Südkorea und Japan - das sind Nachbarn, die einiges in der Geschichte verbindet, vieles aber auch getrennt hat. Martin Fritz aus Tokio mit einer Analyse, die eben diese Wegmarken skizziert:
Ausgerechnet zwei Länder, die sich in ihrer Geschichte immer wieder bekriegt haben, verpflichteten sich, diese Sportveranstaltung, nach Olympia die weltgrößte und prestigeträchtigste, gemeinsam zu veranstalten. Berti Vogts, zum Zeitpunkt der WM-Vergabe deutscher Bundestrainer, hielt es damals für einen Wahnsinn, zwei Bewerber, deren Vergangenheit so furchtbar belastet sei durch Blut und Krieg, aufeinander loszulassen.
"We are the one, zusammen werden wir den Himmel erreichen". So dudelte es in den Monaten vor der Entscheidung aus allen Radios in Südkorea. Dieser Liedtext bekam durch die Doppelvergabe eine ganz andere Bedeutung. Dennoch wurde das FIFA-Votum in Korea wie ein Sieg aufgenommen, weil die WM nur zur Hälfte an den Erzfeind gegangen war. In Japan herrschte stilles Entsetzen. Das Riesen-Sportereignis mit der ehemaligen Kolonie zu teilen, war für viele schwer vorstellbar.
Um die größtmögliche Gerechtigkeit zu erhalten, wurden die Spiele gleichmäßig auf beide Länder verteilt. Die nationalen Teams spielen deshalb jedes Mal woanders und wechseln bis zur Teilnahme am Finale mehrmals das Land. Durch diese Ausgeglichenheit haben die Veranstalter immerhin vermieden, dass zwei parallele Weltmeisterschaften stattfinden. Durch den Zwang zur ständigen Abstimmung sei man sich allmählich näher gekommen, meint Juniji Ogura vom japanischen WM-Organisationskomitee:
Wir haben jetzt sechs Jahre zusammengearbeitet, und dadurch hat sich unser Verhältnis enorm verbessert, das gilt auf jeden Fall für die Menschen, die an den Vorbereitungen teilgenommen haben. Und auch das übrige Land interessiert sich jetzt mehr für Korea, das beweisen die zehntausend Japaner, die jeden Tag als Touristen nach Korea reisen.
Allerdings habe sich trotz der Annäherung bei der Organisation der Veranstaltung an der unterschwelligen Rivalität zwischen Korea und Japan wenig geändert, meint die Korea-Kennerin und Sozialwissenschaftlerin Isa Ducke:
Die werden ja zum Glück nie gegeneinander spielen, höchstens ganz am Schluss. Es sieht schon so aus, dass die koreanische Seite sich ganz extrem bemüht, besser auszusehen, und den Eindruck bei ausländischen Besuchern zu erwecken, dass das in Korea besser geklappt hat und dass man damit besser abschneidet, in Japan ist das nicht so deutlich zu sehen, da sieht man schon, dass in Korea das Bedürfnis da ist, auch mal zu gewinnen.
Auch mal zu gewinnen - das beschreibt ein starkes psychologisches Motiv der Koreaner, weil sie in der Vergangenheit von den Japanern immer wieder besiegt, unterdrückt und vor allem nie richtig ernst genommen wurden. Bis heute ruft das Stichwort "Japan" deshalb in Korea böse Erinnerungen wach, vor allem an die Jahre der Kolonialzeit von 1910 bis 1945.
"Los, sag schon, was Du weißt", brüllt der japanische Folterer, die Koreanerin schreit auf vor Schmerzen. Mit Wachsfiguren hat Korea solche Terrorszenen in den Katakomben des früheren Gefängnisses von Seoul nachgestellt, um die Erinnerung an die japanische Kolonialzeit wach zu halten. Das Gebäude im Zentrum der Stadt ist heute ein Museum. Sein Besuch ist für Schulklassen genauso Pflicht, wie in Deutschland der Besuch in einem ehemaligen Konzentrationslager.
Hier wird keineswegs übertrieben, denn die japanischen Kolonialherren betrachteten die Koreaner als Untermenschen. Zehntausende töteten sie durch Folter und Mangelernährung, ebenso systematisch zerstörten Nippons Regenten die koreanische Kultur. Jeder Koreaner hatte Japanisch zu lernen, am Ende der Kolonialzeit mußten die Menschen sogar einen japanischen Namen annehmen. Viele Koreaner wurden als Zwangsarbeiter verschleppt, viele Frauen in Soldaten-Bordellen zur Prostitution gezwungen.
