Sportfest an der Schule. 100-Meter-Lauf steht an. Was passiert bei den Kindern vorm Start? Diese Frage interessiert Professorin Bettina Rolke von der Universität Tübingen. Sie beschäftigt sich mit zeitlichen Filtern, die unsere Aufmerksamkeit beeinflussen und will wissen, wodurch wichtige von unwichtigen Signalen unterschieden werden.
"Man kennt das beim Schulsport, wenn sie loslaufen müssen beim 100-Meter-Lauf dann bekommen sie ein Startsignal. Sie bekommen aber vor diesem Startsignal ein Achtung-Fertig-Signal und dieses Achtung-Fertig-Signal erlaubt Ihnen auf dieses Los-Signal sich vorzubereiten. Ich weiß, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt etwas passieren wird und die Möglichkeit zu wissen, wann etwas passiert, erlaubt mir, mich vorzubereiten. Und die Frage ist, warum ist das so?"
Früher dachte man, es sei allein eine Frage der Muskelanspannung, die einige schneller loslaufen lässt. Bettina Rolke stellt in ihren Experimenten Wahrnehmungsaufgaben. Die zeigen: Es geht auch um die Verarbeitungsstufen zwischen der Wahrnehmung des Reizes und der Reaktion darauf.
Das nächste Experiment. Beim Fußballspiel täuscht der Spieler den Gegner über seine Absicht.
"Eine typische Situation ist die Blickfinte, wo man im Basketball oder Fußball in eine Richtung schaut und dem Gegner suggeriert, da werde ich mich hinbewegen und den Ball hinpassen, aber in Wirklichkeit passt man dann in eine andere Richtung. Und das ist eine interessante Situation, weil man mit dem vorhersagbaren Antworten des Gegners spielt."
Sagt Prof. Wilfried Kunde von der Universität Würzburg. Im Labor zeigt er seinen Probanden Bilder mit Schüssen nach links und rechts, bei denen die Spieler oft in die entgegengesetzte Richtung schauen. Per Mausklick sollen sie entscheiden, wohin gespielt wird.
"Das verblüffende Ergebnis ist, obwohl die Person darüber aufgeklärt ist, dass die Blickrichtung für die eigene Person völlig irrelevant ist und sie in die Irre führen können, können sie diese Blickrichtung nicht ignorieren."
Die Blickrichtung ist für Menschen ein wichtiger sozialer Schlüssel, der verrät, wohin die Aufmerksamkeit geht. Davon, so scheint es, lassen sich Profispieler nicht so schnell irritieren. Gerade erforschet Wilfried Kunde, ob durch Übung die Aufmerksamkeit auf andere relevante Aspekte gerichtet werden kann. Schon jetzt weiß er, das kostet Zeit und ist fehlerhaft. Deshalb lautet Kundes Empfehlung: Finten lohnen immer.
Eine Rolle spielen an der Schnittstelle zwischen Leib und Seele mentale Vorstellungen von Bewegungen. Durch bildgebende Verfahren weiß man heute, dass beim Tun ähnliche Areale im Hirn aktiviert werden, wie bei der Vorstellung. Professorin Martina Rieger von der Universität Frankfurt am Main gibt bei ihren Experimenten den Probanden auch Werkzeuge in die Hand. Ihre Frage lautete: Wie genau werden die vorab imaginiert?
"Dazu haben ich Versuchspersonen einfachen Handlungen, wie Vierecke ausmalen lassen. Das haben sie einmal real gemacht und einmal vorgestelltes ausmalen und dies haben sie einmal mit einem dünnen Stift und einmal mit einem dicken Stift gemacht und ich hab einfach geguckt, ob diese Stiftbreite, die für das reale Ausmalen eine Rolle spielt, wie lange das dauert, in der Handlungsvorstellung auch repräsentiert ist. Wenn es so ist, sollte es sowohl in der Handlungsvorstellung als auch in der Handlung länger dauern, mit dem dünnen Stift zu malen, als mit einem dicken Stift und das war auch der Fall."
