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Zwischen Rubelkrise und Mafia

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Corinna Arndt |
    Im Osten geht die Sonne auf. Das hat sich unter deutschen Unternehmern schon vor Jahren herumgesprochen. Alle waren sich einig: Kaum ein Markt bietet bessere Zukunftschancen als der russische mit seinen 140 Millionen potenziellen Konsumenten. Doch 1998 verpufften die Träume. Rubelkrise. In Scharen verließen verschreckte Investoren das Land, und wer noch nicht da war, der legte seine Russland-Pläne erst mal auf Eis. Steffen Barth von der "Wirtschaftsförderung Sachsen GmbH.” berät sächsische Firmen, die nach Russland gehen wollen. Er erinnert sich an die Krisenzeit:

    Es wusste ja keiner, wie' s weiterging. Der Rubel war ja freigelegt, man hatte keine Zahlungssicherheit, Bankensicherheit, und da ist keiner auf den Markt gegangen. Aber mit der Machtübernahme von Putin ist wieder mehr Sicherheit entstanden, was natürlich viele Unternehmer veranlasst, wieder auf diesen Markt zu gehen.

    Russland steht wieder hoch im Kurs. Doch das Risiko zu scheitern ist nach wie vor groß. Staatlichen russischen Angaben zufolge gibt es weit über tausend russisch-deutsche Gemeinschaftsunternehmen. Allein in Moskau sind mehr als 600 Tochterfirmen mit einhundertprozentigem deutschen Kapital registriert.

    Ostdeutsche Unternehmen sind traditionell gut vertreten. Viele haben sich nur vorübergehend zurückgezogen und die Durststrecke nach der Krise genutzt, um jetzt wieder Fuß zu fassen - so etwa die Firma "Kírow” in Leipzig, die mit hundertachtzig Mitarbeitern Eisenbahndrehkrane herstellt. Vor der Wende versorgte "Kirow” ganz Osteuropa mit Kranen, und noch bis 1998 machte das Unternehmen 80 Prozent seiner Umsätze in Russland. Seit der Rubelkrise haben die Leipziger keinen einzigen Eisenbahndrehkran mehr verkauft, erzählt Jürgen Klostermann, der sich um den Vertrieb in Osteuropa kümmert:

    Ja, das war natürlich für uns schon ein Einschnitt, aber völlig unerwartet kam er nicht. Wir haben das zwar als Einbuße empfunden, aber wir haben es eben überbrücken können und versuchen jetzt, Wege und Möglichkeiten zu finden, dass wir an diesem Punkt wieder anknüpfen können. Da sind wir mittendrin, und ich sehe das recht optimistisch.

    Auf keinen Fall wolle die Firma zukünftig auf den russischen Markt verzichten. Mit Putin seien neue Fachleute ans Ruder gekommen, die darauf bedacht sind, international den Anschluss nicht zu verlieren. Erste Erfolge können die Leipziger schon verbuchen: Im vergangenen Jahr haben sie sich mit der russischen Eisenbahngesellschaft auf ein gemeinsames Modernisierungsprogramm geeinigt. Jürgen Klostermann:

    Die Zielvorstellung für uns ab 2003 sollte sein, dass wir zwei bis vier Krane modernisieren mit einem russischen Partner und jedes Jahre einen neuen Kran verkaufen.

    Er ist überzeugt, dass Geduld sich auszahlt. Über Jahre hat er seine Russland-Kontakte gepflegt. Viele davon stammen noch aus der Zeit vor 1989:

    Man musste den Übergang nutzen, mit seinen alten Partnern, die ja als Mensch da waren, sich aber auch beruflich neu orientieren mussten, mitzugehen. Und das haben wir gemacht. Das ist nicht ohne, mit dem sich schnell drehenden Personalkarussell immer mithalten zu können.

    Ein Unternehmen wie "Kirow” ist auf den russischen Staat als Kunden angewiesen - zumindest, bis die Eisenbahn vollständig privatisiert ist. Firmen in andere Branchen haben es leichter, vom wirtschaftlichen Aufschwung in Russland zu profitieren. Steffen Barth:

    Die Boombranche, die nie nachgelassen hat, das ist der gesamte Anlagenbau. Sowohl im erdölverarbeitenden Bereich, auch im nahrungsmittelverarbeitenden Bereich, Verpackung. Es boomt rund um den Wohnungsbau. Es scheint auch zu boomen der IT-Bereich, also im Software-Bereich, dass man Software in Russland produzieren lässt. Und ansonsten wird boomen der gesamte Dienstleistungsbereich. Wenn man sich die Wirtschaftssituation in Deutschland betrachtet, die ja nicht gerade rosig ist und die noch vorhandenen Märkte betrachtet in der Welt, da gibt es nur zwei Märkte, und das ist GUS inkl. Russland und China. Und die Spezialisten sind sich einig: Der Zukunftsmarkt auch im Produktionsbereich wird der russische Markt sein.

