Wir greifen zurück auf Theologen, die entweder im türkischen Kontext oder an islamischen Fakultäten und Hochschulen in der islamischen Welt ausgebildet worden sind, und motivieren mit Stipendiatenprogrammen junge Abiturienten, theologische Fakultäten zu besuchen, in der Türkei, in Bosnien oder auch in der arabischen Welt. Und dann in private Hochschulen, zum Beispiel die in Chateau Chinon in Frankreich, je nach Interesse und Vorlieben, in welchem Land man die Studien halt machen möchte, mit einer entsprechenden Aussicht, dann Imam in unserer Gemeinschaft zu werden."

    Fazit: Einzelne deutsche Imame und einzelne deutsche Moscheeverbände lassen sich von fundamentalistischen Organisationen ausbilden. Klar ist: Unabhängig von der ideologischen Ausrichtung fehlen in Deutschland gut ausgebildete Imame. Der konservative Verband der islamischen Kulturzentren, VIKZ, eine Organisation, die sich sehr gegen Einblicke von außen abschottet, hat darauf bereits vor Jahren mit der Gründung verbandseigener Imamschulen reagiert.

    Und die mitgliederstärkste Organisation, die Ditib, ist ohnehin ein Sonderfall. Denn die Imame der Ditib werden in der Türkei ausgebildet. Verantwortlich dafür ist das türkische Amt für religiöse Angelegenheiten, die Diyanet. Ihre Imame sind Staatsbeamte und können zumindest das Reifezeugnis eines religiösen Gymnasiums vorlegen. In die deutschen Ditib-Gemeinden werden allerdings nur türkische Imame gesandt, die zusätzlich ein theologisches Hochschulstudium absolviert haben. Sie bleiben auch in Deutschland Beamte des türkischen Staates und verlassen die hiesigen Gemeinden nach vier Jahren. Zusätzlich erhalten sie seit ein paar Jahren Integrations- und Deutschkurse.

    Die Ditib-Imame sind gut ausgebildet, urteilt Aytac Güzelmansur. Er ist Christ und wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Arbeitsstelle für Christlich-Islamischen Dialog der Deutschen Bischofskonferenz.

    "Die Türkei hat im Vergleich zu anderen mehrheitlich muslimischen Staaten fortschrittliche Theologie. Man versucht, auch moderne Wissenschaften einzubinden in der Ausbildung, und es gibt sogar Tendenzen, dass man versucht, den Korantext so auszulegen nach seiner Intention, was wollte der ursprüngliche Text eigentlich vermitteln, dass man eine gereinigte Lehre sozusagen vorträgt."

    Mögen die Ditib-Imame auch noch so brillante Theologen sein - für die Integration des Islam in die deutsche Gesellschaft ist es nicht förderlich, wenn der größte muslimische Dachverband in Deutschland im Rotationsprinzip von türkischen Beamten betreut wird. Kürzlich hat nun der deutsche Wissenschaftsrat empfohlen, an zwei bis drei Universitäten ebenfalls Fakultäten für islamische Theologie aufzubauen. Das Ziel: eine wissenschaftlich fundierte Ausbildung von Religionslehrern und Imamen in Deutschland. Und zwar in deutscher Sprache. Denn auf lange Sicht sollte sich nach Meinung des Wissenschaftsrates der Islam auch sprachlich integrieren. Was die Imame predigen, soll auch die deutsche Mehrheitsgesellschaft verstehen und diskutieren können.

    Damit die Fakultäten nicht an den Bedürfnissen der Muslime vorbei aufgebaut werden, schlägt der Wissenschaftsrat Folgendes vor: Die Mitglieder des KRM, der anerkannten Dachorganisation "Koordinationsrat der Muslime in Deutschland" sollen in einen Hochschul-Beirat berufen werden. Mit diesem Beirat wollen sich die Universitäten dann auf Lehrpläne und Personalvorschläge einigen. Bekir Alboga begrüßt diesen Vorschlag. Alboga ist zum einen Sprecher des Koordinationsrates und gleichzeitig Dialogbeauftragter der türkisch geprägten Ditib-Moscheegemeinden. Er sieht die Ditib in der Rolle eines ersten Ratgebers für deutsche Universitäten.

