Montag, 20. Mai 2024

Archiv


Zwischen konkreter Seelsorge und hoher Politik

Staub, Dreck, Sandstürme, damit zu leben, das ist für Europäer, für Deutsche, für Mittenwalder, die gute Luft gewohnt sind, ungewöhnlich.

Eine Sendung von Hajo Goertz | 10.06.2004
    Alfons Hutter, katholischer Standortpfarrer in Mittenwald, war im Jahr 2003 sechs Monate bei den deutschen Soldaten in Kabul.

    Dazu viele tausend Kinder auf den Straßen, die tägliche Armut und der Gestank, Klammer auf: Heizmaterial, Autoreifen und Plastikflaschen Klammer zu, damit umzugehen, ist schwer, man muss sich daran gewöhnen.

    Vor allem den 7. Juni 2003 wird Hutter nicht vergessen.

    Das war der unselige Pfingstsamstag, an dem drei unserer Soldaten getötet worden sind, draußen schon auf dieser freien Strecke, und bei einem Soldaten bin ich dann noch beim Sterben dabei gewesen. Vier Tote, 28 Verletzte, davon drei Schwerverletzte.

    Ein Autobombenattentat hat schlimmste Befürchtungen Wirklichkeit werden lassen - bei den Soldaten und bei ihrem Pfarrer:

    Mir ist bewusst geworden, dass wir vor allem das Thema Umgang mit Tod und Verletzung nicht vernachlässigen, denn es kommt schneller und brutaler, als man sich das dann ausmalen kann.

    Seit deutsche Soldaten zu Einsätzen nach Kambodscha und Somalia, auf den Balkan und nach Afghanistan oder ans Horn von Afrika aufbrechen, werden sie von evangelischen und katholischen Militärpfarrern begleitet.

    Heute geht es tatsächlich um aktive Auslandseinsätze mit dem Risiko, dass Menschen zu Schaden kommen oder sterben. Dies ist ein ganz erheblicher Unterschied zu der damaligen Situation des Kalten Krieges.

    Bewertet der evangelische Militärbischof Peter Krug die wohl einschneidendste Veränderung in rund 50 Jahren "Kirche unter den Soldaten der Bundeswehr", wie sich die Militärseelsorge gerne bezeichnet.

    Und weil wir sehen, dass diese oder jene Kameraden oder Familienangehörigen oder Bürger in Uniform nicht zurückkommen, wird noch mal jeder einzelne Einsatz sehr viel genauer unter die Lupe genommen von den Soldaten selber, auch von den Kommandos, von der Verteidigungspolitik insgesamt und natürlich auch von uns als Pastoren.

    Stets hat sich die Soldatenseelsorge an Entwicklungen der Bundeswehr anpassen, auf neue Herausforderungen einstellen müssen, wie der katholische Militärbischof Walther Mixa feststellt.

    Die Bilanz könnte so aussehen, dass ich zum einen sage, die Militärseelsorge hat sich insgesamt während der vergangenen 50 Jahre auch mit unterschiedlichsten Prägungen bewährt. Zum zweiten muss ich aber auch feststellen, dass die heutige Art der Militärseelsorge sich von der Militärseelsorge zu Beginn der Einrichtung der Bundeswehr vor nahezu fünfzig Jahren wesentlich unterscheidet.

    In den ersten Jahrzehnten konnten sich in den Kasernen regelrechte Soldatengemeinden bilden. Mixa erinnert, dass anfangs die Wehrpflichtigen...

    ... dann teilweise auch diejenigen, die als Unteroffiziere die Verantwortung für die Soldaten der Mannschaftsgrade hatten, dass die über das Wochenende in der Regel in der Kaserne auch gelebt haben, dass in unmittelbarer Kaserne auch Soldatenwohnblocks gebaut worden sind. Und so hat eben der Soldatenseelsorger, der Militärseelsorger im Grunde eine Soldatenfamilie als Pfarrgemeinde um sich sammeln können. Und das ist so gut wie vollkommen verschwunden.

    Seit nämlich die Soldaten am Wochenende, viele Wehrpflichtige sogar täglich so genannte Heimschläfer sind. Regelmäßige Standortgottesdienste am Sonntag waren weniger gefragt,...

