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Zwischen Skepsis und Euphorie

Trotz oder gerade wegen der landläufigen Europa-Skepsis - in Deutschland wird die Werbetrommel für Europa gerührt. Denn die Deutschen stehen Europa an sich gar nicht so negativ gegenüber. Nur die EU selbst hat es schwer. Das scheinbar Selbstverständliche ist dabei immer noch unverzichtbar: immer neue Begegnungen auf der untersten Ebene, in Europaschulen, Studenteninitiativen, Europahäusern.

Von Michael Kuhlmann |
    Ein Sommerabend am Rande der Kölner Innenstadt. In der Szenekneipe Schmelztiegel trifft sich ein Dutzend junger Erwachsener. Die Kölner Gruppe einer europaweiten Studentenorganisation, der AEGEE.

    "AEGEE heißt: Association des Etats-généraux des étudiants de l’europe."

    Also frei übersetzt: Forum Europäischer Studierender. Die Germanistikstudentin Laure aus Frankreich ist seit vergangenem Jahr dabei.

    "AEGEE ist eine studentische Vereinigung, die ist vor 20 Jahren gegründet worden. Das wurde am Anfang gegründet für die Studenten, damit sie ein Forum haben oder damit sie ein bisschen was für Europa tun."

    15.000 Mitglieder zählt die AEGEE, 235 Gruppen arbeiten in 40 Ländern. Ihr wichtigstes Projekt heißt "Summer University". Hunderte Studenten verreisen für einige Wochen an auswärtige Universitäten in Europa, schlagen ihr Quartier auf in Madrid, Budapest, Marseille oder London.

    In Köln besteht das Programm für sie aus Sprachkursen, Kultur und - natürlich - praktischer Landeskunde. BWL-Student Tobias Niedermayer gehört zu den Organisatoren der Summer University in der Domstadt.

    "Hauptaufgabe von AEGEE ist eigentlich, die Grenzen innerhalb von Europa abzubauen, Vorurteile zwischen den Europäern abzubauen, wir wollen halt den europäischen Austausch, wir sind interessiert an Europa, und wir wollen die Leute kennenlernen; das ist der einzige Anreiz, den wir haben."

    Die Antwort der Studenten auf ein Problem, das die gescheiterten Verfassungsreferenden nur einmal mehr offenbart haben. Trotz oder gerade wegen der landläufigen Europa-Skepsis - in Deutschland macht eine ganze Reihe Initiativen Werbung für Europa. Denn die Deutschen stehen Europa an sich gar nicht so negativ gegenüber. Nur die EU selbst hat es schwer. Das sagt etwa der Soziologe Sven Papcke von der Universität Münster.

    "Meine These: Die Anti-Europäität ist eine der Enttäuschung. Über ein Europa, das nicht das hat werden wollen, wie wir es gerne gehabt hätten, sprich, dass das Gebilde in Brüssel fremder geblieben ist und bürokratischer geworden ist, als man es in der Europa-Euphorie sich einmal vorgestellt hat."

    "Ich glaub, der elementare Grund ist der, dass in den letzten Jahren viele Dinge einfach wahnsinnig schnell über die Bühne gegangen sind."

    Norbert Robers, deutscher Zeitungskorrespondent in Brüssel:

    "Man wusste also, die EU ist gegründet, um Frieden und Sicherheit in Europa zu schaffen, und, einfach gesagt, den Punkt haben wir jetzt abgehakt. Das ist zumindest das, was ich bei vielen höre, und viele fragen sich dann: Wenn wir den denn abgehakt haben, was kommt eigentlich jetzt?

    Und das ist sicher einer der Kritikpunkte, dass das in den letzten Jahren oder auch Monaten verpasst wurde, dass die EU an der Stelle gewissermaßen in die Offensive gegangen ist und gesagt hat, wir muten Euch viel zu, aber wir erklären Euch auch, wo die Reise hingeht, warum das gut für Euch ist und warum Ihr Euch nicht vor irgendetwas sorgen müsst."

    Da müssen also andere mit ihren Erklärungen aushelfen: besondere Schulen zum Beispiel - Europaschulen. Eine von ihnen liegt in Bornheim, auf halbem Weg zwischen Köln und Bonn. Wer Europa kennenlernen will, der kann das hier tun. Die Elftklässlerin Katharina Heuser hat es getan.

