"Jetzt, man sieht schon, wie was hoch kommt. Man sieht den Dampf hochkommen - auf der rechten Seite geht der Dampf hoch.
Jetzt geht es auf der zweiten Seite hoch -
Jetzt sieht man das Ganze hochkommen.
Wahnsinn. Zack - da geht er hoch.
Aber man hört noch nichts. Man sieht es nur groß aufsteigen -
Jetzt kommt der Schall an. - Da geht es hoch - es dreht sich leicht zur Seite weg. Es geht nach hinten weg - jetzt in der Rücklage. Man kann kaum in den Feuerstrahl gucken, so hell ist das Ganze..."
Eine US-Raumfähre stemmt sich vom Kennedy Space Center in Florida in den Himmel - selbst sechs Kilometer von der Startrampe entfernt bebt der Boden. Im April 2001 flog als erster Astronaut der europäischen Weltraumagentur ESA der Italiener Umberto Guidoni zur Internationalen Raumstation ISS. Die Raumstation kreist in 350 Kilometern Höhe um die Erde. Wollen Europas Astronauten dorthin, müssen sie einen Unweg nehmen: Entweder über Florida oder über Baikonur, den russischen Startplatz in Kasachstan. Einen eigenen Zugang ins All hat Europa nicht – jedenfalls nicht für Astronauten.
Für Satelliten sieht das anders aus. Seit 1979 hebt Europas Ariane-Rakete regelmäßig in den Weltraum ab – vom Startplatz in Kourou aus, in Französisch-Guyana in Südamerika. Die mittlerweile 5. Generation der Ariane-Rakete steht exzellent da, lobt Evert Dudok, Chef des europäischen Konzerns EADS Space, sein Produkt.
"Ariane hat einen Riesenerfolg in diesem Jahr. Vier erfolgreiche Starts, acht Satelliten nach oben gebracht und es werden noch zwei weitere folgen."
Nach einem schweren Startunglück vor drei Jahren ist Europas Rakete wieder Marktführer im weltweiten Geschäft beim Start kommerzieller Satelliten. Doch wie geht es mit der Ariane weiter? Wie soll sich Europas Raumfahrt langfristig entwickeln? Welche Ziele hat der alte Kontinent im All? Diese Fragen müssen die für die Raumfahrt zuständigen Minister der 17 europäischen Staaten beantworten, die sich in der ESA, der European Space Agency, zusammengeschlossen haben. Am kommenden Montag und Dienstag werden sie in Berlin dazu tagen. Solche Treffen finden alle zwei bis drei Jahre statt.
"Der ESA-Ministerrat soll ja insgesamt 3 Milliarden Euro ESA-Budget pro Jahr beschließen in allen Feldern von Wissenschaft, Erdbeobachtung, Telekommunikation, natürlich auch bemannte Raumfahrt, also auch Raketen und Raketenentwicklung. Unser Problem ist, dass für die Entwicklung kein Geld hat. Also für die Entwicklung der Nachfolgegeneration der Ariane ist im Moment kein Geld da. Langfristig ist eine Produktion der Ariane ohne eine Entwicklung nicht aufrechtzuerhalten. Wir reden ja über ein Hightech-Produkt. Ohne Entwicklung werden wir langfristig keinen eigenen Zugang zum Weltall haben."
Vor drei Jahren stand die Ariane vor dem Aus: Der Fehlstart und ein zusammengebrochener Satellitenmarkt machten einen wirtschaftlichen Betrieb damals unmöglich. Politik und Industrie kamen überein, die am Bau der Ariane beteiligten Firmen unter dem Dach des europäischen EADS-Konzerns zu sammeln. Im Gegenzug griffen die ESA-Minister der Industrie kräftig unter die Arme, erinnert sich Konzernsprecher Mathias Spude:
"Vor dem Hintergrund des sehr verzerrten Wettbewerbs mit den amerikanischen Partnern, die durch Staatsaufträge - Militärsatelliten, zivile staatliche Satelliten - grundausgelastet sind, haben die europäischen Forschungsminister ein Abnahmeprogramm oder ein Garantieprogramm verabschiedet, mit dem neudeutschen Titel "European Guaranteed Access to Space", also garantierter, sicherer Zugang Europas zum Weltraum. Vom Ergebnis her garantieren die europäischen Regierungen die Abnahme von zwei bis drei Ariane pro Jahr, so dass gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen Europäern und Amerikanern wieder hergestellt sind."
Das damals zur Rettung der Ariane ausgegebene Geld fehlt der ESA nun für die Weiterentwicklung. Die betroffenen Raketeningenieure kämen wohl fast alle beim Flugzeugbauer Airbus unter – doch Europa verlöre seine Kompetenz in der Raketentechnik. Gäbe es in einigen Jahren vielleicht wieder Geld für weitere Entwicklungen, wäre dann niemanden mehr da, der auf diesem Gebiet arbeiten könnte. Deshalb setzen ESA und Industrie auf die Einsicht der Minister, so Evert Dudok:
"Wir reden über einen Beitrag von Deutschland von ca. 50 Millionen Euro und das erhoffen wir aus dem Innovationsbudget des Koalitionsvertrages zu bekommen. Diese 50 Millionen sind jährlich wiederkehrend. Die Franzosen werden etwa das Doppelte dazu beitragen müssen, um dann im europäischen Verbund die zukunftsträchtige Entwicklung im Bereich der Ariane aufrechtzuerhalten."
Frankreich finanziert knapp die Hälfte der ESA, Deutschland kommt für gut 20 Prozent auf. Bei den ESA-Gesprächen in der kommenden Woche erlebt Deutschland eine doppelte Premiere. Erstmals ist nicht mehr das Forschungsministerium für die Raumfahrt zuständig, sondern das Wirtschaftsministerium. Und zum ersten Mal wird Minister Michael Glos dabei sein – der gleich turnusgemäß dem ESA-Ministerrat vorsitzt. Für den Neuling im Club der Raumfahrtminister – eine Bürde und Chance zugleich: Verspielt er den Zugang Europas in den Weltraum oder schafft er einen Befreiungsschlag für neue Innovationen?
Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit hat Europa bei seinen Weltraumaktivitäten längst Weltklasse erreicht: Seit zwei Jahren kreist eine Raumsonde um den Planeten Mars, im Januar dieses Jahres ist die Huygens-Kapsel auf dem fernen Saturnmond Titan gelandet und hat Bilder einer völlig unbekannten Welt zur Erde gefunkt – und seit drei Wochen ist die Sonde "Venus Express" zu unserem inneren Nachbarplaneten unterwegs. Doch der von europäischen Satelliten am meisten erforschte Himmelskörper liegt uns viel, viel näher...
"Wir konzentrieren uns auf den dritten Planeten unseres Sonnensystems, den einzigen von dem wir wissen, dass er bewohnt ist: Das ist die Erde."
Volker Liebig, Direktor des Erdbeobachtungsprogramms der ESA:
"Wir haben das Living Planet Programme am Laufen, in dem wir sehr interessante Wissenschaftsmissionen machen. Im Moment ist unser Arbeitspferd der Envisat-Satellit, der seit 2002 im Orbit ist und an dem über 1000 Wissenschaftler arbeiten."
Envisat beobachtet per Radar auch durch dicke Wolken die Erdoberfläche, er vermisst die Meereshöhe sowie die Oberflächentemperatur von Ozeanen und Kontinenten, er bestimmt die Biomasse im Meer und die Verschmutzung der Flüsse, oder: er untersucht die Chemie der Atmosphäre. Auf der Basis dieser Erfahrungen baut die ESA nun eine ganze Reihe kleinerer Satelliten, die sich jeweils einem ganz bestimmten Thema des "lebenden Planeten" widmen werden, um so unsere Erde noch besser zu verstehen. Der erste Satellit dieser Reihe hätte Cryosat sein sollen, er sollte die polaren Eismassen untersuchen. Doch der Start Anfang Oktober mit einer kleinen russischen Rakete missglückte. Die ESA-Forscher hoffen jetzt auf grünes Licht, den Satelliten nachbauen zu dürfen.
Bei der Erdbeobachtung will die ESA nun weit über die reine Wissenschaft hinausgehen und die Daten für eine Vielzahl von Anwendungen nutzen, betont ESA-Generaldirektor Jean-Jacques Dordain:
"Gemeinsam mit der Europäischen Union entwickeln wir gerade das GMES-Programm, das Globale Überwachen für Umwelt und Sicherheit. Der erste Teil dieses Programms soll in der kommenden Wochen beschlossen werden. Das ist die Zukunft! Ich habe keinerlei Zweifel, dass wir künftig sowohl wissenschaftlich ganz vorn mit dabei sind als auch bei der Nutzung dieser Daten. Natürlich gibt es da Verbindungen. Denn die praktische Nutzung hängt immer mit dem Fortschritt der wissenschaftlichen Erkenntnis zusammen."
Für GMES werden von Envisat bewährte Messinstrumente auf vielen kleineren Satelliten eingebaut, die uns täglich mit Daten beliefern sollen. Auch Bilder des Wettergeschehens waren Anfang der 70er Jahre ein rein wissenschaftliches Thema. Heute sind Satellitenbilder aus der Meteorologie nicht mehr wegzudenken. Einen ähnlichen Sprung erhofft sich Volker Liebig von seinem Erdbeobachtungsprogramm, dessen Daten bereits jetzt viele Interessenten nutzen:
"Zum Beispiel Dienste, um Ölverschmutzung im Meer zu detektieren, auch Schiffe festzustellen, die das Meer verschmutzen, oder um bei Überschwemmungen schnelle Daten zu liefern. Denn Radar kann auch durch Wolken sehen, wenn es regnet, so dass man dort Radar braucht. Oder auch das Führen von Schiffen auf optimalen Kursen durch das Meer, um Treibstoff zu sparen oder auch um See-Eis festzustellen, um zu sagen, wo ist die Ostsee zugefroren oder wo kann das Schiff fahren. Das sind ganz praktische Anwendungen."
Bei der Erdbeobachtung kommen drei Dinge ideal zusammen: Technologie, Wissenschaft und Anwendung. Sinnvoll ausgestattete Satelliten erlauben herausragende Forschungsarbeit, deren Daten für viele praktische Dinge zu nutzen sind.
"Wir haben in der Zwischenzeit 250 europäische operationelle Organisationen, die die Daten nutzen. Das geht los mit vielen Umweltämtern, das sind aber auch Stadtverwaltungen. Wir können vom Satelliten aus in der Zwischenzeit messen, ob sich Gebäude um Millimeter oder Zentimeter absenken oder ob sie steigen. Das hat damit zu tun, wenn man eine U-Bahn baut oder im Untergrund Grundwasser entzieht, das ist wichtig für viele Stadtplanungen. Andere sind für die Schifffahrt zuständige Organisationen, die zum einen für die Verschmutzung zum anderen aber auch für die Sicherheit der Schifffahrtswege unsere Daten brauchen."
Bisher hängt das alles im Wesentlichen an Europas vielseitigem Satelliten Envisat. Doch Satelliten arbeiten nicht ewig – in etwa fünf Jahren wird Envisat seinen Betrieb einstellen müssen. Damit die öffentlichen und privaten Nutzer dann nicht leer ausgehen, muss schleunigst ein Nachfolgeprogramm auf den Weg gebracht werden.
