Doris Schäfer-Noske: Es sollte vor allem eine Show sein, im Konzertsaal und auch im Fernsehen: Die Verleihung der ECHO-Klassik-Preise gestern Abend in Berlin wurde von Thomas Gottschalk moderiert und die ehemalige Eiskunstläuferin Katarina Witt und der Modedesigner Wolfgang Joop traten als Laudatoren auf. ECHO Klassik, das ist die höchste Auszeichnung für Musik auf Tonträger, und dieser international renommierte Preis wird jedes Jahr von der Deutschen Phono-Akademie vergeben. Das ZDF übertrug die Preisverleihung zeitversetzt ab 22:00 Uhr. Frage an meinen Kollegen Thomas Voigt: Herr Voigt, 42 der 60 Preisträger haben ihren Preis sogar persönlich entgegengenommen. Wie hat man denn das Ganze an einem Abend überhaupt geschafft?
Thomas Voigt: Na ja, die 60 sind schon mal als Auswahl, falls andere Künstler abspringen. Denn man muss ja bedenken, es ist höchstens ein halbes Jahr vorher bekannt. Und bekommen Sie dann mal auf einen Live-Termin so viele Künstler, da müssen Sie schon mal sozusagen Manövriermasse haben, dass, wenn wer absagt, dass man dann einen anderen Preisträger einspringen lassen kann. Insofern kommt das zu so einer großen Zahl.
Schäfer-Noske: Aber es ist ja doch irgendwo auch eine Inflation der Preise beim ECHO Klassik. Wäre es denn nicht besser, nur zehn Leute auszuzeichnen, und die könnten ja dann auch richtig lange was spielen? Denn die präsentieren ja dann auch immer so Musikhäppchen, wenn man so will.
Voigt: Ja, ja, Gott, mit lange spielen, da muss man eben bedenken: Es ist ein Format für Millionen und man möchte, dass Millionen am Fernsehapparat bleiben. Und man ist eben beim ZDF der Meinung, dass das dann geht, wenn es a) bekannte Namen und bekannte Stücke sind. Also, es ist schon bemerkenswert, wenn da mal was zwischen ist, wo man sagt, hui, das ist aber fürs Fernsehpublikum schon ein bisschen anspruchsvoller, hoffentlich schalten da nicht so viele ab oder um. Also, insofern, das muss man immer im Hintergrund behalten, man möchte ja doch, dass die Leute bei der Stange bleiben.
Schäfer-Noske: Nun ist ja ein Problem des ECHO-Klassik-Preises auch immer gewesen, dass sich da praktisch die Phono-Industrie selbst auszeichnet …
Voigt: Na ja, es ist eben von der Industrie direkt kommend und nicht von einer unabhängigen Jury. Das Thema haben wir seit Jahren, seitdem es diesen ECHO Klassik gibt, ist das das Thema: Warum nennt man das nicht einfach die Klassik-Show des Jahres, warum muss das mit Preis verbunden sein? Preis ist vielleicht auch spektakulärer, vielleicht hat man auch auf den Obpreis, eben den normalen ECHO geguckt und gesagt, wir müssen von der Klassik aus dem jetzt was an die Seite stellen, das kann gut sein. Aber ehrlicher wäre es, wenn man das einfach Konzert der Musiker des Jahres nennen würde.
Schäfer-Noske: Wie war denn diesmal die Mischung aus den bekannten Klassikstars und den unbekannteren, jungen Talenten?
Voigt: Ich fand die Mischung auch musikalisch diesmal gelungen. Also, es waren keine Auftritte, wo ich sagte, ja Gott, das hätte man vielleicht anders machen können. Es war dieser doch sehr schmale Grat zwischen Popularität und Anspruch, zu 80, 90 Prozent war der da. Einziger wirklicher Tiefpunkt war für mich der Auftritt des Kabarettisten Kurt Krömer, da weiß ich wirklich nicht, was diese Nummer mit der Berliner Schnauze da in diesem Programm zu tun hatte, das fiel also deutlich raus.
Schäfer-Noske: Konnte man denn Entdeckungen machen?
