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Zwischen Mond und Mars
Bestandsaufnahme der bemannten Raumfahrt in Europa

Auf der Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung gibt es den sogenannten "Space Pavilion". Hier hat Europas Weltraumagentur ESA Modelle von Satelliten über Raumschiffe bis hin zu Marssonden aufgebaut. Und hinter den Kulissen wird gefeilscht – über künftige Projekte und die Kostenverteilung unter den 22 Partnerstaaten der ESA.

Von Guido Meyer |
    Der Astronaut Alexander Gerst im Europäischen Astronautenzentrum in Köln
    Der Astronaut Alexander Gerst wird in zwei Jahren der erste deutsche Kommandant der Internationalen Raumstation (ISS) werden – und womöglich auch der letzte. (picture alliance / dpa / Rolf Vennenbernd)
    Der Astronaut Alexander Gerst wird in zwei Jahren der erste deutsche Kommandant der Internationalen Raumstation (ISS) werden – und womöglich auch der letzte. Denn nach dem derzeitigen Planungsstand müsste sich die europäische Weltraumagentur ESA zwei-tausend-zwanzig aus dem internationalen Großprojekt zurückziehen.
    "Prinzipiell ist natürlich die Möglichkeit auch gegeben, dass Europa aussteigt. Aber ich glaube, dass das nicht passiert."
    Der Generaldirektor der ESA, Johann-Dietrich Wörner, hofft auf eine Einigung der zwei-und-zwanzig Mitgliedsstaaten auf dem anstehenden Ministerratsgipfel in Luzern. Einigung heißt: Das Raumlabor Columbus bliebe bis mindestens zwei-tausend-vier-und-zwanzig die Arbeitsstätte der Europäer im All. Ansonsten bliebe es auch ohne Europa Teil der ISS.
    "Die bisherigen Gespräche zeigen, dass auch weiterhin die Mitgliedsstaaten bereit sind - nicht nur bereit, sondern auch willens sind - sich an der Internationalen Raumstation zu beteiligen. Wir werden jetzt im Einzelnen sehen, was das finanziell bedeutet. Und wie wir das in den nächsten Monaten in ein gemeinsames Paket packen."
    Am Willen der ESA also dürfte es nicht scheitern, höchstens am Geld. Denn für weitere vier Jahre "Mitfluggelegenheiten" ins All und damit Nutzung der ISS müsste Europa eine Gegenleistung erbringen.
    "Für die Nutzung der internationalen Raumstation durch europäische Astronauten bezahlen wir kein Cash, sondern wir geben Tauschelemente. Und ein Teil davon ist eben das sogenannte "Servicemodul" für die neue amerikanische Schwerlastrakete mit "Orion", der neuen Kapsel an der Spitze. Bisher ist der Vertrag nur über das erste Servicemodul fertig. Wir streben aber an, wenn jetzt auch die Zeichen der Mitgliedsstaaten auf grün stehen für eine Verlängerung, dass wir dann auch ein zweites Servicemodul bauen."
    Bislang war geplant, dass die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA alle weiteren Servicemodule von der europäischen Industrie kauft. Frage ist, ob sie nun mindestens ein weiteres Servicemodul kostenlos von der ESA bekommt.
    "Die für uns viel wichtigere Frage ist fast: 'Was kommt danach?' Denn wenn man die bemannte Raumfahrt weiter machen will, braucht man so etwas wie eine Raumstation. Aber was auch klar ist: Die muss deutlich billiger werden. Vieles muss schneller gehen."
    Hansjörg Dittus ist im Vorstand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt für die Bereiche Technologie und Raumfahrtforschung zuständig und denkt schon an die Zeit nach der ISS. Während Europa, so die Finanzlage es zulässt, weiterhin im erdnahen Orbit präsent bleiben möchte, zieht es die Amerikaner weiter hinaus ins All: Vielleicht zu einem Asteroiden. Oder doch zurück zum Mond? Oder irgendwann zum Mars?
    "Man muss ja natürlich überlegen: Welchen Weg geht NASA? Das ist ja für uns die entscheidende Frage. Es hängt eben ganz stark davon ab, welche Formen des bemannten Raumflugs NASA anstrebt. Auch dort ändern sich die Pläne im Monatsrhythmus. Da wird viel diskutiert, aber auch viel wieder korrigiert."
    Derzeit sieht es so aus, als stünde die amerikanische Mission bei der Astronauten Material von einem Asteroiden untersuchen sollen, vor dem Aus. Und das böte für NASA und ESA die Möglichkeit einer ganz anderen Kooperation nach dem Ende der Raumstation, die auf dem Ministerratsgipfel im Dezember auf der Tagesordnung stehen könnte:
    "Man könnte sich auch vorstellen, dass man viel direkter auf ein Ziel wie Mars zugeht."
    "Und alle diese Konzepte, die werden ja noch diskutiert. Das werden wir bald machen müssen. Aber ob das bis Herbst gelingt, da habe ich meine Zweifel."