Die Europäische Union hat die Bedeutung der Erdbeobachtung erkannt – übrigens ist auch in der EU-Kommission nicht der Forschungskommissar für die Raumfahrt zuständig, sondern der Industriekommissar Günter Verheugen. Da nicht alle ESA-Staaten zur EU gehören und umgekehrt, ist das GMES-Programm für Umwelt und Sicherheit ein Gemeinschaftsprojekt von EU und ESA, was nun zum Hemmschuh zu werden droht, fürchtet Volker Liebig:
"GMES ist das zweite Flagship der Zusammenarbeit zwischen EU und ESA, nach Galileo, dem europäischen Navigationssystem. Wir warten dringend auf eine Entscheidung über die Budgets der EU, denn nur danach können wir beginnen, wirklich konkret zusammenzuarbeiten. Das ist auch der Grund, warum wir in Berlin zunächst eine Phase 1 vorschlagen, die uns über die nächsten zwei Jahren bringen wird, bis wir wissen, welche Budgets die EU zur Verfügung hat."
Schon beim Satellitennavigationssystem Galileo arbeiten ESA und EU eng zusammen. Galileo soll dem vom US-Militär betriebenen Global Positioning System/GPS Konkurrenz machen und sicher verfügbar sein. Am 2. Weihnachtstag soll der erste Galileo-Testsatellit ins All abheben. Galileo ist längst beschlossen – der fehlende EU-Haushalt hindert dieses Programm nicht.
Doch die Erdbeobachtung aus dem All duldet kaum einen Aufschub – andernfalls können die neuen GMES-Satelliten Envisat nicht ablösen, sondern kämen erst einige Jahre nach seinem Ausfall. Die Nutzer auf der Erde hätten schmerzliche Datenlücken hinzunehmen – und Europas Bürger müssten zum Beispiel fehlende Informationen bei Überschwemmungen buchstäblich ausbaden...
Mögen Navigation und Erdbeobachtung wichtig und sinnvoll sein – ein echter Publikumsrenner ist solch ein Thema nicht. Raumfahrt verbinden viele mit dem Vordringen in neue unbekannte Welten im Planetensystem. Europa hat gerade in den vergangenen Jahren bewiesen, wie gut es auch in diesem Bereich ist – und die ESA hat unter Jean-Jacques Dordain weiter Großes vor:
"Die Mars Mission ExoMars ist fast beschlussreif, ein automatisches Fahrzeug, das auf der Mars-Oberfläche arbeiten soll. Ich bin zuversichtlich, dass wir uns kommende Woche darauf einigen werden. Doch die Erkundung des Weltraums beschränkt sich nicht nur auf den Mars. Da geht es um etliche weitere Missionen, vor allem um Missionen zum Mond, aber darüber wird noch diskutiert."
Derzeit kreist Europas Raumsonde Mars Express um den roten Planeten. Ab dem Jahr 2011 soll ExoMars als rollendes Laboratorium über die Oberfläche des Mars kreuzen und nach Spuren von Leben suchen. Die beiden aktuellen NASA-Rover auf dem Mars sind Geologie-Missionen – der Frage nach Leben auf dem Mars gehen sie nicht nach. Erst gerade eben hat die ESA auf einer Art Bilanzpressekonferenz noch einmal die neusten Ergebnisse ihre planetaren Sonden Huygens und Mars Express vorgestellt – sicher nicht zufällig so kurz vor dem Treffen der Minister. Denn im Weltraum kennt man keine Grenzen: Das Aurora-Programm der ESA sieht eine zielgerichtete Erforschung des Planetensystems vor, zunächst mit automatischen Sonden. Nach dem Jahr 2020 sollen europäische Astronauten aber auch zum Mond und später gar zum Mars fliegen. Eine schöne Idee, aber wie soll das gehen? Die NASA hat schon klar gemacht, dass sie bei ihren eigenen Mondplänen europäische Astronauten nicht mitnehmen wird.
Will Europa ernsthaft bei den Großen mitspielen, braucht es ein eigenes Gefährt für Astronauten. Eine reine Eigenentwicklung wird nicht zu bezahlen sein, aber gerade jetzt ergibt sich eine interessante Perspektive, erklärt Alain Fournier-Sicre, der ESA-Repräsentant in Moskau:
"Wir schlagen dem Ministerrat vor, sich an der Entwicklung und dem Bau des "Kliper" in Russland zu beteiligen. Der Kliper wird ein Raketenfahrzeug für sechs Astronauten – es transportiert nur Menschen, kein Material. Das ist ein sehr wichtiges Programm für die Zukunft, zum Beispiel auch für einen Flug zum Mond."
Das Kliper-Projekt steckt noch ganz in den Anfängen. Sollte Europa sich jetzt zu einer Teilnahme entschließen, wäre man von Beginn an echter Partner. Schon einmal wollte die ESA an einem bemannten Fluggerät mitarbeiten, am Crew Return Vehicle der NASA für die Internationale Raumstation. Europa hätte nur wenige Teile bauen dürfen - doch das Programm ist ohnehin vor einigen Jahren von der NASA einseitig eingestellt worden. Für die europäische Raumfahrtindustrie ergibt sich nun vielleicht eine zweite Chance, hofft Evert Dudok von EADS Space:
"Den bemannten Zugang zum All wird Europa sicher nicht unbedingt selber nachentwickeln wollen. Wir würden aber gerne in einer Kooperation mit Russland dabei sein oder auch mit Amerika. Bei Kliper würden wir in Bremen gerne die Kabine leiten und vielleicht in Frankreich einen zweiten Teil. Wir würden uns wirklich wünschen, dass Deutschland auch bei Kliper mit einem ersten kleinen Beitrag, wir reden über 10 Millionen Euro, in einem Zeitraum von zwei drei Jahren, dass wir wirklich da auch zeichnen."
