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Zwischen Kostendruck, Sicherheit und Qualität

Die Kunden freut es, die Hersteller weniger: Viele Lebensmittel sind in den letzten Jahren immer billiger geworden. Doch manche Käufer werden den Verdacht nicht los, dass die Welle von Sonderangeboten auf Kosten der Sicherheit gehen könnte. Viele Verbraucher orientieren sich an Qualitätssiegeln, von denen es mittlerweile eine kaum übersehbare Fülle gibt. Wie Lebensmittel trotz Kostendrucks sicherer gemacht werden können, das war Thema einer Veranstaltung an der Universität Göttingen.

Von Carolin Hoffrogge |
    Biosiegel, QS-Siegel, Markensiegel, regionale Siegel - hinzu kommen noch ausländische: Die Welt der Siegel ist groß und für viele Verbraucher zu unübersichtlich, sagt Kristian Möller vom Institut EurepGap aus Köln. Mit mulitnationalen Nahrungsmittelherstellern entwickelt Kristian Möller eine internationale Dachmarke, die hohe Qualität verspricht:

    Dieser Standard ist mittlerweile in 55 Ländern weltweit mit über 25.000 Betrieben erst mal im Obst- und Gemüsebereich durch neutrale Kontrolle umgesetzt. Das ist aber auch für alle anderen Produktbereiche Kaffee, Zuchtlachs, Palmöl und auch tierische Produkte, zusätzliche Getreide und Futtermittel. Diese Standards enthalten Lebensmittelsicherheitsaspekte, Umweltschutzaspekte, soziale Aspekte, aber auch Tierschutzaspekte. Das heißt alles zusammengenommen, weil wir natürlich nicht wollen, dass man zehn verschiedene Kontrollen hat. Der eine kommt für den Tierschutz, der Nächste kommt für Pflanzenschutzmittelanwendungen.

    Viele verarbeitete Lebensmittel haben Inhaltsstoffe aus vielen Ländern in sich. Marmelade zum Beispiel: Der Farbstoff kommt aus Irland, der Zucker aus Indonesien, die Früchte aus Polen. Da braucht es eine weltweite Anerkennung von Qualitätsstandards, damit die Lebensmittelsicherheit gewährleistet ist, unterstreicht Agrarökonom Möller:

    Es gibt also da Verfahren, wo man jetzt sagt, ich habe jedes Detail miteinander verglichen. Und dann haben wir einen Vertrag, dass wir sagen: "Wenn du das so machst, dann kannst du bei mir in das System einliefern, dann hast du meinen Qualitätsstandard, dann muss ich nicht noch mal extra kommen, um zu prüfen."

    Wie wichtig mittlerweile die Rückverfolgbarkeit bei Lebensmitteln ist, zeigt zum Beispiel die jüngste Diskussion um die Dioxineier hierzulande. Auf welchem Betrieb wurden die Eier gelegt, in welchen Kuchen wurden sie weiterverarbeitet. Das Gleiche gilt bei Milchprodukten, Fleischwaren, Obst oder Gemüse, sagt Xavier Gellynck, Professor für Agrarökonomie an der Universität Gent in Belgien. Gellynck hat Betriebe untersucht, die in gewiefte Computerprogramme bis zu 250.000 Euro investiert haben, um eine hohe Transparenz ihrer Produkte herzustellen. Sein Ergebnis:

    Es dauert nicht mal ein, Jahr bis sich diese investierten Kosten auszahlen. Ein Beispiel ist die belgische Brauerei Mortkat. Sie produziert obergäriges Bier, das in ganz Europa getrunken wird. Betrachten wir nur die Einsparungen beim Wasserverbrauch, bei den Reinigungsmitteln für die Maschinen oder bei den Arbeitsstunden hat es sich voll gelohnt, in die Programme für Rückverfolgbarkeit zu investieren.
    Aber es ist nicht immer einfach, die Betriebe von der Notwendigkeit interner Kontrollsysteme zu überzeugen, erzählt der Ire Seamus O‘Reilly von der Universität in Cork. Er untersuchte irische Hersteller von Zusatzstoffen. Unternehmen, die Lebensmittelfarben herstellen oder aus Milch und Fleisch Eiweiße extrahieren, um sie als Textur für Joghurt oder Pudding zu liefern.

    Wir haben sehr kleine Unternehmen mit zehn Mitabeitern untersucht, um zu sehen, ob sie bezüglich der Qualitätsstandards mit den großen mithalten können. Denn immer wieder taucht das Argument auf, dass Kontrollsysteme zu teuer sind, die Bereitschaft, sie einzurichten, deshalb niedrig. Und tatsächlich unsere Studie ergibt: ob teure Qualitätsprogramme eingerichtet werden, hängt ganz stark von der Größe des Betriebes und seiner Firmenphilosophie ab.
    Wie erkennt der Verbraucher eigentlich Qualität und nach welchen Kriterien entscheidet er sich? Dieser Frage geht die Juniorprofessorin Meike Bruhn von der Universität Kiel nach. Sie befragte 70 Personen intensiv zur Qualität von Schweinefleisch und Kartoffeln:

    Wir haben unsere Verbraucherbefragung in diversen Einkaufsstätten vom Discounter bis zum Verbrauchermarkt durchgeführt. Und haben dann da nach den jeweiligen Eigenmarken der Läden gefragt, halt Markenfleischprogramm in dem Fall vorliegen würde. Die Ergebnisse waren doch erschreckend, dass die Marken nicht genannt werden konnten. Oder sie konnten genannt werden, aber die Einkaufsstätte nicht zugeordnet. Was letztendlich dem Supermarkt auch nichts nützt.