Voigt: Entdeckungen schon. Also, das war sicherlich für viele die Violinistin Vilde Frang, das war auch noch für einige der Tenor Vittorio Grigolo, der ja noch nicht so lange auf dem Markt ist, also sein Solo-Album war letzte Saison, das wurde ausgezeichnet, und eine bemerkenswerte Stimme. Und natürlich gab es auch immer wieder bei den Zuspielern schon Anregungen, dass man sagt, ach, davon möchte ich eigentlich gerne mehr hören.
Und dann, finde ich, ist schon der Sinn der Veranstaltung erfüllt, wenn man wirklich Leute neugierig macht auf das, was gibt es eigentlich auf dem aktuellen Klassikmarkt? Es ist ja so, dass es kaum noch Nischen gibt, wo man wirklich die aktuelle Klassikszene mal beleuchten kann. Und wenn das wirklich einmal im Jahr gemacht wird zu einer relativ populären Sendezeit – das war ja ab 22:00 Uhr –, dann finde ich das gut, zumal in den letzten Jahren die Mischung von Künstlern und von Musikstücken also immer runder wurde.
Ich kann mich an frühere Versionen des ECHO Klassik erinnern, wo es da wirklich krasse Brüche gab, wo dann Dietrich Fischer-Dieskau neben einem Cross-over-Starlet – anders konnte man das nicht sagen – auftreten musste und wo man dann sagte, hui, das ist jetzt wirklich ein bisschen, das geht ein bisschen weit auseinander. Von daher finde ich den ECHO Klassik von Jahr zu Jahr eigentlich gelungener, wenn ich die letzten Jahre mal Revue passieren lasse. Und die Hoffnung ist ja, dass man Leute zur Klassik bringt, die sonst eher daran vorbei gehen.
Und da muss man in dem Zusammenhang auf ein Highlight der gestrigen Übertragung zu sprechen kommen, nämlich der Auszeichnung des Musikprojektes El Sistema, dieses in der Welt einmalige Zusammenspiel von Jugend- und Kinderarbeit und Musikerziehung. Das heißt, dieses von aller Welt beneidete Projekt, was schon seit 35 Jahren mit enormem Erfolg anläuft – also, in Venezuela gibt es so viele Kinder- und Jugendorchester wie pro Kopf gerechnet in Deutschland Fußballvereine, das muss man sich mal vorstellen –, das ist nun wirklich das Werk eines Mannes, José Antonio Abreu, der wurde für dieses Lebenswerk gestern ausgezeichnet mit allem Recht der Welt. Und natürlich standen da alle Leute im Publikum wie ein Mann auf, um dieses Projekt zu würdigen. War ein ganz großer Moment.
Schäfer-Noske: Thomas Voigt war das über die Verleihung des ECHO Klassik gestern Abend in Berlin.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Thomas Voigt: Na ja, die 60 sind schon mal als Auswahl, falls andere Künstler abspringen. Denn man muss ja bedenken, es ist höchstens ein halbes Jahr vorher bekannt. Und bekommen Sie dann mal auf einen Live-Termin so viele Künstler, da müssen Sie schon mal sozusagen Manövriermasse haben, dass, wenn wer absagt, dass man dann einen anderen Preisträger einspringen lassen kann. Insofern kommt das zu so einer großen Zahl.
Schäfer-Noske: Aber es ist ja doch irgendwo auch eine Inflation der Preise beim ECHO Klassik. Wäre es denn nicht besser, nur zehn Leute auszuzeichnen, und die könnten ja dann auch richtig lange was spielen? Denn die präsentieren ja dann auch immer so Musikhäppchen, wenn man so will.
Voigt: Ja, ja, Gott, mit lange spielen, da muss man eben bedenken: Es ist ein Format für Millionen und man möchte, dass Millionen am Fernsehapparat bleiben. Und man ist eben beim ZDF der Meinung, dass das dann geht, wenn es a) bekannte Namen und bekannte Stücke sind. Also, es ist schon bemerkenswert, wenn da mal was zwischen ist, wo man sagt, hui, das ist aber fürs Fernsehpublikum schon ein bisschen anspruchsvoller, hoffentlich schalten da nicht so viele ab oder um. Also, insofern, das muss man immer im Hintergrund behalten, man möchte ja doch, dass die Leute bei der Stange bleiben.