    Wer jetzt nicht nach Russland geht, der ist nicht dabei. Vor allem für die Bau- und Bauzuliefererindustrie hat die Zukunft bereits begonnen. Die russische Oberschicht investiert massiv in Wohneigentum. Besonders um Moskau und St. Petersburg schießen Wohnhäuser wie Pilze aus dem Boden.

    Eines dieser Wohngebiete liegt im Westen von Moskau. Hinter Mauern versteckt und von Wachposten gesichert entstehen hier die privaten Villen der "Neuen Russen”- zum Teil im Wert von mehreren Millionen Dollar. Vor einem der üppigen Rohbauten steht Hans-Jürgen Opitz. Er vertritt eine Firma aus Querfurt, die sich auf Dächer und Abwassersysteme aus Kupfer und Titanzink spezialisiert hat.

    Sie sehen jetzt hier ein privates Wohnhaus, wo die Firma Reinhard Bennemann das Material komplett aus Deutschland geliefert hat. Die Eindeckung wird hier gemacht und alles andere, was man vom Dach ableitet - die Dachrinne, die Rohre, die Bogen, die Halterung - das wird auf den Hochtechnologiemaschinen in Deutschland gefertigt.

    Doch zum Teil stammt es aus Russland, genauer: aus dem Betrieb, dem der stolze Eigentümer des Rohbaus als Vizedirektor vorsteht. Dímitri Símin schweigt sich über den Preis seines Traumhauses aus und weist lieber auf ein kleines Gartenhäuschen, das ebenfalls noch ein Dach aus deutschem Kupfer erhalten soll.

    Das ist eine gute Qualität. In Russland wird zurzeit auch mit Kupfer gedeckt, aber diese Qualität kann man nur von der deutschen Firma bekommen. Wir stehen schon lange Zeit in Geschäftsbeziehungen, und mir gefällt die Qualität von dieser Firma.

    Dímitri Símins Kupfer ist von schlechterer Qualität und dazu noch teurer als das deutsche. Dennoch landet es an nicht einsehbaren Stellen auf seinem Dach. Diesen Widerspruch erklären die beiden Geschäftspartner nur ungern. Schließlich müsse man langfristig planen und auch den Kupfermarkt im Auge behalten. Die Zukunft sei allerdings vielversprechend. Hans-Jürgen Opitz ist ein alter Hase im Russlandgeschäft und lebt bereits seit 25 Jahren im Land. Seiner Meinung nach haben ostdeutsche Firmen nicht nur den Vorteil, dass sie sich leichter mit der russischen Sprache tun:

    Die alten Wirtschaftskontakte aus der sozialistischen Zeit existieren ja auch hier noch. Die ganzen Strukturen sind ja auch hier noch nicht gebrochen. Und wenn ein ehemaliger Generaldirektor auch heute noch in seinem Amt ist, versucht er natürlich, die Kontakte, die er mit ostdeutschen Firmen gehalten hat, auch weiter auszubauen. Ohne Kontakte beißt man sich hier in Russland auf dem russischen Markt die Zähne aus und hat wirklich keine Chance.

    Gute Geschäftskontakte entstehen zumeist auf der Basis persönlicher Freundschaften. Ausländische Investoren sollten die dafür nötige Zeit und Geduld mitbringen. Trinkfest müsse man allerdings nicht sein, um erfolgreich mit einem russischen Partner verhandeln zu können, erzählt Steffen Barth:

    Er muss spüren, dass du ihn auch akzeptierst. Erst dann kann man überhaupt über einen Vertrag oder eine Vereinbarung reden. Es gibt ja diesen alten Spruch: Die erste Beratung - wenn ich was verkaufen will oder eine Idee habe - die geht meistens so auseinander, dass du am Schluss nicht weißt: Bin ich nun gut oder bin ich schlecht? Wenn du dann das zweite Mal eingeladen wird, dann weißt du: Aha, du bist schon etwas besser. Und wenn du dann abends zum Essen eingeladen wirst, dann bist du schon fast gut. Und wenn der russische Partner dich dann noch in eine Sauna einlädt - oder eine Banja - dann ist der Vertrag perfekt.

