Montag, 29. April 2024

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Zwischen Moldau und Ukraine

Der Landstrich Transnistrien liegt ganz im Osten der einstigen Sowjetrepublik Moldawien, der jetzigen unabhängigen Republik Moldau. Dessen ungeachtet hat die die Regierung aber keinen Zugriff auf diesen wirtschaftlich bedeutsamen Landesteil - seit dort vor anderthalb Jahrzehnten ein pro-russisches Separatistenregime die Macht ergriff. Diese so genannte "Republik Transnistrien" ist zwar international nicht anerkannt, verfügt aber ansonsten über alles, was zu einem Staat gehört: eigenes Geld, eine eigene Polizei, Regierung und Zentralbank. Jahrelang profitierten die transnistrischen Separatisten dabei auch von der stillschweigenden Duldung durch die Ukraine, die den Handel aus Transnistrien heraus duldete. Damit soll aber im Hinblick auf den gewünschten EU-Beitritt Schluss sein. Jan Pallokat berichtet von der ukrainisch-moldauischen Grenze.

30.03.2006
    Auf den ersten Blick wirkt der Grenzübergang Kuchurgan unweit der ukrainischen Schwarzmeerstadt Odessa ganz friedlich. Ein ukrainischer Grenzer spielt mit einem kleinen Hund; es gibt eine kurze Autoschlange, und viele Passanten bringen Waren auf kleinen Karren zu Fuß über die Grenze nach Transnistrien, dem Reich der moldauischen Separatisten. In Wahrheit aber hat sich hier, in einem entlegenen Flecken Südosteuropas, nach der großen orangenen Revolution in der Ukraine ein Nachbeben ereignet, das vor allem die Separatisten in Transnistrien schwer erschüttert hat und das beidseits der Grenze erregt diskutiert wird. Dabei geht es eigentlich nur darum, aus der moldauisch-ukrainischen Grenze eine nach europäischen Maßstäben normale Grenze zu machen. Was der neue Chef des ukrainischen Grenzpostens, Stanislaw Sertschinskij fromuliert, entspricht aber eigentlich ganz der westlichen Lesart des Transnistrien-Konflikts.

    " Weil diese Republik Transnistrien international nicht anerkannt ist, haben wir mit denen auch keinen Kontakt, nur mit den offiziellen Stellen in der Republik Moldau. "

    Diese Lesart hat sich die Ukraine aber erst unter Präsident Juschtschenko zu eigen gemacht, der sein Land auf Westkurs bringen will; unter seinem Vorgänger Kutschma drückten die ukrainischen Zöllner gewöhnlich beide Augen zu an der moldauischen Ostgrenze. Die neue Grenzpolitik hat zum Beispiel die Folge, dass der selbsternannte "Präsident" Transnistriens, Igor Smirnow, nicht mehr durchgewunken wird, sondern seinen Pass zeigen muss wie ein ordentlicher Bürger. Das dürfte noch zu verschmerzen sein; noch schwerer aber wiegt aus Sicht der Separatisten, dass die Ukrainer neuerdings nur noch offizielle moldauische Zollpapiere akzeptieren. Die schwunghafte, kaum kontrollierte Ein- und Ausfuhr von Waren aller Art Richtung Ukraine - viele sagen: der Schmuggel - war aber bislang eine der Lebensadern des Separatistenregimes. Das ist entsprechend empört: Von Blockade ist die Rede in der Propaganda der Medien des abtrünnigen Landesteils. Juschtschenkos neue Transnistrien-Politik ist aber auch im eigenen Land umstritten, weil auch viele Ukainer vom quasi rechtsfreien Raum vor der Haustür profitierten. Zudem provoziert Kiew damit erneut Moskau; Russland deckt das Separatisten-Regime. Um die Ukrainer an der Grenze zu beraten, aber wohl auch, um ihnen auf die Finger zu schauen, ob sie es ernst meinen mit den Kontrollen, bildete die EU eine Berater-Mission. EU-Zöllner und Polizisten sind seither an den Grenzübergängen im Einsatz - wie Joachim Haack, Polizist aus Kulmbach, derzeitiger Dienstort: Grenzübergang Kuchurgan:

    " Wenn wir nicht zu den Problemen gehen, dann kommen die zu uns. "

    Die organisierte Kriminalität operiert grenzübergreifend, vor allem da, wo Grenzen nicht richtig kontrolliert werden. Insbesondere mangele es den ukrainischen Kollegen noch etwas an der Fähigkeit, mögliche Straftaten frühzeitig zu erkennen und aufzuspüren, sagt der Deutsche, an kriminalistischer Erfahrung. Wenn zum Beispiel ein ukrainische Staatsbürger mit amerikanischem Pass und deutschen Fahrzeugpapieren auftauchte, müsse man die Sache genauer prüfen..

    " Wenn man bedenkt, dass es die Grenze erst seit 16 Jahren gibt - die ganzen Behörden hatten gar keine Erfahrung damit, das braucht seine Zeit. "

    Freundschaftliche und verwandtschaftliche Beziehungen ziehen sich kreuz und quer durch die beteiligten Länder. Noch heute stecken oftmals Geldscheine in den Pässen, beobachten die EU-Leute - man darf also annehmen, dass die ukrainischen Grenzer selbst vom florierenden Warengeschiebe früherer Zeiten profitierten. Und jetzt sollen sie sich von EU-Beamten, die ein vielfaches verdienen, sagen lassen, wo es lang geht? Wieviel selbst unter den Augen der EU noch getrickst und geschoben wird an der moldauisch.ukrainischen Grenze, darüber kann man nur spekulieren. Die meisten EU-Leute verstehen weder Russisch noch Ukrainisch, die Menschen hier reden ein Gemisch aus beidem - was da beredet wird, können die EU-Leute oft nur erahnen, nicht immer sind die Übersetzer präsent; oft müssen sie im Mienenspiel lesen, die verstohlen Blicke bemerken. Aber immerhin und trotz aller eingefahrener Mechanismen: Die Ukraine bemüht sich, gegen Widerstände auch im eigenen Land, aus einer verrückten eine normale Grenze zu machen.