    ...so dass man mehr sich konzentrierte auf den Dienst während der Dienstzeit, und dieser Dienst wurde wesentlich stressiger, kompakter, und da noch hineinzukommen in diese lebenskundlichen Fragen, in die existentiellen Fragen und diese Fragen zu wecken über das was einen bewegt, das war ne sehr interessante und herausfordernde Aufgabe.

    Berichtet der Chef des Evangelischen Kirchenamtes für die Bundeswehr in Bonn, Generaldekan Erhard Knauer, von seiner damaligen Zeit an der seelsorglichen Front. Er hat in seiner langen Dienstzeit die Wandlungen miterlebt und weiß um die besonderen Anforderungen an die Geistlichen, die das Ende der Normalität mit sich gebracht hat:

    Da hat die Professionalisierung der Militärseelsorge weiter zugenommen, speziell Auslandseinsatz, die seelsorgerlichen Spezialausbildungen in der klinischen Seelsorge, in der Seelsorge nach belastenden Ereignissen, die Fragen der internationalen Verteidigungspolitik hat jeden Militärpfarrer wesentlich mehr berührt als das früher der Fall war.

    114 evangelische Militärgeistliche, darunter inzwischen auch 6 Pastorinnen, sowie 99 katholische Pfarrer und 23 Pastoralreferenten, also Laientheologen, auch einige weibliche, arbeiten als Standortseelsorger. Davon sind derzeit fünf evangelische und sechs katholische Pfarrer im Auslandseinsatz. Nach jeweils sechs Monaten bei SFOR und KFOR, bei ISAF oder Enduring Freedom werden sie abgelöst, so dass praktisch jeder Militärpfarrer während seiner befristeten Dienstzeit mit einem Auslandseinsatz rechnen muss. Gerade da begegnen sie einem starken Gesprächsbedarf, wie Matthias Heimer, inzwischen evangelischer Leitender Militärdekan in Düsseldorf, berichtet:

    Was ich dabei erlebt habe, ist, dass viele Soldaten ganz anders sensibilisiert sind im Einsatz, als sie es zu Hause sind und dadurch natürlich auch konkreter noch mal fragen, zum Beispiel nach ethnischen Fragen, also wie geht denn das, warum kommt so ein Krieg überhaupt zustande, das kann man alles in politischen Seminaren vorher klären, und dann sitzt man vor Ort und muss zum Beispiel als deutscher Soldaten ein, zwei, drei serbische Frauen in ihrem kleinen Ort schützen vor den Kosovaren, das ist ja die Wirklichkeit, die sich im Kosovo an der einen oder anderen Stelle stellt. Und dann kommt zum Beispiel der Wunsch nach einem interreligiösen Seminar oder so was auf, also wo man dann auch sehr konkret Hilfestellung leisten kann über das Einzelgespräch hinaus noch mal in die Gruppe hinein wirken kann.

    Junge Soldaten aus den neuen Bundesländern, die eigentlich beim Bund nur Geld verdienen wollen, da ihnen sonst kein Arbeitsplatz winkt, sehen sich plötzlich vor ungelösten Fragen. Dann suchen sie den Geistlichen auf, auch, wenn sie nicht zu einer Kirche gehören, wie Paul Peter Gregor, Standortpfarrer in Torglow-Neubrandenburg, berichtet:

    Das ist eine substantielle Frage: Ich habe die Nase voll, andauernd in die Länder zu gehen, die um einen Gottglauben sich gegenseitig die Birne einhauen. Da haben wir’s als Ungetaufte, als die, die nicht an Gott glauben, doch wesentlich einfacher. Wir gehen in Kosovo, wir gehen nach Afghanistan, und immer dieser Religionsstreit, so wird doch argumentiert, immer diese Auseinandersetzung zwischen den Weltreligionen. Wo sie wieder differenzieren müssen, wo sie wieder versuchen müssen runterzufahren.