    "Also, ich persönlich hatte da ziemlich viel mit zu tun, ich hab beide Auslandspraktika, 9 und 11, gemacht, ich war in Tschechien, ich war in Hastings mit der Klasse, ich war in Brügge zweimal - einmal als Praktikum, einmal als Austausch, dann einmal als Praktikum in Aveso, also Mailand - ja, ich glaub, das war's."

    Außerdem bietet die Bornheimer Europaschule mehrsprachigen Unterricht, und sie bringt auch in Fächern wie Physik, Sport oder Mathematik europäische Themen auf den Tisch. 1994 bekam die Schule für ihre Aktivitäten die Europamedaille des Europäischen Parlamentes. Während die Klasse 6c im Musikraum das schuleigene Lied probt, umreißt Schulleiter Klaus Breil in seinem Büro ein Element des Konzepts.

    "Wir arbeiten projektorientiert mit unseren Schülerinnen und Schülern zusammen, mit unseren Partnern, und vereinbaren ein gemeinsames Thema, an dem wir arbeiten. Zum Beispiel - was gerade gelaufen ist - Barock in Prag mit unseren Prager Kolleginnen und Kollegen und Expressionismus im Rheinland.

    Oder: Zeitzeugenbefragung in Wolgograd oder auch Zeitzeugen aus der Schlacht von Stalingrad hier in Bornheim. Solche Dinge bespricht man mit den Partnern jeweils, und die Kolleginnen und Kollegen fahren dann mit den Schülern dorthin, bearbeiten gemeinsam mit den Schülern dort eine Woche lang dieses Thema, und genauso umgekehrt machen wir’s hier."

    Partner hat die Schule in 13 Ländern, und jedes Jahr geht mit einigen von ihnen solch ein Projekt über die Bühne. Freilich: verpflichtet sind die Schüler während ihrer acht Jahre hier nur, ein bis zweimal daran teilzunehmen. Amara Krings und Alexander Hamacher aus der Klasse 12 immerhin haben es genossen.

    "Man freut sich, also, wenn man übern Flur geht und hört, das ist wieder eine andere Sprache: da sind wieder welche da, also, es ist schon witzig, so was immer wieder zu sehen."

    "Also, ich hab in der kurzen Zeit, wo ich jetzt hier bin, bin seit zwei Jahren hier, mehr über Europa gelernt als in den sechs Jahren bzw. sieben Jahren, wo ich auf der anderen Schule war. Weil Europa nie so’n Thema war."

    "Das ist das Wichtige für uns, dass man Europa erlebt; dass Europa nicht die Normierungsinstanz für Apfelgrößen ist, die in den Köpfen grassiert, sondern dass man Europa wahrnimmt, gemeinsam an einer Sache orientiert arbeitet und sich somit begegnet."

    Auch der Tierpark in Leipzig soll derzeit solche Erfahrungen vermitteln. Hier arbeitet ein Dutzend polnischer Jugendlicher, die gerade das Abitur hinter sich haben. Unter ihnen die 20-jährige Alicia.

    "Wir arbeiten nicht miteinander, weil die Jungen, sie machen schwere Arbeit, und unsere Arbeit ist leichter, wir waschen den Käfig oder putzen Fenster, aufräumen, und die Jungen machen schwere Arbeit."

    Sie helfen zum Beispiel bei Bauarbeiten. Für einige Wochen ist die Gruppe aus einer Kleinstadt bei Breslau in Leipzig zu Gast. Organisiert wird dieses Praktikum vom Leipziger Europahaus. Einer Informationsstelle, die im Zentrum der Messestadt residiert und die von Maria Peter geleitet wird.

    "Das ist für uns eine große Genugtuung, wenn wir die jungen Leute nach einem Monat Aufenthalt in Leipzig in ihre Heimat verabschieden, und dann merken wir, wie aus Mauerblümchen echte Europäer werden."

    Maria Peter steht dem Haus seit dessen Gründung 1990 vor. Wert legt sie allerdings darauf, dass das Europahaus kein Ableger der EU-Behörden ist.

    "Die Tradition der Europahäuser reicht in die 60er Jahre zurück, und zwar sind das Einrichtungen, Bürgervereine, die sich auf ihre Fahnen geschrieben haben: Europa mitgestalten, nicht tatenlos zusehen."