Jeden Mittwoch protestieren einige der überlebenden Koreanerinnen, die man in Japan beschönigend "Trostfrauen" nennt, vor der japanischen Botschaft in Seoul. Aus Scham hatten diese Frauen jahrzehntelang ihr Leid verschwiegen, bis sie sich an die Öffentlichkeit trauten. Seitdem verlangen sie von Japan, dass es sich zu seinen Kriegsverbrechen bekennt, sich dafür entschuldigt und die Opfer entschädigt. Japan hat diese Forderungen bisher konsequent ignoriert, die Frage der Kriegsschuld sei abgehakt, Entschädigung will man auch nicht zahlen. Eine ehemalige Zwangspro-stituierte sagt wütend:
Wir haben Schreckliches erlebt, das können wir nicht vergessen. Wir werden solange protestieren, bis sich die Japaner für ihre Verbrechen entschuldigen.
Japan hat sein Korea-Problem nicht nur vor der Haustür. Mehr als eine halbe Million Koreaner leben in Japan, fast alle in der zweiten oder dritten Generation, die meisten davon Nachfahren von Koreanern, die als Zwangsarbeiter nach Japan gebracht wurden. Viele dieser Koreaner sind bis heute Staatsbürger zweiter Klasse geblieben, obwohl sie sich um Integration bemühen. Die Wirkung dieser Ausgrenzung zeigte sich kürzlich im Ergebnis einer Umfrage: Mehr als die Hälfte der koreanischstämmigen Japaner will bei der WM für Japan und Korea jubeln.
Deshalb gehört es zu den Ironien der Geschichte, dass die Koreaner die Japaner als Kolonialherren verachteten, aber sich in ihrer Entwicklung am japanischen Modell orientierten. Dabei setzte eine kleine Elite von koreanischen Offizieren unter der Führung von Präsident Park besonders auf zwei japanische Konzepte. Zum einen auf den aggressiven Export und zum anderen auf industrielle Konglomerate. Florian Schuffner, Geschäftsführer der deutsch-koreanischen Handelskammer in Seoul, meint:
Die Psychologie spielt im Verhältnis zu Japan eine große Rolle. Die Japaner waren fünfzig Jahre hier, die haben versucht, die Identität der Koreaner auszurotten, andererseits hat Japan in wirtschaftlicher Hinsicht immer den entscheidenden Schritt getan und Koreanern geholfen. Sei es 1968 mit der Stahl- und 1975 mit der Schiffsindustrie, immer waren es die Japaner, nicht die Deutschen. Insofern sind die Japaner eng verflochten. Dass durch ihre Hilfe Korea zu einem Wettbewerber geworden ist, war sicherlich nicht beabsichtigt, aber so kommt es eben, wenn man einem kleinen Bruder auf die Beine hilft.
Eine Wende im offiziellen Verhältnis zu Japan kam erst mit Kim Dae Jung. (KIMM DÄ DSCHUNG) Koreas heutiger Staatspräsident, dessen Amtszeit Ende des Jahres ausläuft, wählte einen Entspannungskurs gegenüber Japan. Ende 1997, anderthalb Jahre nach der WM-Vergabe an Korea und Japan, gewann DJ (DII-DSCHÄ-I englisch), wie er in Korea oft genannt wird, die demokratische Präsidentenwahl. Schon wenige Monate später besuchte er Japan. Die Bereitschaft von Kim Dae Jung, mit offenen Armen auf Japan zuzugehen, trug in großen Teilen dazu bei, dass die Fußball-Weltmeisterschaft einigermaßen reibungslos vorbereitet wurde.
Durch die koreanische Versöhnungsbereitschaft ist umgekehrt die starre japanische Haltung gegenüber Korea in Bewegung geraten. Japans Kaiser Akihito, Sohn des Kriegskaisers Hirohito, drückte vor vier Jahren seinen "tiefen Kummer" über die japanische Kolonisierung Koreas aus und machte damit einen großen Schritt auf den Nachbarn zu.
Das heraufziehende Sportereignis ist in den letzten Jahren zu einem Katalysator für vielfältige Kontakte zwischen den beiden verfeindeten Ländern geworden. Junge Abgeordnete aus beiden Parlamenten kamen sich bei Karoke, Sake und Whisky näher. Klassische Konzerte mit Künstlern aus beiden Ländern brachen mit der Tradition des kulturellen Boykotts. Eine koreanische Sängerin steht in diesem Jahr in Japans Popcharts. Vor der WM ausgestrahlte Spielfilme im Fernsehen schilderten Liebesgeschichten zwischen Koreanern und Japanern.
