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Zwischen Sozialismus und freier Wirtschaft

Im Unterschied zu Parteien wie der SPD oder KPD, die nach der NS-Zeit an Mitgliederstruktur und Organisationsformen der Weimarer Republik anknüpfen konnten, war die Freie Demokratische Partei eine Neugründung. Am 12. Dezember 1948 schlossen sich verschiedene liberale Verbände, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg in den westlichen Besatzungszonen und West-Berlin entstanden waren, zur FDP zusammen.

Von Otto Langels | 12.12.2008
    "Während in Bonn die Bundesrepublik Deutschland entsteht, haben sich die freiheitlich-demokratischen Landesparteien in den drei Westzonen und in Berlin im Bewusstsein der Verbundenheit mit ihren Gesinnungsfreunden in der sowjetischen Besatzungszone zur Freien Demokratischen Partei vereinigt. Damit ist die organisatorische Grundlage geschaffen für die Sammlung der politischen Kräfte, die den Gedanken der Freiheit und des Persönlichkeitsrechtes zum Richtmaß aller Entscheidungen erheben."

    Mit der sogenannten Heppenheimer Deklaration wurde in dem gleichnamigen Ort an der Bergstraße am 12. Dezember 1948 die Gründung der Freien Demokratischen Partei besiegelt.
    Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hatten sich zunächst auf lokaler Ebene Gruppen gebildet, die sich auf liberale Strömungen der Weimarer Republik beriefen. Sie schlossen sich nach und nach zu Landesverbänden zusammen, zuerst in Berlin und der sowjetischen Besatzungszone als Liberaldemokratische Partei, dann im Südwesten Deutschlands als Demokratische Volkspartei. Weitere Neugründungen folgten in Hessen, Hamburg und dem Ruhrgebiet.
    Die Gruppierungen in den drei Westzonen unterschieden sich nicht nur in ihren Namen, sondern auch in ihrer politischen Orientierung. Im Süden war eine liberal-demokratische Richtung vorherrschend, im Westen und Norden eine unternehmerfreundliche nationalliberale Richtung, die auch Anklang in rechtsradikalen Kreisen fand. Das gemeinsame Fundament bildete das Bekenntnis zu Privateigentum und freiem Handel.

    Vor dem Gründungskongress erklärte Theodor Heuss, der spätere erste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, auf einer Versammlung in Berlin:

    "Wir stehen heute in der Auseinandersetzung zwischen Sozialismus und freier Auffassung des Wirtschaftslebens."

    Die sich abzeichnende Gründung der Bundesrepublik stellte die verschiedenen liberalen Organisationen in den Westzonen vor eine neue Aufgabe. Wollten sie in dem parlamentarischen System Einfluss gewinnen, mussten sie sich zu einer Gesamtpartei zusammenschließen.

    Am 11. und 12. Dezember 1948 trafen sich 89 Delegierte aller westdeutschen Verbände in Heppenheim. Für den kleinen Tagungsort nördlich von Heidelberg sprach nicht nur die günstige Verkehrslage, wie sich der spätere Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion Wolfgang Mischnick erinnerte.

    "Heppenheim ist von Theodor Heuss bewusst gewählt worden, weil in Heppenheim 1847 das sogenannte Vorparlament getagt hat. Das waren Liberale aus den damaligen Bereichen, Nordrhein-Westfalen würde man heute sagen, Baden-Württemberg würde man heute sagen, die sich dort zusammenfanden, um die Paulskirchen-Versammlung vorzubereiten."

    In Heppenheim hatten sich im Vorfeld der Revolution von 1848 die gemäßigten Liberalen getroffen. Die neue FDP stellte sich bewusst in diese Tradition. Sie verstand sich als bürgerliche Partei der Mitte, auch wenn bis in die 50er Jahre einige Landesverbände Positionen weit rechts von der CDU vertraten. Erstmals in der deutschen Geschichte war es gelungen, alle liberalen Kräfte in einer Partei zusammenzuführen.

    "Die Botschaft von Heppenheim war, dass die FDP die Partei ist, die den Gedanken der Freiheit für die Persönlichkeit in den Vordergrund stellt, den Gedanken des Rechtsstaats in den Vordergrund stellt und darüber hinaus von Anfang an die Partei war, die die Einheit Deutschlands als eine der wichtigsten politischen Aufgaben ansah."

    Die Partei wurde allerdings zunächst weniger durch die politischen Inhalte, als vielmehr durch das moralische Gewicht und die Ausstrahlung der führenden Persönlichkeiten zusammengehalten, insbesondere durch Theodor Heuss, den auf dem Gründungskongress gewählten ersten Vorsitzenden der FDP.
    Gemessen an ihrer vergleichsweise geringen Mitgliederzahl und ihrem relativ bescheidenen Stimmenanteil bei Wahlen hatte die FDP eine erhebliche politische Bedeutung. Es gelang ihr, sich neben den großen Parteien langfristig zu etablieren, da CDU oder SPD auf sie angewiesen waren, um parlamentarische Mehrheiten zu bilden. Die Freien Demokraten nahmen, wie Theodor Heuss bereits Ende 1948 bemerkte, eine Schlüsselposition ein.

    "Die Leute, die ein falsches Bild gerne gebrauchen, sagen, wir seien das Zünglein an der Waage. Das sind wir aber gar nicht. Wir sind nämlich in der Lage, Entscheidungen zu treffen, und das ist eine interessante Stellung."