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Zwischen Medienabstinenz und Olympiaboom

Die Short Tracker, die auf ihren Eishockeyfeld großen Eisflächen eine 111 Meter lange Runde Mann gegen Mann oder Frau gegen Frau absolvieren, haben bereits ein Viertel ihrer Weltcupsaison hinter sich gebracht. Nahezu unbemerkt von der Öffentlichkeit hierzulande.

Von Marc Rohde | 05.11.2011
    "Wir laufen mit Samurai-Schwertern unter den Füßen", hat ein amerikanischer Short Tracker seinen Landsleuten versucht zu erklären. Das gefällt den Amerikanern - und deswegen mögen sie Short Track. Das hat zwar eine Weile gedauert und Short Track ist auch noch kein Nationalsport in den USA, aber jeder Amerikaner weiß, wer Apollo Anton Ohno ist. Die deutschen Ohnos heißen Robert Becker, Paul Hermann oder Bianca Walter und kämpfen um mehr Aufmerksamkeit.

    "Wenn wir dieselben Medaillen oder Erfolge wie die deutschen Biathleten hätten, wären wir sicher genau so oft im Fernsehen, denn die Sportart selbst ist die coolste Wintersportart, die es gibt in meinen Augen - rein von der Action, vom Abwechslungsreichtum. Es ist eine richtig coole Sportart, aber es liegt wie gesagt an uns, dass wir erfolgreicher werden und das auch besser verkaufen können."

    Sagt Paul Herrmann, der in dieser noch jungen Saison mit Platz 3 in der Weltcup-Wertung über 1.500 Meter die deutschen Farben in der Weltspitze vertritt. Short Track, das sind 111 actiongeballte Meter mit unzähligen Überholmanövern. Und während die Eisschnelllauf-Kollegen von der viermal so langen Bahn sich immer wieder neue Wettkampfformen ausdenken müssen um die Fans bei der Stange zu halten, ist Short Track eine junge, schnelle und eigentlich fernsehtaugliche Sportart. Also was geht schief?

    "Wenn, dann bei den Deutschen im Kopf, würde ich sagen. Jedes Jahr gibt es neue Möglichkeiten Short Track zu präsentieren. Es gibt von jedem Weltcup Videoaufnahmen. Es gibt Liveübertragungen im Internet. Was fehlt ist die Präsenz im deutschen Fernsehen. In Korea oder Kanada kann man die Weltcups live sehe und da ist es schon schade wenn dann Fragen kommen: "Wo lauft ihr denn mal bei uns?" - und wir dann sagen: "Wissen wir nicht. Keine Ahnung."

    Bianca Walter, nach dem Abgang von Aika Klein die deutsche Nummer 1 bei den Damen, bedauert dass Short Track zu oft nicht des Sports wegen Schlagzeilen macht.

    "Das ist dann immer so, die schlechten Nachrichten sind interessanter, haben wir das Gefühl. Wang Meng und Thibault Fauconnet. Das wird irgendwie mehr gepusht als zwei oder drei Mal A-Final-Teilnahmen, wo man denkt, dass ist doch viel interessanter, dass es mit dem deutschen Short Track jetzt endlich voran geht und dass wir Ergebnisse haben. Das ist schade.""

    Wang Meng, China, vierfache Olympiasiegerin, die im Sommertrainingslager einen Faustkampf mit ihrem Trainer austrug. Oder Thibault Fauconnet, Frankreich, der ein Nasenspray nahm, das nicht leistungssteigernd ist und der trotzdem wegen Dopings gesperrt wurde. Das waren die Short Track Schlagzeilen, die dann auch in Deutschland wieder wahrgenommen wurden.

    "Die wesentliche Komponente ist, dass unsere Sportart besser vermarktet werden muss. Dass eben ein großer Fernsehsender sagen muss: okay, wir reisen jetzt mal zum Weltcup und übertragen jetzt mal zwei oder drei Stunden lang Short Track live in Deutschland. Wenn es nachts ist, dann ist es eben nachts am Anfang, aber vielleicht wird es dann irgendwann auch tagsüber sein. Wenn man da irgendwo in eine Hauptsendezeit reinkommt bei einem bekannten Sender, dann wird das sicher ein Selbstläufer werden."

    Wünscht sich Olympiateilnehmer Robert Becker aus Dresden. Andere Nationen lösen dieses Problem schnörkelloser. Die Russen zum Beispiel. In Sotschi werden die Olympischen Winterspiele 2014 ausgetragen und da will die Staatsführung unter allen Umständen eine Medaillenflut erzwingen. Koste es was es wolle. Zu diesem Zweck wurde eigentlich die nach Australien abgewanderte Russin Tatjana Boro-dulina zurückgeholt, der südkoreanische Superstar und Olympiasieger Ahn-Hyun Soo mit einem russischen Pass ausgestattet, der bringt zugleich eine erfolgreiche südkoreanische Juniorin mit nach Moskau - und schon das war live im Fernsehen, ohne dass sie auf dem Eis standen.

    "Ist natürlich schade, dass sie es so machen wollen oder müssen. Aber im Endeffekt ist es für uns egal. Bei Olympia muss man jeden schlagen, egal ob einen Koreaner mit einem russischen Pass oder einen Koreaner mit einem koreanischen Pass. Man kann nix dagegen machen und dann muss man damit umgehen können."