    Auch an ihren Standorten sind die Pfarrer mit den Problemen konfrontiert, in der Vorbereitung der Soldaten auf einen Auslandseinsatz ebenso wie bei der Aufarbeitung der Erlebnisse nach deren Rückkehr. Da sind auch die weiblichen Seelsorger gefragt, denen, bislang jedenfalls, die persönliche Erfahrung eines eigenen Einsatzes im Ausland fehlt. So sieht sich die katholische Pastoralreferentin am Standort Koblenz, Annegret Henkel, gefordert, die Diskrepanz zwischen idealer Theorie and drastischer Praxis zu erklären:

    Und zwar friedensethische Fragen, ausgehend von der Prämisse, Frauen und Kinder sind das Gut, das für uns immer schützenswert gewesen ist. Und auf einmal kommen wir jetzt in den Einsatz. Und es kann durchaus sein, dass wir auf Kinder und Frauen schießen müssen, wenn Kinder Heckenschützen sind auf dem Balkan oder Kindersoldaten im Kongo oder Schwarze Witwen, je nachdem, und das ist für viele Soldaten ein Problem.

    Einem Außenstehenden, der über die Krisen der Welt nachdenkt, kommt dabei kaum in den Blick, in welch absurden Situationen sich deutsche Soldaten, etwa in Afghanistan, vorfinden können.

    Die Soldaten, die heute zu uns kommen, fragen, na ja, ist es denn richtig, wenn wir uns einsetzen für eine Rechtsordnung, die nach der Scharia ausgelegt ist. Oder wenn wir uns dafür einsetzen, um den Mohnanbau in bestimmten Regionen dieser Welt zu stärken und den Opiumhandel, der daraus erfolgt? Das sind berennende Fragen, mit denen kommen heute Soldaten zu uns in die Seelsorge und sagen, was sollen wir tun, was müssen wir tun, was dürfen wir tun?

    Weiß Horst Scheffler, evangelischer Militärpfarrer und Direktor des Militärgeschichtlichen Forschungsamts in Potsdam. Doch es sind nicht nur die ethischen und die politischen Fragen, die die Soldatinnen und Soldaten das Gespräch mit dem Seelsorger suchen lassen. Gar nicht so selten sind nach den Berichten der Pfarrer ganz unmittelbar persönliche Probleme.

    Die Militärseelsorge im Auslandseinsatz ist sehr wichtig. Wobei jetzt nicht so sehr jetzt religiöse Anfragen im Vordergrund stehen, sondern eher menschliche. Die Soldaten, die unter einer gewissen Entfernung, wenn sie verheiratet sind, von Ehefrau, von Familie, leiden, die auch eine Freundin zu Hause haben oder Soldatinnen einen Freund oder irgendwelche anderen enge Beziehungen, leben in der großen Sorge, dass in ihrer Abwesenheit diese Beziehung brüchig werden könnte oder gar zerbrechen kann.

    Hat Militärbischof Walter Mixa während seiner Truppenbesuche bei den deutschen Kontingenten im Ausland erfahren.

    Und deshalb ist der Militärgeistliche der gesuchte Gesprächspartner. Zum Pfarrer kann man eben immer gehen, er muss den Mund halten von Amts wegen, ganz einfach gesagt, und man kann sich bei ihm vertrauensvoll aussprechen.

    Die seelsorgerliche Schweigepflicht, auf der das Vertrauen der Soldaten fußen kann, begründet sich nicht allein in ihrer Eigenschaft als Geistlichen, sondern auch im besonderen Status der Militärpfarrer. Sie sind zwar in der Regel Staatsbeamte auf Zeit und stehen auf der Gehaltsliste des Verteidigungsministeriums, aber sie sind nicht in die militärische Hierarchie eingebunden. Das unterscheidet Militärseelsorge in der Bundeswehr von der in allen anderen Armeen der Welt. Die Militärbischöfe, die die kirchliche Verantwortung tragen, stehen in keinem Dienstverhältnis zum Staat, sie werden von ihren Kirchen mit der Aufgabe betraut und übernehmen sie zumeist im Nebenamt, so ist der katholische Bischof Walter Mixa Oberhirte des Bistums Eichstätt und sein evangelischer Kollege Peter Krug Bischof der Lutherischen Kirche in Oldenburg.

    Die vom Staat gewünschte und unterstützte Militärseelsorge wird von der katholischen und der evangelischen Kirche autonom geleistet. Herausragendes Merkmal der staatskirchenrechtlichen Vereinbarungen ist die Unabhängigkeit des kirchlichen Auftrags.

    Betont Alice Greyer-Wieninger, Ministerialdirigentin im Verteidigungsministerium.