    Das scheinbar Selbstverständliche ist dabei immer noch unverzichtbar, wenn man Europaskepsis eindämmen will: immer neue Begegnungen auf der untersten Ebene. Denn nachwachsende Generationen werden nicht automatisch zu Europäern. Von der polnischen Gruppe machen nun viele ihre ersten Erfahrungen in Deutschland mit Deutschen.

    "Sie sind sehr freundlich; sie helfen uns, und sie sprechen, korrigieren, sie sind sehr nett."

    "Deutsche sind sehr freundlich, und wir sehr oft sprechen mit Deutschen und mit jungen Leuten, und wir haben viele Kontakte, aber wir können eine andere Kultur kennenlernen, und das ist sehr wichtig."

    Neugierig allerdings sind nicht nur Alicia, Jakob und ihre Freunde. Neugierig auf Europa sind auch viele Deutsche. Das ist die Erfahrung von Thomas Krüger, dem Leiter der Bundeszentrale für politische Bildung.

    "Wir staunen darüber, wie vielfältig das Interesse an Europa ist. In unserer Angebotspalette, was die Themen betrifft, nimmt Europa schon seit einigen Jahren einen absoluten Spitzenplatz ein."

    Wobei die Besucher der Bundeszentrale allerdings keinen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung darstellen. Ganz unabhängig davon aber macht Krüger bei der politischen Bildung vielfach nationale Scheuklappen aus: die Perspektive sei zu sehr eine rein deutsche, italienische oder spanische.

    Die Bundeszentrale reagiert gerade darauf: sie baut ein neues Internetportal, das ständig über aktuelle europäische Debatten informieren soll - nicht nur auf deutsch, sondern auch auf englisch und französisch.

    "Europa als Thema muss auch europäisch sein können; in mehreren Sprachen, mit unterschiedlichen Erfahrungen, mit den kulturellen Diversitäten. Also, für mich ist so ein klassisches Beispiel der Film L’auberge espagnol, das ist ein Film, der ist ungefähr zwei oder drei Jahre alt und erzählt die Geschichte einer Kommune von Studenten, die alle im Erasmus-Programm organisiert sind."

    "Wir wollen hier - na du weißt schon - so cool wie möglich zusammenleben." - "Tja, also, möglicherweise wird es Schwierigkeiten geben, weil du Franzose bist und wir ja auch schon aus ganz verschiedenen Ländern sind." - "Na ja, ich bin Italiener, Tobias ist Deutscher, Lars ist Däne, Wendy ist Engländerin, und Soledad ist Spanierin." - " Wo liegt das Problem?? Wir haben doch gesagt, dass die Nationalität kein Problem sein darf!" -" Nein, natürlich nicht!" - "Ich kann die Franzosen gut leiden, ich hab mal 'n Jahr in Paris gewohnt! Ich kommt mit den Franzosen gut klar!" - "Lasst uns an die positiven Schwingungen denken! Ok, Alessandro?" - Es gefiel mir auf Anhieb! Das Chaos, das dort herrschte, sah genauso aus wie das Chaos in mir selbst."

    "Die Geschichte einer Kommune von Studenten, die aus sieben oder acht unterschiedlichen Ländern ihre Unterschiedlichkeiten, auch ihre Spleene, aber auch ihre unterschiedlichen Sprachen und Erfahrungen miteinander austauschen, und am Ende des Films hat man den Eindruck, dass diese Leute alle in einer neuen Qualität leben, mit einem anderen Horizont operieren können, eine größere Mobilität für ihre berufliche Entwicklung, ihre geistige Entwicklung erlangt haben, das ist ne sehr leichte, sehr fröhlich erzählte Geschichte, die aber deutlich macht, was Europa eigentlich bedeuten kann."

    Und mit der man Europa auch jenen Leuten nahebringen kann, die kaum den Weg zur Bundeszentrale für politische Bildung finden. Auch Karin Junker setzt auf die Massenmedien. Einblicke hat sie genug: die Sozialdemokratin war 15 Jahre lang Europaabgeordnete; heute sitzt sie in den Aufsichtsgremien des Fernsehsenders Arte und des Westdeutschen Rundfunks.

    "Also, ich will jetzt auch mal dem Hörfunk ein Kompliment machen, gerade hier Funkhaus Europa vom WDR, ein kleiner Bericht fällt immer schon mal ab, im Fernsehen ist es doch sehr viel schwerfälliger."