Die Jugend setzt jedenfalls Flagge: Koreanische Teenager lernen nach Englisch als zweite Fremdsprache Japanisch, unter anderem weil sie japanische Comics lesen und japanische Zeichentrickfilme verstehen wollen. Viele junge Koreaner studieren auch in Japan, um mit diesen Sprachkenntnissen ihre Berufschancen zu verbessern. Die koreanische Studentin Kim Yong Hi lebt seit zwei Jahren in Tokio und meint, die alten Vorurteile würden langsam verschwinden:
Die älteren Japaner glauben noch, sie seien etwas Besseres als die Koreaner. Jüngere Japaner haben dagegen überhaupt kein Interesse dafür, wie andere leben. Sie interessieren sich auch nicht für Korea. Durch die Weltmeisterschaft haben viele erst gemerkt, dass Korea so nahe ist.
Zwar werden in den nächsten Wochen nationalistische Emotionen unweigerlich wieder hochkochen, zumal die japanischen Kicker - anders als früher - besser in Form zu sein scheinen als die koreanischen Spieler. Aber das gegenseitige Bild voneinander werde sich in Korea und Japan verbessern, sagt der Sozialwissenschaftler Cheol Hee Park (TSCHOL HI PACK) in Seoul:
Die WM ist kein politisches, sondern ein sportliches Ereignis. Die Zusammenarbeit ist deshalb einfacher, und diese Erfahrung wird sich auch auf andere Bereiche auswirken. Bei der Austragung der Spiele gibt es jedenfalls absolute Gleichberechtigung, die Eröffnung ist in Seoul, das Finale in Yokohama. Das wird das Vertrauen stärken, dass man sich gegenseitig ernst nimmt.
Um die speziellen sportpolitischen Besonderheiten im Umfeld der morgen beginnenden Fußball-Weltmeisterschaft in Japan und Südkorea hat sich Kay Hoffmann gekümmert:
Fremde Klänge, ferne Kulturen: Korea und Japan, ein neuer Markt für das Millionengeschäft Fußball. Aus sportpolitischen Gründen - so heißt es nach offizieller Lesart - hat sich der Weltverband FIFA entschieden, nach den USA 1994 einen weiteren weißen Fleck auf der Landkarte des Fußballs zu entfernen. Gerhard Mayer-Vorfelder, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes erinnert sich.
Es ging damals, bei der Bewerbung Korea und Japan darum, dass der Sport ja in der Lage ist und er Fußball insbesondere, Brücken zu schlagen über Gräben hinweg, die durch die Geschichte aufgeworfen worden sind. Und auch die Vorbereitungsphase, die am Anfang sehr schwierig war hat ja beweisen, dass man nach einem sehr kritischen Beginn doch mehr aufeinander zuging. Und damit hat der Sport schon im Vorfeld einiges geleistet und ich glaube, dass durch die Spiele in Korea und Japan die Gräben noch mehr eingeebnet werden.
Doch schon die aufmerksame Lektüre des offiziellen Magazins des DFB öffnet einen weitaus diffizileren Blick auf die Beweggründe, eine Weltmeisterschaft erstmals nach Asien und erstmals an zwei Länder zu vergeben.
Von einer weltweiten Mustermesse in Fernost ist da zu lesen. Begrifflichkeiten die ahnen lassen, was ein Gutteil der mächtigen Funktionäre unter der völkerverbindenden Kraft des Fußballs verstehen. Immerhin aber - so verrät der frühere deutsche Nationalspieler Pierre Littbarski, mit einer Japanerin verheiratet und lange Jahre als Kicker und Trainer in der dortigen J-League tätig: die Fußballbegeisterung in der Bevölkerung der ungleichen Gastgeber ist ganz anders ausgeprägt, als vor acht Jahren in den USA.
Ich war das letzte Mal im Dezember drüben und da waren die schon sehr euphorisch. Nicht nur die Spieler, auch die Fans. Aber auch die Spieler merken so langsam, da kommt was Großes auf sie zu.
Aber nicht nur die 125 Millionen Japaner, auch die 46 Millionen Südkoreaner freuen sich auf ihre Weltmeisterschaft. Dies jedoch ist wohl eine der wenigen Gemeinsamkeiten. Zu ungleich sind die vom Weltverband zu einer Zweckehe zusammengeführten Partner. Pierre Littbarski zu den selbst erfahrenen Unterschieden.