Besonderen Gewinn brachte bei dem Experiment Schludrigkeit im Handeln. Die kommt in der Vorstellung nicht vor, so Martina Rieger. Die Probanden malen sich ihr Tun perfekt aus. Genau das ist für die Wissenschaftlerin interessant. Leistungssportler nutzen mentale Vorstellungen schon lange, um sich beispielsweise nach Verletzungen wieder in Höchstform zu versetzen. Inzwischen wird diese Form der Aktivierung auch in der neuropsychologischen Rehabilitation angewandt. Dabei kommt es darauf an, wie genau die Patienten vorab instruiert werden:
"Also nach einem Schlaganfall, wo man versucht durch Vorstellung von Bewegung eine Reaktivierung von Hirnarealen zu erreichen, die durch einen Schlaganfall geschädigt sind oder eine Reorganisation, und die Person können in der Regel die Bewegung nicht ausführen oder nicht optimal ausführen und man versucht dann durch die vorgestellte Bewegung die Aktivierung zu erzeugen, die durch physisches Training nicht möglich sind."
Gleich ob sie zur visuellen Wahrnehmung, zur Entstehung von Emotionen oder zu Fragen der Verkehrssicherheit forschen – experimentelle Psychologen arbeiten methodisch mit vergleichbaren Laborversuchen. So auch Prof. Josef Lukas vom Lehrstuhl für Psychologie der Universität Halle. Er untersucht unter anderem mathematische Modellierungen kognitiver Prozesse.
"Wie gehen Menschen um mit Zahlen. Und die Aufgaben, die wir Menschen stellen, da steht 8 plus zwei, 3 plus 5, 2 puls 1. Das sind alles Aufgaben, die keine hohen Anforderungen stellen. Aber schon wie das passiert ... ist eine ziemlich komplizierte und schwierige Frage. Und die Frage ist, was sind das für Prozesse. Sind das Operationen oder ist das ein Gedächtnisabruf. Wie funktionieren prinzipielle ganz normale Alltagsoperationen."
Die Anwendung liegt bei dem Experiment nicht sofort auf der Hand. Viel klarer ist das für Josef Lukas, wenn er beispielsweise untersucht, wie Menschen ihr Wissen über Blumen, Tiere, Orte im Hirn repräsentieren. Davon wollen Informatiker lernen, die große Datenmengen speichern müssen. Mitunter allerdings dauert es mit der Umsetzung einfach länger.
"Schönes Beispiel ist Farbwahrnehmung. Das hat die Menschen erst interessiert: Wie funktioniert das, was passiert da. Was gibt es da für eine Systematik und etwa 100 Jahre später hat es dazu geführt, dass es Farbfernseher gibt, Farbdruck, Farbkino."
Keine 100 Jahre Wartezeit wünscht man den Einsichten von Prof. Iring Koch von der Hochschule Aachen. Er untersucht das Phänomen des Multitasking:
"Das Grundprinzip ist immer, dass Probanden zwei Aufgaben gleichzeitig oder fast gleichzeitig bearbeiten müssen im Vergleich zu einer Situation, wo sie nur eine Aufgabe bearbeiten oder zwischen den beiden Aufgaben genügend Zeit geben ist."
In der Leistungsgesellschaft scheint Multitasking angesagt und die Alltagspsychologie behauptet, Frauen seien besonders fit darin. Sie könnten nicht nur zwei, sondern auch sogar drei Dinge gleichzeitig tun. Dem widerspricht Iring Koch entschieden.
"Es gibt auch Modellierungen und Berechnungen, die nahe legen, dass die Leistungen in Multitasking, also wenn man versucht, gleichzeitig zu arbeiten, sogar schlechter wird, als wenn man die Arbeit nacheinander macht, eines nach dem anderen."
Die in Halle versammelten Wissenschaftler betreiben Grundlagenforschung. Sie wollen erkennen und beschreiben, was Menschen erleben und wie sie sich verhalten. Meist wissen sie nicht sofort, wofür diese Ergebnisse gut sind. Doch früher oder später – da sind sich die Wissenschaftler ziemlich sicher – werden sie ihre Anwendung finden.
