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Zwischen Selbstentfaltung und ökonomischem Kalkül

Teamfähige, kreative, eigenverantwortliche Mitarbeiter, denen Leistung Spaß macht: Solche Menschen sind auf dem Arbeitsmarkt gefragt. Selbstverwirklichung ist zwar erwünscht, doch immer öfter wird Leistung am ökonomischen Erfolg gemessen. Am Institut für Sozialforschung an der Universität Frankfurt am Main ist der Wandel des Leistungsbegriffs untersucht worden.

Von Barbara Weber |
    ""Sie gehen voran und denken weiter. Sie setzen sich hohe Ziele und schützen ihre Werte. ... Wir teilen Ihre Leidenschaft. Deutsche Bank - Leistung aus Leidenschaft.""

    "Natürlich kann man sich fragen "Leistung aus Leidenschaft" in einer Bank, ist das tatsächlich das, was ich von einer Bank erwarte, ist es nicht eher Seriosität, Verlässlichkeit, Korrektheit etc."

    Kai Dröge, Soziologe am Institut für Sozialforschung an der Universität Frankfurt.

    "Nun, ich glaube, dass das tatsächlich auch ein bisschen provozieren soll wahrscheinlich, dieser Werbespruch der Deutschen Bank, vielleicht mit dem etwas biederen Image aufräumen soll, dass das die Idee war. Aber interessanterweise ist das nicht nur ein Werbespruch nach außen, sondern es ist auch der zentrale Satz der Unternehmenskultur nach Innen, der Unternehmensphilosophie, die die Deutsche Bank sich selber gegeben hat."

    Das zeige vor allen Dingen,....

    ".... wie weit auch dieses neue Arbeits- und Leistungsverständnis sich inzwischen in der Gesellschaft verbreitet hat, dass selbst in einem solchen traditionsreichen Bankhaus diese Elemente offensichtlich besonders betont werden und von den Mitarbeitern tatsächlich eingefordert wird, sie sollen Leistung aus Leidenschaft erbringen."

    Wie hat sich der Leistungsbegriff in der Arbeitswelt in den letzten Jahren verändert? Das wollten Wissenschaftler des Frankfurter Instituts für Sozialforschung unter Leitung von Professor Sighard Neckel wissen. Sie interviewten Arbeitnehmer, Arbeitslose und Selbständige aus unterschiedlichen Berufen. Dabei zeigten sich zwei Entwicklungen...

    ".... die auch ein bisschen zueinander in Widerspruch stehen zum Teil."

    Die eine Entwicklung...

    "... ist eigentlich eine Ausdehnung der betrieblichen Leistungsdefinition, wo neue Elemente aufgenommen werden wie beispielsweise Kreativität, Selbststeuerung, solche Kompetenzen. Es geht also nicht mehr so stark wie früher noch darum, die eigene Persönlichkeit am Fabriktor abzugeben, sondern es ist auch in den Unternehmen selbst immer mehr die Erwartung, dass die Beschäftigten sich mit ihrer ganzen Person, mit allen Fähigkeiten, die sie dort mitbringen, in die Arbeit einbringen und in der Arbeit engagieren."

    Die andere Entwicklung läuft eigentlich auf eine Verengung des Leistungsbegriffs zu...

    "... nämlich auf einen besonderen Fokus auf das Ergebnis des Leistungshandelns und hier insbesondere auf die Frage, inwiefern ist dieses Ergebnis marktförmig verwertbar, inwiefern ist es ökonomisch verwertbar. Das sind zwei Entwicklungen, die tatsächlich den Wandel der Leistungsbegriffe und der Leistungs-bewertungsverfahren innerhalb der Wirtschaft kennzeichnen und die zum Teil auch miteinander in Konflikt geraten."

    Der Leistungsbegriff hat sich dramatisch gewandelt.

    "Man könnte sagen, dass man sich früher Wirtschaftsorganisationen wie eine Art Maschine vorgestellt hat, wo jedes Rädchen ins andere greifen sollte. Jeder hatte seinen definierten Platz und eigene Entscheidungen oder in irgendeiner Form eigene Ideen zu entwickeln war nicht gefragt, sondern die Idee war, jeder sollte die ihm zugewiesenen Pflichten und Aufgaben erfüllen. Also denken Sie an diesen Film von Charlie Chaplin "Modern Times" und wie er selbst in dieses Räderwerk der modernen Organisation gerät."