Infrastruktur. Die Japaner haben natürlich das bessere Verkehrssystem. Die Stadien sind insgesamt besser. Essensmäßig findet man als Europäer wahrscheinlich in Japan eher, was unserem Mund auch schmeckt. Ansonsten, die besseren Hotels in Japan. In Japan ist es teurer. Ich glaube in beiden Ländern werden wir viel Engagement sehen, gute Organisation und es wird Spaß machen dahin zu fahren.
Vorausgesetzt man kann es sich leisten. Das vielgepriesene Live-Erlebnis bleibt für den europäischen und den südamerikanischen Fußballfan auf der Strecke. Dennoch glaubt Franz Beckenbauer nicht, dass es diesen 17. kontinentalen Titelkämpfen an Atmosphäre oder Flair fehlen wird.
Die Japaner haben sich mittlerweile an die Begeisterung der Europäer angeschlossen. Ich weiß noch vor 15 Jahren, ich hab so ein bisschen mitgeholfen die J-League ein wenig zu promoten, mit Misubishi damals mit den Red Diamants und da war das Fanverhalten noch ganz anders, in der Entwicklung. Aber heute ist da kein Unterschied festzustellen. In Korea vielleicht noch ein bisschen anders. Aber es ist sicherlich richtig das, sagen wir mal, dass die europäischen Besucher weniger sein werden, weil es zu teuer ist, um dorthin zu kommen.
Ein von vorn herein kalkulierter und für die knallharten Rechner des Fußball-Business zu verschmerzender Verlust, dem - trotz der globalen Krise auf dem Sportrechtemarkt - ein milliardenschwerer Gewinn gegenübersteht. So rechnet DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder vor.
Wenn man mal schaut, bei der letzen Weltmeisterschaft waren 46 Milliarden Sehkontakte, also die gesamte Weltbevölkerung hat sechs, sieben Mal ein Spiel angeschaut und das wird mit Sicherheit jetzt eine noch größere Zahl geben, so dass also eine indirekte Teilnahme am Fernsehschirm für alle Fans auch hier möglich ist.
Die Vermarktung der Ware Fußball erreicht bei diesen Fernsehspielen in Korea und Japan zuvor nie gekannte Ausmaße. Die Diskussion um die freie Zugänglichkeit aller WM-Begegnungen in Wort und Bild ist hierzulande noch nicht ganz verhallt. Die setzte ein, weil der Weltfußballverband die Rechte an seinem kostbaren Sportspektakel, anders als das Internationale Olympische Komitee, meistbietend verkauft.
Auch wenn die aktuellen Entwicklungen zeigen, das dass Gewinnstreben der Ware Fußball unübersehbar an seine Grenzen stößt: Das Geschäft mit dem populärsten Ballsport der Welt rechnet sich nach wie vor. Und der Hunger der Protagonisten ist noch lange nicht gestillt. Globalisierung heißt das Zauberwort. Und so ist es kein Geheimnis, dass der bei der Vergabe 1996 amtierende FIFA-Präsident Joao Havelange sich vor allem auch dem Druck der weltweit agierenden Sponsoren beugte, als Korea und Asien den Zuschlag erhielten. Je 100 Millionen Euro erhielten die beiden Länder als Startkapital, um der sogenannten Mustermesse des Fußballs eine angemessene Bühne zu bereiten. Ob sich das Großereignis über die Anschubfinanzierung der FIFA auszahlt, für die beiden Gastgeberländer, ist Funktionären wie Franz Beckenbauer eher gleichgültig.
Natürlich kann man sagen, ja macht es Sinn, in jedem Land zehn neue Stadien. Was wird nach der Weltmeisterschaft, was wird da drin gespielt? Natürlich, das sind alles Fragen, aber das müssen die Leute, die Leute die dort zu Hause sind.
Bereits das Beispiel USA hat gezeigt, dass die Nachhaltigkeit einer WM für die Entwicklung des Fußballs mehr als skeptisch zu sehen ist. Beckenbauer aber, Organisationschef der WM 2006, hat nicht zuletzt durch die Unterstützung des DFB für das Fußball-Spektakel in Fernost einen seiner Lebensträume verwirklicht. Jenseits aller sportpolitischen Ziele zeigt sich innerhalb der FIFA ein - wie sich in den aktuellen, verbandinternen Auseinandersetzungen deutlich zeigt - fragiles und machtpolitisches System des Gebens und Nehmens. So gibt DFB-Präsident Gerhard Meyer-Vorfelder denn auch verdeckt zu, dass Deutschland zumindest im Fall von Südkorea von dieser Mentalität profitiert hat, als es für die WM 2006 den Zuschlag erhielt.
