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Zwischen null und eins

So altehrwürdig wie viele unserer Universitäten sehen auch die Logos aus: Besonders beliebt sind Wappen oder Siegel, auf denen sich dann Löwen, Lanzen oder das Konterfei berühmter Namensgeber finden. So etwas wollte das Präsidium der vor einem Jahr umbenannten Universität Hannover nicht haben. Doch kaum ist das moderne Logo mit Binärzahlen vorgestellt, gibt es Zoff an der Uni.

Von Michael Engel |
    Gottfried Wilhelm Leibniz zeichnete die Tabelle im Jahre 1702 - mit Tinte und Feder: Es handelt sich um schier endlose Zahlenreihen aus Nullen und Einsen, die ins Dezimalsystem übersetzt wurden. Drei dieser dualen Zeichen, blau unterlegt mit einem Quadrat, bilden das neue Logo der Leibniz Universität. Prof. Lutz Hieber ist entsetzt.

    "Mit dem Logo stellen sich die technischen Fächer in den Vordergrund. Und da kommt dann eben so was raus. Also ich bin damit überhaupt nicht einverstanden. "

    "Die Geistes- und Sozialwissenschaften werden mit diesem Logo nicht gebührend abgebildet", ergänzt Prof. Wolfgang Gabbert, der wie Hieber im Institut für Soziologie lehrt. Zudem müsse man wissen, dass Leibniz der Urheber der Zahlenreihen ist, um die Kurve zur Uni zu kriegen, so die Soziologen. Unterstützt in ihrer Ablehnung werden die Professoren der geisteswissenschaftlichen Fakultät vom ASTA: Frederike Beier - Referentin für Hochschulpolitik und Sprecherin des ASTA:

    "Also zum einen ist die ganze Vergabe und die Entscheidung zum Logo sehr undemokratisch gelaufen. Es ging vorbei an jeglichen demokratischen Gremien. Das ist nicht das erste Mal, dass so etwas passiert. Das entspricht natürlich nicht unserem Demokratieverständnis. Zum anderen zeigt dieses Logo mit diesen Binärzahlen auch so ein bisschen die Ausrichtung dieser Universität wie sie in Zukunft sein soll. Nämlich dass es weiter in Richtung technische Universität geht. Da soll wieder den Geisteswissenschaften gesagt werden, dass sie unerwünscht sind. Das ist schon sehr schade aus unserer Sicht. "

    Beschlossen wurde das neue Logo im Hochschulpräsidium. Das Parlament der Leibniz Universität, in dem die Interessenvertreter aller Fakultäten sitzen, war nicht beteiligt. Uni-Präsident Prof. Erich Barke - von Haus aus Ingenieur für Elektrotechnik - kann die Kritik am Logo nicht verstehen.

    "Das hat überhaupt nichts mit Naturwissenschaft zu tun. Kleine Fehlinterpretation, dass manche immer sagen, es ist ein naturwissenschaftliches Logo. Zunächst mal ist es ein mathematisches Logo, wenn man so will. Und Mathematik ist eine Geisteswissenschaft. Leibniz selber hat aber dahinter sehr viel mehr Gedanken gehabt. Für ihn war das auch eine philosophische und theologische Angelegenheit. Denn er hat dieses faszinierende Zahlensystem aus nur zwei Ziffern dazu benutzt, die Welt letztlich zu erklären, dass zwei Dinge dazu ausreichen, nämlich die Null - das Nichts. Und die Eins sozusagen der liebe Gott. "

    ... und außerdem könne man über Fragen der Ästhetik nicht demokratisch abstimmen, rechtfertigt Präsident Barke sein Alleingang. Auch die Fachwelt der Graphiker ist beim Anblick der vielen Zahlen im Logo gespalten. Die kryptischen Zahlenpaare erschließen sich nur naturwissenschaftlich Interessierten, findet Horst Richter von der Werbeagentur LOOK.

    "Das LOGO der Leibniz Universität Hannover ist meiner Meinung nach formal gestalterisch sicherlich nicht der große Wurf. Wir sehen Zahlenreihen in der Originalhandschrift von Leibniz und das Ganze in ein Quadrat eingestellt. Das ist so aufregend nicht unbedingt. Was absolut interessant ist, das ist der inhaltliche Bezug. Und von daher denke ich, dieses Logo ist durchaus intelligent und interessant und sehr Imagebildend für die Leibniz Universität Hannover. Und ich denke, dass das sehr, sehr wichtig ist."

    Null und Eins - Nichts oder Gott: Die Würfel sind gefallen. Jedenfalls in Hannover im Büro des Hochschulpräsidiums. Verhandelt wird nicht mehr. Das Logo steht. Und deswegen leuchtet das neue Signet der Leibniz Universität Hannover schon mal auf der Homepage. Kugelschreiber, T-Shirts und Kappen werden als nächstes bedruckt. Präsident Barke will Zeichen setzen:

    "Ich habe am letzten Freitag gesagt: Die Universität hat ein neues Logo. Punkt"