    Eine Garantie für eine sorgenfreie Zukunft bietet das freilich nicht. Auch Hans-Jürgen Opitz hat schon schlechte Erfahrungen mit russischen Geschäftsleuten gemacht und deshalb schließlich seine eigene Firma gegründet. Sollte sich die Lage im Land verschlechtern ist er an niemanden gebunden und kann seine Maschinen ohne viel Aufwand zurück nach Deutschland schaffen.

    Neulinge im Russlandgeschäft haben ohne seriöse Partner vor Ort kaum eine Chance. Und nicht wenige deutsche Unternehmer versuchten auf abenteuerlichen Wegen, Partner zu finden, beklagt Regina von Flemming vom "Verband der Deutschen Wirtschaft” in Moskau:

    Sie sitzen im Flugzeug und sagen: "Ich kenne da einen, der da einen kennt." Und das ist die gefährlichste Anbahnung, dass jemand sagt, er hat super Kontakte zum Gouverneur XY. Damit hauen sich die Unternehmen selbst in die Krise, weil: Die spontane Entscheidung hierher zu kommen nutzt nichts. Man muss sich von Anfang an gute Rechtsberatung nehmen, steuerliche Beratung; man muss von Anfang an kleine Brötchen backen, das heißt, man muss sehr realistisch sein und hier nicht gleich den großen Wurf machen wollen. Man muss wirklich ein bisschen üben, weil Russland ist - finde ich - unter den mittel- und osteuropäischen Märkten der schwierigste , und da sollte man vielleicht erst mal die Pflicht in Polen tun oder in Tschechien, ehe man sich dann in so ein Land wie Russland traut.

    Grundsätzlich seien deutsche Geschäftsleute in Russland willkommen - sie müssten sich jedoch auf zwei bis drei Jahre harte Arbeit einstellen. Regina von Flemming empfiehlt zudem, mögliche Partner von professionellen Agenturen überprüfen zu lassen. Auch die russische Firmenkultur ist für viele Ausländer gewöhnungsbedürftig. Vor allem kleine Betriebe sind von einer transparenten Buchhaltung oft weit entfernt. Eine Partnerschaft kann zum Alptraum werden, wenn die deutsche Firma den Mauscheleien ihres russischen Partners hilflos gegenüber steht. So antwortet Regina von Flemming auf die Frage nach dem Investitionsklima in Russland nüchtern:

    Manchmal frage ich mich, ob die Russen uns überhaupt wollen. Weil, was sie wollten zu Anfang war unser Know-How, was sie auch wollten war zu Anfang unser Geld. Das ist heute nicht mehr der Fall. Manchmal denke ich, die würden das auch lieber ohne uns machen, das sage ich ganz ehrlich. Das merkt man daran, dass wenn man zum Beispiel Minderheitsaktionär ist in einem Unternehmen man auch ordentlich über den Tisch gezogen wird. Nach rechtlichen Spielregeln. Denn Minderheitsaktionärsrechte werden nicht geschützt - oder sehr wenig geschützt.

    Doch auch wenn es noch Hürden wie diese zu überwinden gilt - es geht voran in Russland. Schlecht ausgebildete Arbeitskräfte zum Beispiel sind heute kein Problem mehr: In den vergangenen Jahren ist eine Gruppe von top ausgebildeten Fachleuten herangewachsen - ein Potenzial, das viele Unternehmer noch immer unterschätzen. Anders als sein Vorgänger Jelzin steht Präsident Putin im Ruf, ein offenes Ohr für ausländische Unternehmer zu haben. Was er anschiebt, das hat Hand und Fuß, so die einhellige Meinung. Und deutsche Investoren profitieren von einer Reihe konkreter Reformen. Steffen Barth:

    Steuerreform an erster Stelle, an zweiter Stelle würde ich das Gesetz über Grund und Boden nennen, und er hat das Bankensystem reformiert, so dass eine bessere Sicherheit bei den Banken eingetreten ist. Was natürlich die alten Probleme sind - Bürokratie, Korruption, Zoll - das wird noch Jahre dauern.