Ausgerechnet zwei Länder, die sich in ihrer Geschichte immer wieder bekriegt haben, verpflichteten sich, diese Sportveranstaltung, nach Olympia die weltgrößte und prestigeträchtigste, gemeinsam zu veranstalten. Berti Vogts, zum Zeitpunkt der WM-Vergabe deutscher Bundestrainer, hielt es damals für einen Wahnsinn, zwei Bewerber, deren Vergangenheit so furchtbar belastet sei durch Blut und Krieg, aufeinander loszulassen.
"We are the one, zusammen werden wir den Himmel erreichen". So dudelte es in den Monaten vor der Entscheidung aus allen Radios in Südkorea. Dieser Liedtext bekam durch die Doppelvergabe eine ganz andere Bedeutung. Dennoch wurde das FIFA-Votum in Korea wie ein Sieg aufgenommen, weil die WM nur zur Hälfte an den Erzfeind gegangen war. In Japan herrschte stilles Entsetzen. Das Riesen-Sportereignis mit der ehemaligen Kolonie zu teilen, war für viele schwer vorstellbar.
Um die größtmögliche Gerechtigkeit zu erhalten, wurden die Spiele gleichmäßig auf beide Länder verteilt. Die nationalen Teams spielen deshalb jedes Mal woanders und wechseln bis zur Teilnahme am Finale mehrmals das Land. Durch diese Ausgeglichenheit haben die Veranstalter immerhin vermieden, dass zwei parallele Weltmeisterschaften stattfinden. Durch den Zwang zur ständigen Abstimmung sei man sich allmählich näher gekommen, meint Juniji Ogura vom japanischen WM-Organisationskomitee:
Wir haben jetzt sechs Jahre zusammengearbeitet, und dadurch hat sich unser Verhältnis enorm verbessert, das gilt auf jeden Fall für die Menschen, die an den Vorbereitungen teilgenommen haben. Und auch das übrige Land interessiert sich jetzt mehr für Korea, das beweisen die zehntausend Japaner, die jeden Tag als Touristen nach Korea reisen.
Allerdings habe sich trotz der Annäherung bei der Organisation der Veranstaltung an der unterschwelligen Rivalität zwischen Korea und Japan wenig geändert, meint die Korea-Kennerin und Sozialwissenschaftlerin Isa Ducke:
Die werden ja zum Glück nie gegeneinander spielen, höchstens ganz am Schluss. Es sieht schon so aus, dass die koreanische Seite sich ganz extrem bemüht, besser auszusehen, und den Eindruck bei ausländischen Besuchern zu erwecken, dass das in Korea besser geklappt hat und dass man damit besser abschneidet, in Japan ist das nicht so deutlich zu sehen, da sieht man schon, dass in Korea das Bedürfnis da ist, auch mal zu gewinnen.
Auch mal zu gewinnen - das beschreibt ein starkes psychologisches Motiv der Koreaner, weil sie in der Vergangenheit von den Japanern immer wieder besiegt, unterdrückt und vor allem nie richtig ernst genommen wurden. Bis heute ruft das Stichwort "Japan" deshalb in Korea böse Erinnerungen wach, vor allem an die Jahre der Kolonialzeit von 1910 bis 1945.
"Los, sag schon, was Du weißt", brüllt der japanische Folterer, die Koreanerin schreit auf vor Schmerzen. Mit Wachsfiguren hat Korea solche Terrorszenen in den Katakomben des früheren Gefängnisses von Seoul nachgestellt, um die Erinnerung an die japanische Kolonialzeit wach zu halten. Das Gebäude im Zentrum der Stadt ist heute ein Museum. Sein Besuch ist für Schulklassen genauso Pflicht, wie in Deutschland der Besuch in einem ehemaligen Konzentrationslager.
Hier wird keineswegs übertrieben, denn die japanischen Kolonialherren betrachteten die Koreaner als Untermenschen. Zehntausende töteten sie durch Folter und Mangelernährung, ebenso systematisch zerstörten Nippons Regenten die koreanische Kultur. Jeder Koreaner hatte Japanisch zu lernen, am Ende der Kolonialzeit mußten die Menschen sogar einen japanischen Namen annehmen. Viele Koreaner wurden als Zwangsarbeiter verschleppt, viele Frauen in Soldaten-Bordellen zur Prostitution gezwungen.