Noch ist es viel zu früh, das Kliper-Projekt endgültig zu entscheiden. Aber ein positives Votum kommende Woche brächte die notwendigen Vorstudien in Gang. Auf deren Basis ließe sich dann in zwei bis drei Jahren definitiv entscheiden, ob Europa gemeinsam mit Russland eine bemannte Rakete baut. Europa wäre erst damit im Club der "richtigen" Weltraummächte. Derzeit sind nur die USA, Russland und China in der Lage, Menschen ins All zu befördern. Europa hätte das technische Potential, aber: bemannte Flüge waren bisher politisch nicht gewollt.
Eine etwas verworrene Situation: Denn zugleich ist Europa 10-prozentiger Partner der Internationalen Raumstation, einem etwas glücklosen Projekt. Den Amerikanern ist die Lust an der Raumstation vergangen, die Russen haben kaum noch Geld und Europa steht etwas hilflos da, ist man doch auf die Hilfe der Partner angewiesen. So steht Europas Weltraumlabor Columbus noch immer in einer Halle in Bremen und wartet auf einen Shuttle-Flug. Erst mit Columbus könnte Europa seine wissenschaftlichen Ambitionen auf der Raumstation verwirklichen, betont Ernst Messerschmid, einst als D2-Astronaut selbst im Weltraum, heute Professor für Raumfahrttechnik an der Universität Stuttgart:
"Zur Raumstation ist es eben sehr, sehr, sehr wichtig, dass man nicht die Flinte ins Korn wirft, dass man auf höchster politischer Ebene den Amerikanern sagt, dass sie nicht einseitig bestimmte Dinge nun verändern. Wir brauchen mindestens zehn bis 16 Flüge des Shuttle, damit wir sicher sind, dass das Columbus-Labor und genügend Ausrüstung aus Europa nach oben kommt. Für uns wäre es eine Katastrophe, würde Columbus nicht mit dem Shuttle transportiert werden."
Da Columbus nur mit dem Shuttle starten kann und nicht mit der Ariane, droht ihm ein Schicksal als Investitionsruine, sollten die Amerikaner ihrer Verpflichtung nicht nachkommen. Die NASA orientiert sich auf Geheiß von Präsident Bush geradezu hektisch in Richtung Mond. Sie unternimmt nur noch das Allernötigste und möchte schnellstmöglich aus dem einstigen Renommierprojekt Raumstation ISS aussteigen, das pro Tag 20 Millionen Dollar verschlingt, die zum größten Teil von den Amerikanern zu zahlen sind.
"Wenn wir nicht anständig das ISS-Programm weiterführen und zu einem bestimmten Abschluss bringen, brauchen wir uns gar keine Gedanken zu machen über weitergehende Missionen vor allem im internationalen Kontext wie bei der Raumstation. Der Erfolg der Raumstation wird essentiell sein für zukünftige Missionen zurück zum Mond. Noch weniger wird es ohne diese Voraussetzung Flüge zum Mars geben oder zu anderen Orten im erdnahen Weltraum."
Die politische Lage ist derzeit etwas unübersichtlich. Nach Chinas Auftrumpfen als dritter Weltraummacht droht nun wieder ein Wettlauf im All, wenn auch sicher nicht ganz so verbissen wie zu Apollo-Zeiten in den 70er Jahren. Bei Kooperationen mit den USA darf Europa gerne das Geld und seine Kompetenz einbringen, wirklich mitentscheiden dürfen die Europäer aber nicht. Bleibt Russland als Partner. Derzeit baut die ESA auf ihrem Ariane-Startgelände in Kourou auf Französisch-Guyana sogar eine Startrampe für die russischen Soyuz-Raketen. Ab 2007 sollen auch russische Raketen von Europas Weltraumbahnhof abheben. Da wäre eine gemeinsam mit Moskau entwickelte Rakete für russische wie europäische Astronauten eigentlich der konsequente nächste Schritt.
Positioniert sich Europa kraftvoll als große Weltraummacht? Oder lassen die Minister der ESA-Staaten in der kommenden Woche die nächste Chance dazu verstreichen? In welcher Rolle sieht sich Deutschland, das zwar weiter an der ESA beteiligt ist, aber seine nationalen Mittel für Raumfahrt in den vergangenen Jahren auf gut 110 Millionen Euro fast halbiert hat? Schon drängt Frankreich in diese Lücke, um sich so eine gute Ausgangslage für künftige ESA-Projekte zu sichern. Ernst Messerschmid warnt:
"Das kann nicht so weiter gehen. Die Halbierung des Raumfahrtbudgets – wie, bitte sehr, wollen die europäischen Politiker das einlösen, was sie in Lissabon postuliert haben, zur dynamischsten wissensbasierten Gesellschaft der Welt zu zählen und dass auch in Zahlen ausgedrückt haben, dass drei Prozent des Bruttoinlandsprodukt in Forschung und Entwicklung ausgegeben werden sollen und dazu kommt auch noch die Definition Europas. Was ist der europäische Traum?"
Kann Raumfahrt vielleicht sogar eines der wenigen Themen sein, das im Stande wäre, Europas Einigung voranzubringen? Ein Thema, bei dem sich alle Bürger Europas wieder finden, ähnlich wie es Apollo für die Amerikaner in den USA gewesen ist? Ein Thema, das junge Leute für Forschung und Technik begeistert und so hilft, Europas Exzellenz in Wissenschaft und Technologie zu erhalten? Der ehemalige Astronaut Ernst Messerschmid wünscht sich, Europa hätte auch mal den Mut, über die Zwei-Drei-Jahresschritte der ESA hinaus zu denken...
"Raumfahrt ist eben der Traum von Fliegen, das Unbekannte, das sind fremde Welten, das ist der genetische Imperativ, nicht stehen zu bleiben, weiter zu forschen, weiter zu entwickeln und da braucht man etwas mehr politische Hilfestellung."