Schäfer-Noske: Nun ist ja ein Problem des ECHO-Klassik-Preises auch immer gewesen, dass sich da praktisch die Phono-Industrie selbst auszeichnet …
Voigt: Na ja, es ist eben von der Industrie direkt kommend und nicht von einer unabhängigen Jury. Das Thema haben wir seit Jahren, seitdem es diesen ECHO Klassik gibt, ist das das Thema: Warum nennt man das nicht einfach die Klassik-Show des Jahres, warum muss das mit Preis verbunden sein? Preis ist vielleicht auch spektakulärer, vielleicht hat man auch auf den Obpreis, eben den normalen ECHO geguckt und gesagt, wir müssen von der Klassik aus dem jetzt was an die Seite stellen, das kann gut sein. Aber ehrlicher wäre es, wenn man das einfach Konzert der Musiker des Jahres nennen würde.
Schäfer-Noske: Wie war denn diesmal die Mischung aus den bekannten Klassikstars und den unbekannteren, jungen Talenten?
Voigt: Ich fand die Mischung auch musikalisch diesmal gelungen. Also, es waren keine Auftritte, wo ich sagte, ja Gott, das hätte man vielleicht anders machen können. Es war dieser doch sehr schmale Grat zwischen Popularität und Anspruch, zu 80, 90 Prozent war der da. Einziger wirklicher Tiefpunkt war für mich der Auftritt des Kabarettisten Kurt Krömer, da weiß ich wirklich nicht, was diese Nummer mit der Berliner Schnauze da in diesem Programm zu tun hatte, das fiel also deutlich raus.
Schäfer-Noske: Konnte man denn Entdeckungen machen?
Voigt: Entdeckungen schon. Also, das war sicherlich für viele die Violinistin Vilde Frang, das war auch noch für einige der Tenor Vittorio Grigolo, der ja noch nicht so lange auf dem Markt ist, also sein Solo-Album war letzte Saison, das wurde ausgezeichnet, und eine bemerkenswerte Stimme. Und natürlich gab es auch immer wieder bei den Zuspielern schon Anregungen, dass man sagt, ach, davon möchte ich eigentlich gerne mehr hören.
Und dann, finde ich, ist schon der Sinn der Veranstaltung erfüllt, wenn man wirklich Leute neugierig macht auf das, was gibt es eigentlich auf dem aktuellen Klassikmarkt? Es ist ja so, dass es kaum noch Nischen gibt, wo man wirklich die aktuelle Klassikszene mal beleuchten kann. Und wenn das wirklich einmal im Jahr gemacht wird zu einer relativ populären Sendezeit – das war ja ab 22:00 Uhr –, dann finde ich das gut, zumal in den letzten Jahren die Mischung von Künstlern und von Musikstücken also immer runder wurde.
Ich kann mich an frühere Versionen des ECHO Klassik erinnern, wo es da wirklich krasse Brüche gab, wo dann Dietrich Fischer-Dieskau neben einem Cross-over-Starlet – anders konnte man das nicht sagen – auftreten musste und wo man dann sagte, hui, das ist jetzt wirklich ein bisschen, das geht ein bisschen weit auseinander. Von daher finde ich den ECHO Klassik von Jahr zu Jahr eigentlich gelungener, wenn ich die letzten Jahre mal Revue passieren lasse. Und die Hoffnung ist ja, dass man Leute zur Klassik bringt, die sonst eher daran vorbei gehen.
Und da muss man in dem Zusammenhang auf ein Highlight der gestrigen Übertragung zu sprechen kommen, nämlich der Auszeichnung des Musikprojektes El Sistema, dieses in der Welt einmalige Zusammenspiel von Jugend- und Kinderarbeit und Musikerziehung. Das heißt, dieses von aller Welt beneidete Projekt, was schon seit 35 Jahren mit enormem Erfolg anläuft – also, in Venezuela gibt es so viele Kinder- und Jugendorchester wie pro Kopf gerechnet in Deutschland Fußballvereine, das muss man sich mal vorstellen –, das ist nun wirklich das Werk eines Mannes, José Antonio Abreu, der wurde für dieses Lebenswerk gestern ausgezeichnet mit allem Recht der Welt. Und natürlich standen da alle Leute im Publikum wie ein Mann auf, um dieses Projekt zu würdigen. War ein ganz großer Moment.
Schäfer-Noske: Thomas Voigt war das über die Verleihung des ECHO Klassik gestern Abend in Berlin.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.