Jeden Mittwoch protestieren einige der überlebenden Koreanerinnen, die man in Japan beschönigend "Trostfrauen" nennt, vor der japanischen Botschaft in Seoul. Aus Scham hatten diese Frauen jahrzehntelang ihr Leid verschwiegen, bis sie sich an die Öffentlichkeit trauten. Seitdem verlangen sie von Japan, dass es sich zu seinen Kriegsverbrechen bekennt, sich dafür entschuldigt und die Opfer entschädigt. Japan hat diese Forderungen bisher konsequent ignoriert, die Frage der Kriegsschuld sei abgehakt, Entschädigung will man auch nicht zahlen. Eine ehemalige Zwangspro-stituierte sagt wütend:
Wir haben Schreckliches erlebt, das können wir nicht vergessen. Wir werden solange protestieren, bis sich die Japaner für ihre Verbrechen entschuldigen.
Japan hat sein Korea-Problem nicht nur vor der Haustür. Mehr als eine halbe Million Koreaner leben in Japan, fast alle in der zweiten oder dritten Generation, die meisten davon Nachfahren von Koreanern, die als Zwangsarbeiter nach Japan gebracht wurden. Viele dieser Koreaner sind bis heute Staatsbürger zweiter Klasse geblieben, obwohl sie sich um Integration bemühen. Die Wirkung dieser Ausgrenzung zeigte sich kürzlich im Ergebnis einer Umfrage: Mehr als die Hälfte der koreanischstämmigen Japaner will bei der WM für Japan und Korea jubeln.
Deshalb gehört es zu den Ironien der Geschichte, dass die Koreaner die Japaner als Kolonialherren verachteten, aber sich in ihrer Entwicklung am japanischen Modell orientierten. Dabei setzte eine kleine Elite von koreanischen Offizieren unter der Führung von Präsident Park besonders auf zwei japanische Konzepte. Zum einen auf den aggressiven Export und zum anderen auf industrielle Konglomerate. Florian Schuffner, Geschäftsführer der deutsch-koreanischen Handelskammer in Seoul, meint:
Die Psychologie spielt im Verhältnis zu Japan eine große Rolle. Die Japaner waren fünfzig Jahre hier, die haben versucht, die Identität der Koreaner auszurotten, andererseits hat Japan in wirtschaftlicher Hinsicht immer den entscheidenden Schritt getan und Koreanern geholfen. Sei es 1968 mit der Stahl- und 1975 mit der Schiffsindustrie, immer waren es die Japaner, nicht die Deutschen. Insofern sind die Japaner eng verflochten. Dass durch ihre Hilfe Korea zu einem Wettbewerber geworden ist, war sicherlich nicht beabsichtigt, aber so kommt es eben, wenn man einem kleinen Bruder auf die Beine hilft.
Eine Wende im offiziellen Verhältnis zu Japan kam erst mit Kim Dae Jung. (KIMM DÄ DSCHUNG) Koreas heutiger Staatspräsident, dessen Amtszeit Ende des Jahres ausläuft, wählte einen Entspannungskurs gegenüber Japan. Ende 1997, anderthalb Jahre nach der WM-Vergabe an Korea und Japan, gewann DJ (DII-DSCHÄ-I englisch), wie er in Korea oft genannt wird, die demokratische Präsidentenwahl. Schon wenige Monate später besuchte er Japan. Die Bereitschaft von Kim Dae Jung, mit offenen Armen auf Japan zuzugehen, trug in großen Teilen dazu bei, dass die Fußball-Weltmeisterschaft einigermaßen reibungslos vorbereitet wurde.
Durch die koreanische Versöhnungsbereitschaft ist umgekehrt die starre japanische Haltung gegenüber Korea in Bewegung geraten. Japans Kaiser Akihito, Sohn des Kriegskaisers Hirohito, drückte vor vier Jahren seinen "tiefen Kummer" über die japanische Kolonisierung Koreas aus und machte damit einen großen Schritt auf den Nachbarn zu.
Das heraufziehende Sportereignis ist in den letzten Jahren zu einem Katalysator für vielfältige Kontakte zwischen den beiden verfeindeten Ländern geworden. Junge Abgeordnete aus beiden Parlamenten kamen sich bei Karoke, Sake und Whisky näher. Klassische Konzerte mit Künstlern aus beiden Ländern brachen mit der Tradition des kulturellen Boykotts. Eine koreanische Sängerin steht in diesem Jahr in Japans Popcharts. Vor der WM ausgestrahlte Spielfilme im Fernsehen schilderten Liebesgeschichten zwischen Koreanern und Japanern.