    Die Militärgeistlichen wie die Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten sind bei der Erfüllung ihres geistlichen Auftrages frei von staatlicher Einflussnahme. Als Teil der kirchlichen Arbeit ist die Militärseelsorge wichtiger Bestandteil der Gesamtseelsorge. Ihr Inhalt wird ausschließlich von den Kirchen bestimmt.

    Auf dieser rechtlichen Grundlage können die Militärpfarrer frei von militärischen Anweisungen sich den Fragen, Konflikten und Problemen der Soldatinnen und Soldaten zuwenden. Gerade in den Auslandseinsätzen fangen die Militärseelsorger so viele Probleme auf. Daher schätzen die Truppenkommandeure vor Ort diesen Dienst der Kirchen sehr hoch ein. Und auch die politische Führung der Bundeswehr, die von den Anfängen an das eigene Konzept der deutschen Militärseelsorge stets positiv gewürdigt hat, bekundet deren Bedeutsamkeit gerade für die NATO- und UN-Einsätze. Alice Greyer-Wieninger von der Bonner Hardthöhe:

    Die Militärseelsorge hat sich bei internationalen Einsätzen der Bundeswehr seit ihren Anfängen in Kambodscha und Somalia in den unterschiedlichen Missionen im ehemaligen Jugoslawien, in Afghanistan, Usbekistan, am Horn von Afrika und im Mittelmeer hervorragend bewährt. Mehr als das: Die seelsorgerische Begleitung der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr durch Militärgeistliche wird von allen Betroffenen und der politischen Führung der Bundeswehr als unverzichtbar angesehen.

    Die Militärseelsorge trage so mit zu der breiten gesellschaftlichen Zustimmung bei, die die Einsätze zur internationalen Friedenssicherung erführen.

    Wer bereit ist, in letzter Konsequenz mit Leib und Leben für Frieden und Freiheit einzustehen, der hat auch Anspruch auf uneingeschränkte Unterstützung. Beide Kirchen - die katholischen und die Evangelische Kirche in Deutschland - bekennen sich zum friedenstiftenden und friedenserhaltenden Auftrag des soldatischen Dienstes. Sie geben unseren Soldaten damit den notwendigen inneren Halt.

    Solche ernst gemeinten Feststellungen rufen allerdings auch Kritiker auf den Plan. Die grundsätzliche Skepsis der christlichen Friedensbewegung, die sie gegenüber militärischen Einsätzen zur Konfliktprävention oder zur Beendigung ethnischer Gewaltausbrüche hegt, bezieht auch die Militärseelsorge ein.

    Ist Militärdienst Friedensdienst? Geht ein beamteter christlicher Amtsträger als Militärseelsorger in den Dienst des Militärs, um dessen Legitimation zu erhöhen, sei es auch nur indirekt, oder um den Soldaten seelischen und menschlichen Beistand zu geben? Wie weit werden sie auch benutzt durch politische Zwecke?

    Geht etwa der Generalsekretär der katholischen Friedensbewegung "Fax Christi", Reinhard Voß, die Geistlichen direkt an.

    Sie haben als Militärseelsorger diese Frage immer klar beantwortet im Sinne der Seelsorge am Menschen und erreichen nach ihren Angaben ja auch immer mehr nichtchristlich geprägte Soldaten. Aber sind sie sich auch der politisch legitimatorischen Folgen dieser organisatorischen Einbindung unter den kommenden neuen Verhältnissen von Einsatzarmeen bewusst und welche Konsequenzen ziehen sie daraus gegebenenfalls?

    Der Sprecher der kirchlichen Friedensgruppen verlangt zwar nicht das Ende der Soldatenseelsorge, wohl aber dass die Militärpfarrer nicht unkritisch die Einsätze begleiten und sich an der nötigen politischen Debatte aktiv beteiligen.

    Kann Kirche und Militärseelsorge dazu beitragen, aus dem traditionellen Instrument Militär, das historisch in den meisten Fällen immer ein Macht- und Expansionsinstrument war, ein nicht mehr national souverän, sondern nur noch mit UN-Mandat einsetzbaren Teil internationaler Friedenstruppen zu entwickeln? Da Militärseelsorge an der Schnittstelle zwischen staatlichem Auftrag und Interesse, persönlichem Einsatz und kirchlicher Friedensethik arbeitet, muss sie sich auch an dieser politischen Debatte beteiligen, zumal sie organisatorisch und finanziell mit dem staatlichen System verknüpft ist.