    Doch auch hier scheint sich eine Trendwende abzuzeichnen. Schutzgelder sind kaum noch ein Thema; und am Schmiergeld scheiden sich inzwischen die Geister. Der "Verband der Deutschen Wirtschaft” in Moskau warnt seine rund 360 Mitglieder, dass sich erpressbar macht, wer schmiert und besticht.

    In der Praxis ist Schmiergeld aber noch immer nicht wegzudenken. Russische Partner bieten deshalb fast den einzigen Weg für deutsche Firmen, sich im Dschungel aus Korruption und Bürokratie zurecht zu finden. Sie kennen die Schlupflöcher und wissen, wer gegen eine kleine Aufmerksamkeit weiterhelfen kann.

    Das Moskauer Unternehmen "Jéwroflag” übernimmt diese Aufgabe für seine Partnerfirma "Sachsenfahnen” in Kamenz. Während sich das Haus in Kamenz grundsätzlich nicht zu seinen Russland-Kontakten äußern will, beantwortet der russische Marketingchef Wadím Makújew die Frage nach dem Schmiergeld bereitwillig, auch wenn sie ihm offensichtlich unangenehm ist:

    Ja, stimmt, es gibt diese Dinge hier. Im wesentlichen, um Entscheidungen zu beschleunigen, das ist nicht unüblich in unserem Land. Nicht nur in unserer Firma, sondern überall, in jeder Firma. Im Prinzip plant man für jedes Projekt von vornherein eine bestimmte Summe ein, die für die Lösung eben solcher schwieriger Fragen vorgesehen ist.


    Die Firma "Sachsenfahnen” stellt Werbeflaggen her und kooperiert eng mit ihrem Moskauer Partner. Kamenz liefert das technische Know-How und die Maschinen. Tatsächlich produziert die Moskauer Firma aber hauptsächlich Einzelstücke und gibt alle größeren Aufträge nach Deutschland weiter. Wadím Makújew:

    Für uns wie für unsere deutschen Kollegen bietet diese Partnerschaft einen großen Konkurrenzvorteil, weil wir noch gar nicht in dieser Größenordnung und mit dieser Geschwindigkeit in Russland produzieren können. Und daran wird sich auch in nächster Zeit nichts ändern. Unsere deutschen Partner können große Mengen in kurzer Zeit herstellen und die Ware mit unserer Hilfe besser über solche Hindernisse wie den Zoll nach Russland bringen. Das ist alles in allem billiger als hier zu produzieren.

    Gerade kleinere Unternehmen tun sich häufig schwer, entscheidende Teile ihrer Produktion nach Russland zu verlagern. Der Grund sind die immens hohen Startkosten in den Metropolen Moskau und St. Petersburg. Das beginnt bei völlig überhöhten Mieten und endet im Filz der Bürokratie. Grundsätzlich sei es deshalb einfacher, in den Regionen Fuß zu fassen, meint Steffen Barth.

    Wenn sie mich persönlich fragen - von Moskau rate ich jedesmal ab, wenn es ein kleineres Unternehmen ist. Wenn jetzt Siemens kommt oder AMD, das ist egal, die brauchen uns nicht. Aber für ein klassisches mittelständisches sächsisches Unternehmen in Moskau etwas verkaufen zu wollen ist sehr schwer, kostet sehr viel Geld, und die Kapitaldecke bei unseren Unternehmen ist nicht so stark.

    Im Gegensatz zu den großen Konzernen können sich die flexiblen Mittelständler allerdings schneller an eine veränderte Marktlage anpassen. Das verhelfe ihnen in vielen Fällen zum Erfolg, sagt Regina von Flemming.

    Weil die einen Unternehmergeist haben, einen Willen, auch Dinge zu bewegen, schnelle Entscheidungen zu Hause. Die stehen dann auch als Mütterhäuser hinter den Vertretern ihrer Firmen vor Ort. Für die ist es viel wichtiger, dass das ein Erfolg wird als für einen Großkonzern. Die Erfolgsstories von deutschen Investitionen sind alles Mittelständler.