"Man kennt das beim Schulsport, wenn sie loslaufen müssen beim 100-Meter-Lauf dann bekommen sie ein Startsignal. Sie bekommen aber vor diesem Startsignal ein Achtung-Fertig-Signal und dieses Achtung-Fertig-Signal erlaubt Ihnen auf dieses Los-Signal sich vorzubereiten. Ich weiß, dass zu einem bestimmten Zeitpunkt etwas passieren wird und die Möglichkeit zu wissen, wann etwas passiert, erlaubt mir, mich vorzubereiten. Und die Frage ist, warum ist das so?"
Früher dachte man, es sei allein eine Frage der Muskelanspannung, die einige schneller loslaufen lässt. Bettina Rolke stellt in ihren Experimenten Wahrnehmungsaufgaben. Die zeigen: Es geht auch um die Verarbeitungsstufen zwischen der Wahrnehmung des Reizes und der Reaktion darauf.
Das nächste Experiment. Beim Fußballspiel täuscht der Spieler den Gegner über seine Absicht.
"Eine typische Situation ist die Blickfinte, wo man im Basketball oder Fußball in eine Richtung schaut und dem Gegner suggeriert, da werde ich mich hinbewegen und den Ball hinpassen, aber in Wirklichkeit passt man dann in eine andere Richtung. Und das ist eine interessante Situation, weil man mit dem vorhersagbaren Antworten des Gegners spielt."
Sagt Prof. Wilfried Kunde von der Universität Würzburg. Im Labor zeigt er seinen Probanden Bilder mit Schüssen nach links und rechts, bei denen die Spieler oft in die entgegengesetzte Richtung schauen. Per Mausklick sollen sie entscheiden, wohin gespielt wird.
"Das verblüffende Ergebnis ist, obwohl die Person darüber aufgeklärt ist, dass die Blickrichtung für die eigene Person völlig irrelevant ist und sie in die Irre führen können, können sie diese Blickrichtung nicht ignorieren."
Die Blickrichtung ist für Menschen ein wichtiger sozialer Schlüssel, der verrät, wohin die Aufmerksamkeit geht. Davon, so scheint es, lassen sich Profispieler nicht so schnell irritieren. Gerade erforschet Wilfried Kunde, ob durch Übung die Aufmerksamkeit auf andere relevante Aspekte gerichtet werden kann. Schon jetzt weiß er, das kostet Zeit und ist fehlerhaft. Deshalb lautet Kundes Empfehlung: Finten lohnen immer.
Eine Rolle spielen an der Schnittstelle zwischen Leib und Seele mentale Vorstellungen von Bewegungen. Durch bildgebende Verfahren weiß man heute, dass beim Tun ähnliche Areale im Hirn aktiviert werden, wie bei der Vorstellung. Professorin Martina Rieger von der Universität Frankfurt am Main gibt bei ihren Experimenten den Probanden auch Werkzeuge in die Hand. Ihre Frage lautete: Wie genau werden die vorab imaginiert?
"Dazu haben ich Versuchspersonen einfachen Handlungen, wie Vierecke ausmalen lassen. Das haben sie einmal real gemacht und einmal vorgestelltes ausmalen und dies haben sie einmal mit einem dünnen Stift und einmal mit einem dicken Stift gemacht und ich hab einfach geguckt, ob diese Stiftbreite, die für das reale Ausmalen eine Rolle spielt, wie lange das dauert, in der Handlungsvorstellung auch repräsentiert ist. Wenn es so ist, sollte es sowohl in der Handlungsvorstellung als auch in der Handlung länger dauern, mit dem dünnen Stift zu malen, als mit einem dicken Stift und das war auch der Fall."