Die Jugend setzt jedenfalls Flagge: Koreanische Teenager lernen nach Englisch als zweite Fremdsprache Japanisch, unter anderem weil sie japanische Comics lesen und japanische Zeichentrickfilme verstehen wollen. Viele junge Koreaner studieren auch in Japan, um mit diesen Sprachkenntnissen ihre Berufschancen zu verbessern. Die koreanische Studentin Kim Yong Hi lebt seit zwei Jahren in Tokio und meint, die alten Vorurteile würden langsam verschwinden:
Die älteren Japaner glauben noch, sie seien etwas Besseres als die Koreaner. Jüngere Japaner haben dagegen überhaupt kein Interesse dafür, wie andere leben. Sie interessieren sich auch nicht für Korea. Durch die Weltmeisterschaft haben viele erst gemerkt, dass Korea so nahe ist.
Zwar werden in den nächsten Wochen nationalistische Emotionen unweigerlich wieder hochkochen, zumal die japanischen Kicker - anders als früher - besser in Form zu sein scheinen als die koreanischen Spieler. Aber das gegenseitige Bild voneinander werde sich in Korea und Japan verbessern, sagt der Sozialwissenschaftler Cheol Hee Park (TSCHOL HI PACK) in Seoul:
Die WM ist kein politisches, sondern ein sportliches Ereignis. Die Zusammenarbeit ist deshalb einfacher, und diese Erfahrung wird sich auch auf andere Bereiche auswirken. Bei der Austragung der Spiele gibt es jedenfalls absolute Gleichberechtigung, die Eröffnung ist in Seoul, das Finale in Yokohama. Das wird das Vertrauen stärken, dass man sich gegenseitig ernst nimmt.
Um die speziellen sportpolitischen Besonderheiten im Umfeld der morgen beginnenden Fußball-Weltmeisterschaft in Japan und Südkorea hat sich Kay Hoffmann gekümmert:
Fremde Klänge, ferne Kulturen: Korea und Japan, ein neuer Markt für das Millionengeschäft Fußball. Aus sportpolitischen Gründen - so heißt es nach offizieller Lesart - hat sich der Weltverband FIFA entschieden, nach den USA 1994 einen weiteren weißen Fleck auf der Landkarte des Fußballs zu entfernen. Gerhard Mayer-Vorfelder, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes erinnert sich.
Es ging damals, bei der Bewerbung Korea und Japan darum, dass der Sport ja in der Lage ist und er Fußball insbesondere, Brücken zu schlagen über Gräben hinweg, die durch die Geschichte aufgeworfen worden sind. Und auch die Vorbereitungsphase, die am Anfang sehr schwierig war hat ja beweisen, dass man nach einem sehr kritischen Beginn doch mehr aufeinander zuging. Und damit hat der Sport schon im Vorfeld einiges geleistet und ich glaube, dass durch die Spiele in Korea und Japan die Gräben noch mehr eingeebnet werden.
Doch schon die aufmerksame Lektüre des offiziellen Magazins des DFB öffnet einen weitaus diffizileren Blick auf die Beweggründe, eine Weltmeisterschaft erstmals nach Asien und erstmals an zwei Länder zu vergeben.
Von einer weltweiten Mustermesse in Fernost ist da zu lesen. Begrifflichkeiten die ahnen lassen, was ein Gutteil der mächtigen Funktionäre unter der völkerverbindenden Kraft des Fußballs verstehen. Immerhin aber - so verrät der frühere deutsche Nationalspieler Pierre Littbarski, mit einer Japanerin verheiratet und lange Jahre als Kicker und Trainer in der dortigen J-League tätig: die Fußballbegeisterung in der Bevölkerung der ungleichen Gastgeber ist ganz anders ausgeprägt, als vor acht Jahren in den USA.
Ich war das letzte Mal im Dezember drüben und da waren die schon sehr euphorisch. Nicht nur die Spieler, auch die Fans. Aber auch die Spieler merken so langsam, da kommt was Großes auf sie zu.
Aber nicht nur die 125 Millionen Japaner, auch die 46 Millionen Südkoreaner freuen sich auf ihre Weltmeisterschaft. Dies jedoch ist wohl eine der wenigen Gemeinsamkeiten. Zu ungleich sind die vom Weltverband zu einer Zweckehe zusammengeführten Partner. Pierre Littbarski zu den selbst erfahrenen Unterschieden.