    Freilich muss Voß einräumen, dass die Militärseelsorge gerade im Blick auf die Auslandseinsätze ihre Unabhängigkeit in kritischen Einschätzungen bekundet hat.

    Durch eine fehlende Auseinandersetzung mit der strukturell politischen Ebene würde sich die Militärseelsorge ihrer Möglichkeiten politischen Einflusses eher begeben. Erstmals ist dieser Ansatz für uns spürbar geworden bei internen Einsprüchen vor dem Jugoslawien-Krieg gegenüber dem Verteidigungsministerium, danach in offenen Anfragen des Militärbischofs Mixa gegen den Afghanistan-Krieg, der sagte, wir haben den Kosovo- bzw. Jugoslawen-Krieg friedensethisch eigentlich nicht aufgearbeitet und stimmen nun schon wieder einem Krieg zu Und schließlich im Einspruch der gesamten Kirche, ja Christenheit gegen den illegalen Irak-Krieg.

    Militärbischof Walter Mixa hat wohl deutlicher als seine Vorgänger Fragezeichen gesetzt und damit ein ums andere Mal die Öffentlichkeit überrascht.

    Wir begleiten unsere Soldaten mit unseren Militärpfarren im Auslandseinsatz. Ich bin aber davon auch immer ausgegangen mit der kritischen Anfrage, ob sich unsere Parlamentarier, also diejenigen, die gewählte Vertreter des bundesdeutschen Volkes sind, sich auch immer ganz klar sind über die Notwendigkeit, dann über die Bedeutung auch des soldatischen Auslandseinsatzes, warum und mit welchem Ziele Soldaten der Bundeswehr Deutschland im Auslandseinsatz eingesetzt werden.

    Nicht die Militärseelsorge liefert für Mixa die ethische Rechtfertigung für den jeweiligen Einsatz. Seine Legitimation liegt auch nicht im möglichen Erfolg, sondern im militärischen Auftrag selbst,

    dass beispielsweise in Bosnien-Herzegowina oder auch in Afghanistan, dann nach dem Niederschlagen von Terrorakten oder von Bürgerkriegen solche Strukturen geschaffen werden, die allmählich den Frieden entwickeln. Das würde ich schon als eine ganz entscheidende Voraussetzung und Notwendigkeit auch ansehen wollen für einen berechtigten Einsatz unserer Soldaten im Ausland.

    Es muss durch das militärische Engagement und nach seinem Ende im Einsatzgebiet mehr Frieden herrschen als zuvor. Daher sieht auch der evangelische Militärbischof Peter Krug in dem sehr respektablen Auftreten der rund 8000 deutschen Soldatinnen und Soldaten im Ausland keinen Anlass, weniger scharf hinzusehen. Sogar in seinem auf die Soldaten bezogenen Amt, das er erst seit einem knappen Jahr innehat, relativiert er selbst militärische Friedenseinsätze als ultima ratio.

    Klar ist doch erst mal, dass wir alle darum bemüht sind, so viel Frieden zu stiften, wie es irgendwo geht in der Welt. Das ist die oberste Aussage, und so viel Frieden zu stiften mit so viel wie möglich friedlichen Mitteln. Und wenn das alles nicht funktioniert, aus welchen Gründen auch immer, dann kommt die Frage, kann man, muss man, soll man auch mit militärischen Mitteln irgendwo eingreifen.

    Selbst wenn Deutschland sich nicht aktiv am Irak-Krieg im vergangenen Jahr beteiligt hat, will Krug diesen Waffengang und seine Folgen als Anstoß genommen sehen, nicht vorschnell wie im ehemaligen Jugoslawien, sondern eher bedächtig die Bundeswehr zu entsenden.

    Das macht uns natürlich alle sehr, sehr nachdenklich im Blick auf zukünftige Einsätze, wenn dann gesagt wird oder suggeriert wird, da müsste also präventiv gearbeitet werden. Das muss drei- oder viermal besser abgesichert sein, damit es wirklich moralisch und friedensethisch einigermaßen vertretbar ist. Also, da gehe ich davon aus, dass in unseren Kirchen mindestens so stark das Nachdenken betrieben wird wie in anderen Bereichen unserer Gesellschaft.