    Die Redaktionskonferenz von Funkhaus Europa in Köln. Es ist Freitagmorgen, halb elf - die routinemäßige Rückschau auf das Frühmagazin.

    ""Dann kam die Serie von Oliver Glaab - die Stadt Cherez und ihre Bodegas." - "Äh, Platitüdenalarm!" - "Platitüdenalarm??" - "Ja, Platitüdenalarm. Urlaubszeit-Ferienzeit ist so wie Väterchen Frost und Urlaubszeit-Reisezeit. Das ist nicht nur platt, das ist ne Platitüde. Und das ist strengstens verboten - bei der Gefahr des, ichweißnichtwas, Daumenschrauben."

    "Funkhaus Europa ist ein Magazinprogramm mit Musik und aktuellen Informationen."

    Programmchefin Jona Teichmann:

    "Und gleichzeitig ist es was ganz besonderes, weil wir zwei große Schwerpunktbereiche bedienen oder uns darauf konzentrieren: Zum einen ist das all das, was mit Interkulturalität, mit internationalem Zusammenleben zu tun hat. Also zum Beispiel, wie sich unser Leben in Nordrhein-Westfalen durch die Einwanderer verändert hat, und der andere große Bereich ist all das, was mit europäischem Zusammenwachsen zu tun hat. Was tut sich in den Nachbarländern, worüber reden die Leute da, was interessiert die, was regt die auf, was gibt es da für Wechselwirkungen zwischen den Ländern?"

    Leicht hat es Funkhaus Europa auf dem Radiomarkt allerdings nicht, in Nordrhein-Westfalen etwa kann man es nur in einigen Regionen hören. So erreicht die NRW-weite Einschaltquote kaum ein Prozent - unter Einwanderern immerhin hört jeder siebte das Programm regelmäßig.

    "Also, wir gehen davon aus, dass wir drei Zielgruppen haben, für die wir senden; das eine sind die Einwanderer oder die Menschen mit einem ausländischen Hintergrund, ansonsten hören uns Menschen, und für die senden wir gerne, die sich für interkulturelle Sachen, für Außenpolitik, für andere Sprachen, Kulturen interessieren, und die dritte Gruppe ist die, die mit unserer Art von World Music etwas anfangen kann, die uns wegen der Musik einschalten."

    "Die können nicht nur viel leisten, sondern auch Arte hat im Rahmen der Verfassungsdebatte - auch wenn's in Frankreich nicht von allen gleich goutiert wurde - haben die 'ne Menge getan. Das ist auch das einzige Programm, das Spielfilme wirklich aus allen Ecken und Kanten Europas zeigt. Was ja in den nationalen Programmen nicht der Fall ist, so dass man über Arte einfach viel vom europäischen Flair mitbekommen kann."

    Auf die Suche nach jenem europäischen Flair haben sich manche Deutsche allerdings auch selbst gemacht. Solche nämlich, die im Ausland eine Arbeit finden möchten. Lore-Elisabeth Hentze vom Deutschen Roten Kreuz in Sachsen-Anhalt berät sie in ihrem Büro in Halle an der Saale.

    "In den ersten Jahren waren es Leute, die gesagt haben: Ich möchte nicht in Deutschland bleiben, ich möchte mal was anderes sehen - also, spielte auch Abenteurertum eine gewisse Rolle - aber in den letzten drei, vier Jahren sind viele Leute von Arbeitslosigkeit betroffen; und Ende letzten Jahres war es deutlich zu spüren, dass viele ins Arbeitslosengeld II fallen würden und sich erkundigt haben: Was kann ich tun, finde ich noch einen Job, ins Ausland zu gehen?"

    Lore-Elisabeth Henze gehört zum Netzwerk EURES. Die Abkürzung für European Employment Services - eine internationale Arbeitsberatungsorganisation, die in Europa über 500 Anlaufstellen unterhält. In die Sprechstunde kommen viele Facharbeiter, aber auch Universitätsabsolventen, Ärzte, Techniker und Ingenieure.

    "Die Leute, die heute ins Ausland gehen, brechen ihre Brücken hinter sich nicht so strikt ab, wie das bei den Amerikafahrern zum Beispiel war oder bei den Kanadaauswanderern. Die haben die Hintertüren oder die Kontakte offen ins eigene Heimatland. Und oftmals ist es so, dass Leute fünf, sechs, sieben, acht Jahre im Ausland waren und dann zurückkommen."