Infrastruktur. Die Japaner haben natürlich das bessere Verkehrssystem. Die Stadien sind insgesamt besser. Essensmäßig findet man als Europäer wahrscheinlich in Japan eher, was unserem Mund auch schmeckt. Ansonsten, die besseren Hotels in Japan. In Japan ist es teurer. Ich glaube in beiden Ländern werden wir viel Engagement sehen, gute Organisation und es wird Spaß machen dahin zu fahren.
Vorausgesetzt man kann es sich leisten. Das vielgepriesene Live-Erlebnis bleibt für den europäischen und den südamerikanischen Fußballfan auf der Strecke. Dennoch glaubt Franz Beckenbauer nicht, dass es diesen 17. kontinentalen Titelkämpfen an Atmosphäre oder Flair fehlen wird.
Die Japaner haben sich mittlerweile an die Begeisterung der Europäer angeschlossen. Ich weiß noch vor 15 Jahren, ich hab so ein bisschen mitgeholfen die J-League ein wenig zu promoten, mit Misubishi damals mit den Red Diamants und da war das Fanverhalten noch ganz anders, in der Entwicklung. Aber heute ist da kein Unterschied festzustellen. In Korea vielleicht noch ein bisschen anders. Aber es ist sicherlich richtig das, sagen wir mal, dass die europäischen Besucher weniger sein werden, weil es zu teuer ist, um dorthin zu kommen.
Ein von vorn herein kalkulierter und für die knallharten Rechner des Fußball-Business zu verschmerzender Verlust, dem - trotz der globalen Krise auf dem Sportrechtemarkt - ein milliardenschwerer Gewinn gegenübersteht. So rechnet DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder vor.
Wenn man mal schaut, bei der letzen Weltmeisterschaft waren 46 Milliarden Sehkontakte, also die gesamte Weltbevölkerung hat sechs, sieben Mal ein Spiel angeschaut und das wird mit Sicherheit jetzt eine noch größere Zahl geben, so dass also eine indirekte Teilnahme am Fernsehschirm für alle Fans auch hier möglich ist.
Die Vermarktung der Ware Fußball erreicht bei diesen Fernsehspielen in Korea und Japan zuvor nie gekannte Ausmaße. Die Diskussion um die freie Zugänglichkeit aller WM-Begegnungen in Wort und Bild ist hierzulande noch nicht ganz verhallt. Die setzte ein, weil der Weltfußballverband die Rechte an seinem kostbaren Sportspektakel, anders als das Internationale Olympische Komitee, meistbietend verkauft.
Auch wenn die aktuellen Entwicklungen zeigen, das dass Gewinnstreben der Ware Fußball unübersehbar an seine Grenzen stößt: Das Geschäft mit dem populärsten Ballsport der Welt rechnet sich nach wie vor. Und der Hunger der Protagonisten ist noch lange nicht gestillt. Globalisierung heißt das Zauberwort. Und so ist es kein Geheimnis, dass der bei der Vergabe 1996 amtierende FIFA-Präsident Joao Havelange sich vor allem auch dem Druck der weltweit agierenden Sponsoren beugte, als Korea und Asien den Zuschlag erhielten. Je 100 Millionen Euro erhielten die beiden Länder als Startkapital, um der sogenannten Mustermesse des Fußballs eine angemessene Bühne zu bereiten. Ob sich das Großereignis über die Anschubfinanzierung der FIFA auszahlt, für die beiden Gastgeberländer, ist Funktionären wie Franz Beckenbauer eher gleichgültig.
Natürlich kann man sagen, ja macht es Sinn, in jedem Land zehn neue Stadien. Was wird nach der Weltmeisterschaft, was wird da drin gespielt? Natürlich, das sind alles Fragen, aber das müssen die Leute, die Leute die dort zu Hause sind.
Bereits das Beispiel USA hat gezeigt, dass die Nachhaltigkeit einer WM für die Entwicklung des Fußballs mehr als skeptisch zu sehen ist. Beckenbauer aber, Organisationschef der WM 2006, hat nicht zuletzt durch die Unterstützung des DFB für das Fußball-Spektakel in Fernost einen seiner Lebensträume verwirklicht. Jenseits aller sportpolitischen Ziele zeigt sich innerhalb der FIFA ein - wie sich in den aktuellen, verbandinternen Auseinandersetzungen deutlich zeigt - fragiles und machtpolitisches System des Gebens und Nehmens. So gibt DFB-Präsident Gerhard Meyer-Vorfelder denn auch verdeckt zu, dass Deutschland zumindest im Fall von Südkorea von dieser Mentalität profitiert hat, als es für die WM 2006 den Zuschlag erhielt.