    Eines dieser Vorzeigebeispiele ist die Firma "Schiwa-Profile” aus dem sächsischen Freiberg, die Putz- und Trockenbauprofile herstellt und ebenfalls vom derzeitigen Bauboom in Russland profitiert. 1999 lernte Jürgen Walther, der Geschäftsführer, seinen späteren St. Petersburger Partner kennen. Ein halbes Jahr später lieferte er die ersten Profiliermaschinen nach Russland. Heute beschäftigt er 30 Mitarbeiter in Sachsen und ist Hauptgesellschafter der St. Petersburger Firma mit weiteren zehn Angestellten. Die Maschinen laufen rund um die Uhr.

    Mehrmals im Jahr treffen sich die Partner. Techniker fliegen nach Russland, wenn es Probleme gibt - aber auch, um Mitarbeiter auszubilden. Jürgen Walther gehört zu den wenigen, die sich nicht über ihren russischen Partner beklagen.

    Ich bin in der Partnerschaft derjenige, der das Know-How liefert, das heißt die gesamte Ausrüstung, die Maschinentechnik und natürlich das Geld. Weil die schwierigste Startbedingung derzeit in Russland ist das Kapital. Zinssätze liegen in St. Petersburg derzeit zwischen 25 und 40 Prozent, und das für ein Jahr. Unter diesen Voraussetzungen ist ein seriöses Geschäft kaum aufzubauen. Das heißt, es sind immer Partner gesucht, die diesen Schritt auch finanzieren können. Wir haben alles privat finanziert und bauen dieses Unternehmen dementsprechend seriös, langsam und in kleinen Schritten auf.

    Circa eine Million Euro hat er bisher in die russische Firma gesteckt. "Schiwa-Profile” arbeitet kostendeckend und wird in diesem Jahr in die Gewinnzone einfahren. Dann will Jürgen Walther weiter investieren. Sein Spielraum ist allerdings begrenzt, weil es von deutscher Seite aus kaum Förderprogramme gibt. Und Kredite sind nicht nur ein Problem in Russland, sondern auch zu Hause, bestätigt Regina von Flemming:

    Das Problem ist, dass die deutschen Banken da etwas unfair sind, weil die sagen: "Wir brauchen eine Garantie der Mutterfirma." Da sollten die deutschen Banken nicht argumentieren und sagen: "Das ist das Länderrisiko Russland", dann das teilen wir alle gemeinsam. Wenn heute ein Unternehmen hier vor Ort einen Kredit aufnehmen will bei einer deutschen Bank, die hier repräsentiert ist, und selbst die Mutter eine Garantie gibt, dann kommt das spätestens in Frankfurt in der Zentrale am Kreditkomitee nicht vorbei. Und das ist unfair.

    Jürgen Walther trägt das Länderrisiko Russland. Mehr noch: Der osteuropäische Markt ist für ihn zu einem zweiten Standbein geworden. Auf das ist er angewiesen, um die Wirtschaftsflaute in Deutschland zu überstehen.

    Von der Seite her ist Russland für uns schon die Chance, zumindest überschüssige Kapazitäten, die wir ja derzeit hier haben, zu nutzen. Ohne dass wir die Maschinen verschrotten oder stilllegen müssen werden die umgesetzt und in einem anderen Markt eingesetzt.

    Die Zukunft sieht vielversprechend aus für das Freiberger Unternehmen. Einziger Wermutstropfen: Je besser die Geschäft laufen, desto wahrscheinlicher wird es, dass die russische Mafia sich für die Firma interessiert. Noch hat Jürgen Walther damit keine Probleme, doch ausschließen will er es nicht:

    Das ist ein Problem, wenn man eine Betriebsgröße erreicht hat, die gewissen kriminellen Vereinigungen zumindest den Eindruck des Kapitals bringt, dann hat man mit diesen Leuten auch zu tun. Wir kennen es ja eigentlich nur aus dem Bereich Prostitution, Hotelerie und Gastronomie, aber natürlich auch die Großindustrie. Die zahlen logischerweise ihre Schutzgelder alle. Und das Problem ist, dass das hemmt, einmal, weil das Geld wieder für Investitionen fehlt, aber natürlich auch deine eigene Entwicklung, weil du alles so organisieren musst, dass du mit deiner Firma weitestgehend nicht auffällst.

    Probleme dieser Art muss der Kreml lösen, will er zögerliche ausländische Investoren überzeugen. Andere Handelshemmnisse wie das leidige Zollproblem oder die undurchsichtige russische Buchhaltung dürften hingegen spätestens mit dem geplanten Beitritt Russlands zur WTO der Vergangenheit angehören.