    "Ditib ist qualitativ wie quantitativ die größte Religionsgemeinschaft muslimischer Verbände in Deutschland. Man müsste auf jeden Fall von diesem Potential und von dieser Erfahrung der Ditib Nutzen ziehen und profitieren. Selbstverständlich haben auch die anderen muslimischen Verbände im Koordinationsrat Potential, das unbedingt zu nutzen ist."

    Aber warum engagiert sich die Ditib überhaupt für die universitäre Ausbildung von Imamen in Deutschland? Sie hat doch gut ausgebildete Imame in ihren Moscheen, die sie überdies noch nicht einmal selbst zu bezahlen braucht, weil der türkische Staat die Honorare anweist. Ditib-Funktionär Bekir Alboga sagt, seine Organisation setze ihre besonderen Fähigkeiten eben für alle Muslime in Deutschland ein.

    "Wir haben mit den Universitäten und theologischen Hochschulen der islamischen Welt, vor allem in der Türkei, gute Beziehungen, gute Verhältnisse. Gerade wir wären dazu bereit, die Brückenfunktion, die Vermittlungsfunktion zu übernehmen, um den Kontakt herzustellen."

    Solche Äußerungen lassen erahnen, dass sich hinter den Türen des Koordinationsrates ein Machtkampf abspielt, welche Organisation denn nun in den geplanten Hochschul-Beiräten das Sagen haben wird. Islamratsmitglied Oguz Ücüncü von der islamistischen Milli-Görüs-Bewegung betont denn auch, dass die Stimme des Koordinationsrates tatsächlich Gewicht haben muss, damit die Imame mit Hochschulbildung in den Gemeinden überhaupt akzeptiert werden.

    Oguz Ücüncü: "Die Frage ist ganz einfach, wer nimmt Einfluss in welchem Maße, und was hat der Beirat über die Ausgestaltung der Lehre zu sagen? Und dass der Beirat auch sicherstellen kann, dass eine Ausbildung, die hier entsprechend abgeschlossen wird, dass sie auch an den Bedürfnissen der Moscheegemeinden sich entlang hangelt und dass sie auch Zustimmung in den Moscheegemeinden erhält. Und es geht ja bei dem praktischen Auslegen des Islams um die Moscheegemeinden. Dort findet Islam im Alltag statt."

    Sprich: Wenn die Gemeinden konservativ sind, dann darf die Imamausbildung nicht zu fortschrittlich sein. Die Sorge von Oguz Ücüncü hält Michael Kiefer für berechtigt. "Die Konsequenzen könnten ganz schlicht ausfallen", schlussfolgert der Islamwissenschaftler.

    "Wenn der Imam den Anforderungen seiner Arbeitgeber nicht entspricht, dann droht ihm die Kündigung. So was ist auch schon vorgekommen. Also wir haben auch schon Fälle gehabt, in denen Imame, die progressive Ansichten vertreten haben, ihren Dienst in der Moschee quittieren mussten."

    Klar ist, dass an den Universitäten mit der Errichtung islamischer Theologie-Fakultäten Neuland betreten wird. Genauso klar ist aber auch, dass dieser Schritt nötig ist. Das zeigt der jüngste Skandal um die Berufung eines schiitischen Imams an die Frankfurter Hazrat-Fatima-Moschee. Nachdem die Kommune sich an die Seite des Geistlichen gestellt hatte, weil Moscheegegner mit islamfeindlichen Parolen laut geworden waren, stellte sich heraus, dass dieser Imam enge Kontakte zu deutschen Hizbollah-Kreisen hat. So etwas, das hoffen alle, die das Hochschulprojekt unterstützen, kann in Zukunft dann deutlich seltener passieren.