    Das hat sich geändert. Andererseits gilt das nicht für alle Berufe. Müllmänner oder Kassiererinnen in einem Supermarkt würden es als grotesk empfinden, von ihrem Beruf Selbstverwirklichung zu erwarten. Auch in einer Bank müssen bestimmte Abläufe korrekt erledigt werden. Da ist die sonst geforderte Kreativität fehl am Platz.

    Über eines kann die von den Wissenschaftlern genannte neue "subjektive Arbeitswelt" nicht hinwegtäuschen:

    "Ein Wandel der Leistungsbewertung von der Aufwandsseite stärker auf die Seite des Ergebnisses."
    Während früher stärker die Arbeitszeit und die Qualifikation einer Person im Vordergrund standen, zählt heute häufig nur das Leistungsergebnis...

    ".... das dann beispielsweise in Form von Zielvereinbarungen oder so im vorhinein festgelegt wird, und dann liegt es letzten Endes an der einzelnen Person, dem einzelnen Beschäftigten, wie das zu erreichen ist. Wenn dann irgendwelche Probleme auftauchen und Mehrarbeit, also Mehraufwand erforderlich ist, dann ist das erst mal für das Unternehmen irrelevant, weil man sich ganz auf diese Ergebnisseite konzentriert."

    Das ganze wird noch einmal verschärft...

    ".... dadurch dass in dieser Bewertung der Leistungsergebnisse, Aspekte von ökonomischer Verwertbarkeit, von Markt, Marktkriterien der Leistungsbewertung immer wichtiger werden, das heißt, es geht nicht einfach um Zielvereinbarungen sondern auch um Zielvereinbarungen, die an den ökonomischen Erfolg letzten Endes gekoppelt sind. Diese Verschiebung hat tatsächlich diese Aufwandsseite der Leistung noch mal stärker entwertet, weil natürlich bei der Marktbewertung eines Leistungsergebnisses viele Aspekte eine Rolle spielen, auf die der Einzelne durch seine Arbeit keinen Einfluss hat."

    Ein aktuelles Beispiel macht das deutlich: Nokia in Bochum.

    "Wo ja das Unternehmen also dieser Betrieb sehr erfolgreich gearbeitet hat, und man auch sicherlich den Beschäftigten nicht vorwirft, dass sie ihre Ergebnisse, ihre Ziele verfehlt hätten und trotzdem eine übergreifende Marktentwicklung beziehungsweise eine ökonomische Überlegung, dass es eben im Ausland möglicherweise etwas günstiger zu produzieren dann dazu führt, dass ein solches Werk geschlossen wird, dann spielen halt viele Aspekte eine Rolle, die außerhalb dessen liegen, was der Einzelne noch beeinflussen kann."

    Menschen scheitern an dem Versuch, sich selbst zu verwirklichen, an den Erfordernissen des Marktes. Leistungsdefinitionen werden immer diffuser. Gleichzeitig steigt der scheinbar objektive Wert von Umsatzstatistiken, Kosten- rechnungen und Renditemaßzahlen, die ein Nimbus von Objektivität umgibt.

    Wie fragwürdig dieses Unterfangen ist, zeigt schon allein die Tatsache, dass der Börsenwert eines Unternehmens nie seinen tatsächlichen Wert wiedergibt.
    Heerscharen von Beratern werden engagiert, um die Effektivität intern zu überprüfen.

    "Aus unserer Forschung ist mein Eindruck, dass diese Vorstellung, man könnte die Leistung unternehmensintern in solchen Zahlenwerken erfassen, da scheint noch ein relativ großes Vertrauen zu sein, zumindest dass das prinzipiell möglich ist. Wir haben immer wieder sehr große Klagen auch darüber gehört, dass es konkret nicht funktioniert, aber das grundsätzliche Vertrauen, dass Zahlen, Kennziffern und letzten Endes auch Markterfolg, so etwas wie eine objektive Form der Leistungsbewertung sind, da gibt es durchaus noch ein gewisses Vertrauen, obwohl es sich im Konkreten immer wieder zeigt, dass es eigentlich nicht funktioniert."