Besonderen Gewinn brachte bei dem Experiment Schludrigkeit im Handeln. Die kommt in der Vorstellung nicht vor, so Martina Rieger. Die Probanden malen sich ihr Tun perfekt aus. Genau das ist für die Wissenschaftlerin interessant. Leistungssportler nutzen mentale Vorstellungen schon lange, um sich beispielsweise nach Verletzungen wieder in Höchstform zu versetzen. Inzwischen wird diese Form der Aktivierung auch in der neuropsychologischen Rehabilitation angewandt. Dabei kommt es darauf an, wie genau die Patienten vorab instruiert werden:
"Also nach einem Schlaganfall, wo man versucht durch Vorstellung von Bewegung eine Reaktivierung von Hirnarealen zu erreichen, die durch einen Schlaganfall geschädigt sind oder eine Reorganisation, und die Person können in der Regel die Bewegung nicht ausführen oder nicht optimal ausführen und man versucht dann durch die vorgestellte Bewegung die Aktivierung zu erzeugen, die durch physisches Training nicht möglich sind."
Gleich ob sie zur visuellen Wahrnehmung, zur Entstehung von Emotionen oder zu Fragen der Verkehrssicherheit forschen – experimentelle Psychologen arbeiten methodisch mit vergleichbaren Laborversuchen. So auch Prof. Josef Lukas vom Lehrstuhl für Psychologie der Universität Halle. Er untersucht unter anderem mathematische Modellierungen kognitiver Prozesse.
"Wie gehen Menschen um mit Zahlen. Und die Aufgaben, die wir Menschen stellen, da steht 8 plus zwei, 3 plus 5, 2 puls 1. Das sind alles Aufgaben, die keine hohen Anforderungen stellen. Aber schon wie das passiert ... ist eine ziemlich komplizierte und schwierige Frage. Und die Frage ist, was sind das für Prozesse. Sind das Operationen oder ist das ein Gedächtnisabruf. Wie funktionieren prinzipielle ganz normale Alltagsoperationen."
Die Anwendung liegt bei dem Experiment nicht sofort auf der Hand. Viel klarer ist das für Josef Lukas, wenn er beispielsweise untersucht, wie Menschen ihr Wissen über Blumen, Tiere, Orte im Hirn repräsentieren. Davon wollen Informatiker lernen, die große Datenmengen speichern müssen. Mitunter allerdings dauert es mit der Umsetzung einfach länger.
"Schönes Beispiel ist Farbwahrnehmung. Das hat die Menschen erst interessiert: Wie funktioniert das, was passiert da. Was gibt es da für eine Systematik und etwa 100 Jahre später hat es dazu geführt, dass es Farbfernseher gibt, Farbdruck, Farbkino."
Keine 100 Jahre Wartezeit wünscht man den Einsichten von Prof. Iring Koch von der Hochschule Aachen. Er untersucht das Phänomen des Multitasking:
"Das Grundprinzip ist immer, dass Probanden zwei Aufgaben gleichzeitig oder fast gleichzeitig bearbeiten müssen im Vergleich zu einer Situation, wo sie nur eine Aufgabe bearbeiten oder zwischen den beiden Aufgaben genügend Zeit geben ist."
In der Leistungsgesellschaft scheint Multitasking angesagt und die Alltagspsychologie behauptet, Frauen seien besonders fit darin. Sie könnten nicht nur zwei, sondern auch sogar drei Dinge gleichzeitig tun. Dem widerspricht Iring Koch entschieden.
"Es gibt auch Modellierungen und Berechnungen, die nahe legen, dass die Leistungen in Multitasking, also wenn man versucht, gleichzeitig zu arbeiten, sogar schlechter wird, als wenn man die Arbeit nacheinander macht, eines nach dem anderen."
Die in Halle versammelten Wissenschaftler betreiben Grundlagenforschung. Sie wollen erkennen und beschreiben, was Menschen erleben und wie sie sich verhalten. Meist wissen sie nicht sofort, wofür diese Ergebnisse gut sind. Doch früher oder später – da sind sich die Wissenschaftler ziemlich sicher – werden sie ihre Anwendung finden.