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Zwischen orientalischem Pop und westlichem Rhythm and Blues

Türkische Kultur kommt längst nicht nur aus der Türkei, sondern auch aus Berliner Hinterhöfen. Das Berliner Plattenlabel Plak Music produziert seit fünf Jahren Hits, die vor allem junge Deutschtürken ansprechen. Künstler wie Muhabbet oder die Grand-Prix-Gewinnerin Sertab Erener sind bei dem Unternehmen unter Vertrag - und machen Musik, die die Türkei und den Westen musikalisch und inhaltlich verbindet.

Von Eva Bahner |
    Entspannt, aber konzentriert ist die Arbeitsatmosphäre in dem Tonstudio in dem Berliner Hinterhof. "Meine Seele trägt der Wind" soll mit auf das neue Album, und bis dahin ist der Weg noch weit für die beiden Künstler. Für den 18-jährigen Sefo, der bei Plak Music eigentlich eine Lehre als Bürokaufmann machen wollte, sich beim Bewerbungsgespräch aber als Gesangstalent entpuppte, ist das Leben als Musiker ohnehin noch ungewohnt, anders als bei Muhabbet. Der 24-Jährige aus Köln- Bocklemünd ist einer der angesagtesten Musiker in der deutsch-türkischen Migrantenszene. Er gilt als Erfinder des R 'n' Besk, eine Mischung aus orientalischer Popmusik und westlichem Rhythm and Blues:

    "Er ist Tenor, ist ganz oben angesetzt. Ich bin Mezzosopran oder so etwas. Und wenn er ganz oben anfängt, muss ich mir immer ganz kurz die Arschbacken aufmachen, damit ich da überhaupt ran komme"

    Bereits von Kindesbeinen an macht Muhabbet Musik - er singt auf deutsch und auf türkisch. Und schon bevor ihn das deutsch-türkische Plattenlabel 2005 unter Vertrag nahm, war er ein Star - im Internet. Für Plak Music ein Glücksgriff:

    "Richtig gesettelt mit unserem Ansatz, die türkische Musik irgendwie bekannt zu machen, sind wir mit der Entdeckung der Künstlers Muhabbet, der schon damals im Netz bekannt war, der deutschsprachig das macht, was die Türkei und den Westen musikalisch und inhaltlich verbindet. Er bringt auf den Punkt, was wir die ganze Zeit schon machen wollten. Dabei haben wir entdeckt, dass die Kultur der hier lebenden jungen Deutschtürken eine sehr eigenständige Kultur ist, die sehr untereinander vernetzt ist und kaum Schnittstellen hat zur deutschen Community. Und das da etwas sehr Eigenständiges entsteht."
    Diese Nische zu bedienen, dieses Ziel verfolgen Geschäftsführer Jochen Kühling und Ünal Yüksel seit der Gründung von Plak Musik im Jahr 2003. Gleich mit der ersten Künstlerin landeten sie damals einen Volltreffer, mit Sertab Erener:

    "Drei Wochen später gewinnt die mit einem Punkt den Grand Prix. Und wir waren im Grunde genommen schon am Ziel unserer Vorstellung, türkische Musik in Europa an die Spitze zu führen."

    Doch schon damals waren die radikalen Veränderungen im Musikgeschäft zu spüren: Seitdem sich vor allem junge Musikfans zunehmend im Internet kostenlos bedienen, wenn auch illegal, ist das Geschäft mit Tonträgern eingebrochen. Ein Trend, unter dem auch ein kleines Label mit einem sechsstelligem Jahresumsatz wie Plak Music leidet. Für Plak-Geschäftsführer Ünal Yüksel dennoch kein Problem:

    "Wir verdienen kein Geld mit CD-Verkäufen, kaum, also es geht jetzt mittlerweile um andere Sachen, es geht um Live, es geht um Verlag, es geht um Werbe-Geschichten, es geht um Internet und andere Netzwerkpartner, mit denen man sozusagen das Geschäft macht. Wir werden auch in Zukunft nicht mehr wie ein klassisches Label funktionieren."

    Stattdessen setzt Plak Music auf eine neue Kernkompetenz - die Beratung im interkulturellen Bereich. So hat das sechsköpfige Multi-Kulti-Team die Musikmesse Popkomm unterstützt im Umgang mit dem diesjährigen Partnerland Türkei. Wir haben keine Statistik, aber viel Erfahrung, sagt Geschäftsführer Kühling, der vor seiner Karriere im Musikgeschäft bereits als klassischer Unternehmensberater gearbeitet hat.

    "Wir haben einfach die Möglichkeit, mit einer sehr speziellen Community einen direkten Kontakt einzugehen, und da gibt es nicht viele, die sich da auskennen. Und das ist eigentlich das, was sich immer mehr herauskristallisiert bei uns als eine Kompetenz, die wir in Zukunft auch immer mehr vermarkten werden und wir uns von dem Druck verabschieden können, dass wir CDs verkaufen müssen, weil: Irgendwie hat eine CD nichts Schönes mehr. Das ist irgendwie so: Wenn man sie nicht kauft, kriegt man ein schlechtes Gewissen, wenn man sie kauft, ist man ein Trottel. "

    Auch Politiker wie Außenminister Frank-Walter Steinmeier schätzen die Integrationsarbeit, die die deutsch-türkische Plattenfirma leistet - vor knapp einem Jahr besuchte er mit seinem französischen Amtskollegen Bernard Kouchner das kleine Multi-Kulti-Unternehmen und nahm zusammen mit Muhabett und sieben anderen Künstlern das Stück "Deutschland" auf.

    Die Stimmung war locker und entspannt, bislang verborgene Talente des Außenministers traten zutage, das Medieninteresse war riesig, und wurde dem kleinen Label schließlich zum Verhängnis. Der Künstler Muhabbet sah sich plötzlich Islamismus-Vorwürfen ausgesetzt. Das Image des integrierten Muster-Deutschtürken war ramponiert, das Deutschlandlied wurde zum Ladenhüter:

    "Das war natürlich überraschend. Das warf unsere Pläne für 2008 anfangs komplett über den Haufen."

    Inzwischen hat sich Plak Music wieder einigermaßen von dem Tiefschlag erholt. Nach wie vor arbeitet das Plattenlabel im interkulturellen Austausch zusammen mit Unicef, dem Deutschen Kinderhilfswerk oder mit der Nachwuchsförderung des DFB zum Beispiel auf der Frankfurter Buchmesse. Außerdem ist Plakmusic Partner der Jugendmesse You:

    "Das Ganze heißt Türkiyeah - mit Ausrufezeichen und mit Ü geschrieben - Und der Gewinner des Songcontest tritt auf der You Messe mit einem unserer Künstler auf und ich glaube, das der auch die Möglichkeit erhalten wird, auf einer unserer Platten mitzusingen."

    www.plakmusic.de
    www.türkiyeah.com