Jetzt geht es auf der zweiten Seite hoch -
Jetzt sieht man das Ganze hochkommen.
Wahnsinn. Zack - da geht er hoch.
Aber man hört noch nichts. Man sieht es nur groß aufsteigen -
Jetzt kommt der Schall an. - Da geht es hoch - es dreht sich leicht zur Seite weg. Es geht nach hinten weg - jetzt in der Rücklage. Man kann kaum in den Feuerstrahl gucken, so hell ist das Ganze..."
Eine US-Raumfähre stemmt sich vom Kennedy Space Center in Florida in den Himmel - selbst sechs Kilometer von der Startrampe entfernt bebt der Boden. Im April 2001 flog als erster Astronaut der europäischen Weltraumagentur ESA der Italiener Umberto Guidoni zur Internationalen Raumstation ISS. Die Raumstation kreist in 350 Kilometern Höhe um die Erde. Wollen Europas Astronauten dorthin, müssen sie einen Unweg nehmen: Entweder über Florida oder über Baikonur, den russischen Startplatz in Kasachstan. Einen eigenen Zugang ins All hat Europa nicht – jedenfalls nicht für Astronauten.
Für Satelliten sieht das anders aus. Seit 1979 hebt Europas Ariane-Rakete regelmäßig in den Weltraum ab – vom Startplatz in Kourou aus, in Französisch-Guyana in Südamerika. Die mittlerweile 5. Generation der Ariane-Rakete steht exzellent da, lobt Evert Dudok, Chef des europäischen Konzerns EADS Space, sein Produkt.
"Ariane hat einen Riesenerfolg in diesem Jahr. Vier erfolgreiche Starts, acht Satelliten nach oben gebracht und es werden noch zwei weitere folgen."
Nach einem schweren Startunglück vor drei Jahren ist Europas Rakete wieder Marktführer im weltweiten Geschäft beim Start kommerzieller Satelliten. Doch wie geht es mit der Ariane weiter? Wie soll sich Europas Raumfahrt langfristig entwickeln? Welche Ziele hat der alte Kontinent im All? Diese Fragen müssen die für die Raumfahrt zuständigen Minister der 17 europäischen Staaten beantworten, die sich in der ESA, der European Space Agency, zusammengeschlossen haben. Am kommenden Montag und Dienstag werden sie in Berlin dazu tagen. Solche Treffen finden alle zwei bis drei Jahre statt.
"Der ESA-Ministerrat soll ja insgesamt 3 Milliarden Euro ESA-Budget pro Jahr beschließen in allen Feldern von Wissenschaft, Erdbeobachtung, Telekommunikation, natürlich auch bemannte Raumfahrt, also auch Raketen und Raketenentwicklung. Unser Problem ist, dass für die Entwicklung kein Geld hat. Also für die Entwicklung der Nachfolgegeneration der Ariane ist im Moment kein Geld da. Langfristig ist eine Produktion der Ariane ohne eine Entwicklung nicht aufrechtzuerhalten. Wir reden ja über ein Hightech-Produkt. Ohne Entwicklung werden wir langfristig keinen eigenen Zugang zum Weltall haben."
Vor drei Jahren stand die Ariane vor dem Aus: Der Fehlstart und ein zusammengebrochener Satellitenmarkt machten einen wirtschaftlichen Betrieb damals unmöglich. Politik und Industrie kamen überein, die am Bau der Ariane beteiligten Firmen unter dem Dach des europäischen EADS-Konzerns zu sammeln. Im Gegenzug griffen die ESA-Minister der Industrie kräftig unter die Arme, erinnert sich Konzernsprecher Mathias Spude:
"Vor dem Hintergrund des sehr verzerrten Wettbewerbs mit den amerikanischen Partnern, die durch Staatsaufträge - Militärsatelliten, zivile staatliche Satelliten - grundausgelastet sind, haben die europäischen Forschungsminister ein Abnahmeprogramm oder ein Garantieprogramm verabschiedet, mit dem neudeutschen Titel "European Guaranteed Access to Space", also garantierter, sicherer Zugang Europas zum Weltraum. Vom Ergebnis her garantieren die europäischen Regierungen die Abnahme von zwei bis drei Ariane pro Jahr, so dass gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen Europäern und Amerikanern wieder hergestellt sind."
Das damals zur Rettung der Ariane ausgegebene Geld fehlt der ESA nun für die Weiterentwicklung. Die betroffenen Raketeningenieure kämen wohl fast alle beim Flugzeugbauer Airbus unter – doch Europa verlöre seine Kompetenz in der Raketentechnik. Gäbe es in einigen Jahren vielleicht wieder Geld für weitere Entwicklungen, wäre dann niemanden mehr da, der auf diesem Gebiet arbeiten könnte. Deshalb setzen ESA und Industrie auf die Einsicht der Minister, so Evert Dudok:
"Wir reden über einen Beitrag von Deutschland von ca. 50 Millionen Euro und das erhoffen wir aus dem Innovationsbudget des Koalitionsvertrages zu bekommen. Diese 50 Millionen sind jährlich wiederkehrend. Die Franzosen werden etwa das Doppelte dazu beitragen müssen, um dann im europäischen Verbund die zukunftsträchtige Entwicklung im Bereich der Ariane aufrechtzuerhalten."
Frankreich finanziert knapp die Hälfte der ESA, Deutschland kommt für gut 20 Prozent auf. Bei den ESA-Gesprächen in der kommenden Woche erlebt Deutschland eine doppelte Premiere. Erstmals ist nicht mehr das Forschungsministerium für die Raumfahrt zuständig, sondern das Wirtschaftsministerium. Und zum ersten Mal wird Minister Michael Glos dabei sein – der gleich turnusgemäß dem ESA-Ministerrat vorsitzt. Für den Neuling im Club der Raumfahrtminister – eine Bürde und Chance zugleich: Verspielt er den Zugang Europas in den Weltraum oder schafft er einen Befreiungsschlag für neue Innovationen?
Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit hat Europa bei seinen Weltraumaktivitäten längst Weltklasse erreicht: Seit zwei Jahren kreist eine Raumsonde um den Planeten Mars, im Januar dieses Jahres ist die Huygens-Kapsel auf dem fernen Saturnmond Titan gelandet und hat Bilder einer völlig unbekannten Welt zur Erde gefunkt – und seit drei Wochen ist die Sonde "Venus Express" zu unserem inneren Nachbarplaneten unterwegs. Doch der von europäischen Satelliten am meisten erforschte Himmelskörper liegt uns viel, viel näher...
"Wir konzentrieren uns auf den dritten Planeten unseres Sonnensystems, den einzigen von dem wir wissen, dass er bewohnt ist: Das ist die Erde."
Volker Liebig, Direktor des Erdbeobachtungsprogramms der ESA:
"Wir haben das Living Planet Programme am Laufen, in dem wir sehr interessante Wissenschaftsmissionen machen. Im Moment ist unser Arbeitspferd der Envisat-Satellit, der seit 2002 im Orbit ist und an dem über 1000 Wissenschaftler arbeiten."
Envisat beobachtet per Radar auch durch dicke Wolken die Erdoberfläche, er vermisst die Meereshöhe sowie die Oberflächentemperatur von Ozeanen und Kontinenten, er bestimmt die Biomasse im Meer und die Verschmutzung der Flüsse, oder: er untersucht die Chemie der Atmosphäre. Auf der Basis dieser Erfahrungen baut die ESA nun eine ganze Reihe kleinerer Satelliten, die sich jeweils einem ganz bestimmten Thema des "lebenden Planeten" widmen werden, um so unsere Erde noch besser zu verstehen. Der erste Satellit dieser Reihe hätte Cryosat sein sollen, er sollte die polaren Eismassen untersuchen. Doch der Start Anfang Oktober mit einer kleinen russischen Rakete missglückte. Die ESA-Forscher hoffen jetzt auf grünes Licht, den Satelliten nachbauen zu dürfen.
Bei der Erdbeobachtung will die ESA nun weit über die reine Wissenschaft hinausgehen und die Daten für eine Vielzahl von Anwendungen nutzen, betont ESA-Generaldirektor Jean-Jacques Dordain:
"Gemeinsam mit der Europäischen Union entwickeln wir gerade das GMES-Programm, das Globale Überwachen für Umwelt und Sicherheit. Der erste Teil dieses Programms soll in der kommenden Wochen beschlossen werden. Das ist die Zukunft! Ich habe keinerlei Zweifel, dass wir künftig sowohl wissenschaftlich ganz vorn mit dabei sind als auch bei der Nutzung dieser Daten. Natürlich gibt es da Verbindungen. Denn die praktische Nutzung hängt immer mit dem Fortschritt der wissenschaftlichen Erkenntnis zusammen."
Für GMES werden von Envisat bewährte Messinstrumente auf vielen kleineren Satelliten eingebaut, die uns täglich mit Daten beliefern sollen. Auch Bilder des Wettergeschehens waren Anfang der 70er Jahre ein rein wissenschaftliches Thema. Heute sind Satellitenbilder aus der Meteorologie nicht mehr wegzudenken. Einen ähnlichen Sprung erhofft sich Volker Liebig von seinem Erdbeobachtungsprogramm, dessen Daten bereits jetzt viele Interessenten nutzen:
"Zum Beispiel Dienste, um Ölverschmutzung im Meer zu detektieren, auch Schiffe festzustellen, die das Meer verschmutzen, oder um bei Überschwemmungen schnelle Daten zu liefern. Denn Radar kann auch durch Wolken sehen, wenn es regnet, so dass man dort Radar braucht. Oder auch das Führen von Schiffen auf optimalen Kursen durch das Meer, um Treibstoff zu sparen oder auch um See-Eis festzustellen, um zu sagen, wo ist die Ostsee zugefroren oder wo kann das Schiff fahren. Das sind ganz praktische Anwendungen."
Bei der Erdbeobachtung kommen drei Dinge ideal zusammen: Technologie, Wissenschaft und Anwendung. Sinnvoll ausgestattete Satelliten erlauben herausragende Forschungsarbeit, deren Daten für viele praktische Dinge zu nutzen sind.
"Wir haben in der Zwischenzeit 250 europäische operationelle Organisationen, die die Daten nutzen. Das geht los mit vielen Umweltämtern, das sind aber auch Stadtverwaltungen. Wir können vom Satelliten aus in der Zwischenzeit messen, ob sich Gebäude um Millimeter oder Zentimeter absenken oder ob sie steigen. Das hat damit zu tun, wenn man eine U-Bahn baut oder im Untergrund Grundwasser entzieht, das ist wichtig für viele Stadtplanungen. Andere sind für die Schifffahrt zuständige Organisationen, die zum einen für die Verschmutzung zum anderen aber auch für die Sicherheit der Schifffahrtswege unsere Daten brauchen."
Bisher hängt das alles im Wesentlichen an Europas vielseitigem Satelliten Envisat. Doch Satelliten arbeiten nicht ewig – in etwa fünf Jahren wird Envisat seinen Betrieb einstellen müssen. Damit die öffentlichen und privaten Nutzer dann nicht leer ausgehen, muss schleunigst ein Nachfolgeprogramm auf den Weg gebracht werden.