    Auf dieser unteren Ebene kann Europa also funktionieren, allen Unkenrufen zum Trotz. Bleibt das Problem des Überbaus in Brüssel und Straßburg. Die EU selbst nämlich verkauft ihre politischen Anliegen schlecht. Beispiel Verfassungsvertrag. Wie Maria Peter vom Leipziger Europa-Haus - so hält auch Zeitungskorrespondent Norbert Robers den Vertrag an sich für eine gute Idee.

    "Nur: Man hätte sofort auf die Bürger zugehen und sagen müssen: das ist der Grund, das sind die Vorteile davon, die Öffentlichkeitsarbeit der Kommission ist in der Beziehung deutlich verbesserungswürdig."

    "Und ich ärgere mich sehr, wenn ich die dicken Bücher "Verfassung für Europa" sehe - damit kann man Europa nicht kommunizieren! Keiner liest 500 Seiten. Die Menschen wollen ganz einfache Antworten auf ganz klare Fragen haben."

    Eine Aufgabe für die Zeitungen, Fernsehen und Radio. Norbert Robers arbeitet in Brüssel für sechs deutsche Regionalzeitungen mit einer Auflagenzahl von insgesamt 1,5 Millionen - vom Bremer Weser-Kurier im Norden bis zu den Badischen Neuesten Nachrichten im Süden.

    "Ich glaub, diese Zeitungen sind ganz speziell dazu geeignet, viele Dinge zu erläutern, auch noch mal zu erklären, weil das die - in Anführungsstrichen - normalen Tageszeitungen sind, die der Karlsruher, der Bremer, der Saarbrücker morgens liest, da sind die Korrespondenten gefordert, bestimmte Gesetzesvorhaben, oder auch das große Ganze von mir aus, lesergerecht zu servieren, das heißt, für ihn zu übersetzen: Warum ist die Arbeitszeitrichtlinie für mich gut, schlecht oder zumindest wichtig? Wie ändert die Feinstaubrichtlinie möglicherweise mein Leben? Wird dann die Hauptstraße x oder y wegen möglicherweise zu hoher Feinstaubbelastungen gesperrt?"

    Soziologe Sven Papcke freilich nimmt auch die EU selbst in die Pflicht: Die beste Werbung für Europa sei nun einmal gute Politik an sich. Also mehr Transparenz, sinnvollere Subventionen und weniger Bevormundung. Aber selbst das wäre noch zuwenig.

    "Währung und Organisationen sind auf Sand gebaut, wenn sie nicht auf dem Bewusstsein und dem Willen der Bevölkerung irgendwo ruhen; und das tut Europa nicht. Kann es auch vielleicht nicht!

    Um das zu erreichen, bräuchten wir eine europäische Armee, beispielsweise, einen europäischen Fußballclub. Europäische Parteien. Eine europäische Sprache! Also, die Libido für Europa ist verschwunden. Das wäre das eine, und zum anderen sehe ich nicht, wie es weitergehen soll, wir stecken wirklich irgendwo fest, selbst wenn wir jetzt die Finanzprobleme lösen, selbst wenn wir jetzt die Frage der Türkei lösen - wo ist der Entwurf, wohin es weitergehen soll?"

    So müssen engagierte Pro-Europäer also bis auf weiteres Kleinarbeit leisten. Über Europa aufklären wie im Leipziger Europa-Haus. Kontakte erleichtern, nach dem Vorbild der Studentenorganisation AEGEE. Europas Kultur nach vorne bringen, wie im Fernsehprogramm Arte oder bei Funkhaus Europa. Schließlich: Europa leben, ähnlich wie in der Bornheimer Europaschule. Und in Sachen europäische Integration: auf die Zukunft hoffen. Karin Junker.

    "Es ist ein Prozess des Learning by doing. Es gibt kein Beispiel dafür! Also was ist eigentlich dieser europäische Traum? Es gibt keine Vorstellungen, das finale Ende ist mit Punkt x erreicht. Auch nicht im Europäischen Parlament, wo man sagt, genau da muss es irgendwo hingehen, sondern - das ist auch das Spannende an dem Prozess - es ist einfach ein Entwicklungsprozess!"