Die Europäische Union hat die Bedeutung der Erdbeobachtung erkannt – übrigens ist auch in der EU-Kommission nicht der Forschungskommissar für die Raumfahrt zuständig, sondern der Industriekommissar Günter Verheugen. Da nicht alle ESA-Staaten zur EU gehören und umgekehrt, ist das GMES-Programm für Umwelt und Sicherheit ein Gemeinschaftsprojekt von EU und ESA, was nun zum Hemmschuh zu werden droht, fürchtet Volker Liebig:
"GMES ist das zweite Flagship der Zusammenarbeit zwischen EU und ESA, nach Galileo, dem europäischen Navigationssystem. Wir warten dringend auf eine Entscheidung über die Budgets der EU, denn nur danach können wir beginnen, wirklich konkret zusammenzuarbeiten. Das ist auch der Grund, warum wir in Berlin zunächst eine Phase 1 vorschlagen, die uns über die nächsten zwei Jahren bringen wird, bis wir wissen, welche Budgets die EU zur Verfügung hat."
Schon beim Satellitennavigationssystem Galileo arbeiten ESA und EU eng zusammen. Galileo soll dem vom US-Militär betriebenen Global Positioning System/GPS Konkurrenz machen und sicher verfügbar sein. Am 2. Weihnachtstag soll der erste Galileo-Testsatellit ins All abheben. Galileo ist längst beschlossen – der fehlende EU-Haushalt hindert dieses Programm nicht.
Doch die Erdbeobachtung aus dem All duldet kaum einen Aufschub – andernfalls können die neuen GMES-Satelliten Envisat nicht ablösen, sondern kämen erst einige Jahre nach seinem Ausfall. Die Nutzer auf der Erde hätten schmerzliche Datenlücken hinzunehmen – und Europas Bürger müssten zum Beispiel fehlende Informationen bei Überschwemmungen buchstäblich ausbaden...
Mögen Navigation und Erdbeobachtung wichtig und sinnvoll sein – ein echter Publikumsrenner ist solch ein Thema nicht. Raumfahrt verbinden viele mit dem Vordringen in neue unbekannte Welten im Planetensystem. Europa hat gerade in den vergangenen Jahren bewiesen, wie gut es auch in diesem Bereich ist – und die ESA hat unter Jean-Jacques Dordain weiter Großes vor:
"Die Mars Mission ExoMars ist fast beschlussreif, ein automatisches Fahrzeug, das auf der Mars-Oberfläche arbeiten soll. Ich bin zuversichtlich, dass wir uns kommende Woche darauf einigen werden. Doch die Erkundung des Weltraums beschränkt sich nicht nur auf den Mars. Da geht es um etliche weitere Missionen, vor allem um Missionen zum Mond, aber darüber wird noch diskutiert."
Derzeit kreist Europas Raumsonde Mars Express um den roten Planeten. Ab dem Jahr 2011 soll ExoMars als rollendes Laboratorium über die Oberfläche des Mars kreuzen und nach Spuren von Leben suchen. Die beiden aktuellen NASA-Rover auf dem Mars sind Geologie-Missionen – der Frage nach Leben auf dem Mars gehen sie nicht nach. Erst gerade eben hat die ESA auf einer Art Bilanzpressekonferenz noch einmal die neusten Ergebnisse ihre planetaren Sonden Huygens und Mars Express vorgestellt – sicher nicht zufällig so kurz vor dem Treffen der Minister. Denn im Weltraum kennt man keine Grenzen: Das Aurora-Programm der ESA sieht eine zielgerichtete Erforschung des Planetensystems vor, zunächst mit automatischen Sonden. Nach dem Jahr 2020 sollen europäische Astronauten aber auch zum Mond und später gar zum Mars fliegen. Eine schöne Idee, aber wie soll das gehen? Die NASA hat schon klar gemacht, dass sie bei ihren eigenen Mondplänen europäische Astronauten nicht mitnehmen wird.
Will Europa ernsthaft bei den Großen mitspielen, braucht es ein eigenes Gefährt für Astronauten. Eine reine Eigenentwicklung wird nicht zu bezahlen sein, aber gerade jetzt ergibt sich eine interessante Perspektive, erklärt Alain Fournier-Sicre, der ESA-Repräsentant in Moskau:
"Wir schlagen dem Ministerrat vor, sich an der Entwicklung und dem Bau des "Kliper" in Russland zu beteiligen. Der Kliper wird ein Raketenfahrzeug für sechs Astronauten – es transportiert nur Menschen, kein Material. Das ist ein sehr wichtiges Programm für die Zukunft, zum Beispiel auch für einen Flug zum Mond."
Das Kliper-Projekt steckt noch ganz in den Anfängen. Sollte Europa sich jetzt zu einer Teilnahme entschließen, wäre man von Beginn an echter Partner. Schon einmal wollte die ESA an einem bemannten Fluggerät mitarbeiten, am Crew Return Vehicle der NASA für die Internationale Raumstation. Europa hätte nur wenige Teile bauen dürfen - doch das Programm ist ohnehin vor einigen Jahren von der NASA einseitig eingestellt worden. Für die europäische Raumfahrtindustrie ergibt sich nun vielleicht eine zweite Chance, hofft Evert Dudok von EADS Space:
"Den bemannten Zugang zum All wird Europa sicher nicht unbedingt selber nachentwickeln wollen. Wir würden aber gerne in einer Kooperation mit Russland dabei sein oder auch mit Amerika. Bei Kliper würden wir in Bremen gerne die Kabine leiten und vielleicht in Frankreich einen zweiten Teil. Wir würden uns wirklich wünschen, dass Deutschland auch bei Kliper mit einem ersten kleinen Beitrag, wir reden über 10 Millionen Euro, in einem Zeitraum von zwei drei Jahren, dass wir wirklich da auch zeichnen."
Noch ist es viel zu früh, das Kliper-Projekt endgültig zu entscheiden. Aber ein positives Votum kommende Woche brächte die notwendigen Vorstudien in Gang. Auf deren Basis ließe sich dann in zwei bis drei Jahren definitiv entscheiden, ob Europa gemeinsam mit Russland eine bemannte Rakete baut. Europa wäre erst damit im Club der "richtigen" Weltraummächte. Derzeit sind nur die USA, Russland und China in der Lage, Menschen ins All zu befördern. Europa hätte das technische Potential, aber: bemannte Flüge waren bisher politisch nicht gewollt.
Eine etwas verworrene Situation: Denn zugleich ist Europa 10-prozentiger Partner der Internationalen Raumstation, einem etwas glücklosen Projekt. Den Amerikanern ist die Lust an der Raumstation vergangen, die Russen haben kaum noch Geld und Europa steht etwas hilflos da, ist man doch auf die Hilfe der Partner angewiesen. So steht Europas Weltraumlabor Columbus noch immer in einer Halle in Bremen und wartet auf einen Shuttle-Flug. Erst mit Columbus könnte Europa seine wissenschaftlichen Ambitionen auf der Raumstation verwirklichen, betont Ernst Messerschmid, einst als D2-Astronaut selbst im Weltraum, heute Professor für Raumfahrttechnik an der Universität Stuttgart:
"Zur Raumstation ist es eben sehr, sehr, sehr wichtig, dass man nicht die Flinte ins Korn wirft, dass man auf höchster politischer Ebene den Amerikanern sagt, dass sie nicht einseitig bestimmte Dinge nun verändern. Wir brauchen mindestens zehn bis 16 Flüge des Shuttle, damit wir sicher sind, dass das Columbus-Labor und genügend Ausrüstung aus Europa nach oben kommt. Für uns wäre es eine Katastrophe, würde Columbus nicht mit dem Shuttle transportiert werden."
Da Columbus nur mit dem Shuttle starten kann und nicht mit der Ariane, droht ihm ein Schicksal als Investitionsruine, sollten die Amerikaner ihrer Verpflichtung nicht nachkommen. Die NASA orientiert sich auf Geheiß von Präsident Bush geradezu hektisch in Richtung Mond. Sie unternimmt nur noch das Allernötigste und möchte schnellstmöglich aus dem einstigen Renommierprojekt Raumstation ISS aussteigen, das pro Tag 20 Millionen Dollar verschlingt, die zum größten Teil von den Amerikanern zu zahlen sind.
"Wenn wir nicht anständig das ISS-Programm weiterführen und zu einem bestimmten Abschluss bringen, brauchen wir uns gar keine Gedanken zu machen über weitergehende Missionen vor allem im internationalen Kontext wie bei der Raumstation. Der Erfolg der Raumstation wird essentiell sein für zukünftige Missionen zurück zum Mond. Noch weniger wird es ohne diese Voraussetzung Flüge zum Mars geben oder zu anderen Orten im erdnahen Weltraum."
Die politische Lage ist derzeit etwas unübersichtlich. Nach Chinas Auftrumpfen als dritter Weltraummacht droht nun wieder ein Wettlauf im All, wenn auch sicher nicht ganz so verbissen wie zu Apollo-Zeiten in den 70er Jahren. Bei Kooperationen mit den USA darf Europa gerne das Geld und seine Kompetenz einbringen, wirklich mitentscheiden dürfen die Europäer aber nicht. Bleibt Russland als Partner. Derzeit baut die ESA auf ihrem Ariane-Startgelände in Kourou auf Französisch-Guyana sogar eine Startrampe für die russischen Soyuz-Raketen. Ab 2007 sollen auch russische Raketen von Europas Weltraumbahnhof abheben. Da wäre eine gemeinsam mit Moskau entwickelte Rakete für russische wie europäische Astronauten eigentlich der konsequente nächste Schritt.
Positioniert sich Europa kraftvoll als große Weltraummacht? Oder lassen die Minister der ESA-Staaten in der kommenden Woche die nächste Chance dazu verstreichen? In welcher Rolle sieht sich Deutschland, das zwar weiter an der ESA beteiligt ist, aber seine nationalen Mittel für Raumfahrt in den vergangenen Jahren auf gut 110 Millionen Euro fast halbiert hat? Schon drängt Frankreich in diese Lücke, um sich so eine gute Ausgangslage für künftige ESA-Projekte zu sichern. Ernst Messerschmid warnt:
"Das kann nicht so weiter gehen. Die Halbierung des Raumfahrtbudgets – wie, bitte sehr, wollen die europäischen Politiker das einlösen, was sie in Lissabon postuliert haben, zur dynamischsten wissensbasierten Gesellschaft der Welt zu zählen und dass auch in Zahlen ausgedrückt haben, dass drei Prozent des Bruttoinlandsprodukt in Forschung und Entwicklung ausgegeben werden sollen und dazu kommt auch noch die Definition Europas. Was ist der europäische Traum?"
Kann Raumfahrt vielleicht sogar eines der wenigen Themen sein, das im Stande wäre, Europas Einigung voranzubringen? Ein Thema, bei dem sich alle Bürger Europas wieder finden, ähnlich wie es Apollo für die Amerikaner in den USA gewesen ist? Ein Thema, das junge Leute für Forschung und Technik begeistert und so hilft, Europas Exzellenz in Wissenschaft und Technologie zu erhalten? Der ehemalige Astronaut Ernst Messerschmid wünscht sich, Europa hätte auch mal den Mut, über die Zwei-Drei-Jahresschritte der ESA hinaus zu denken...
"Raumfahrt ist eben der Traum von Fliegen, das Unbekannte, das sind fremde Welten, das ist der genetische Imperativ, nicht stehen zu bleiben, weiter zu forschen, weiter zu entwickeln und da braucht man etwas mehr politische Hilfestellung."