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Zwischen Vergnügungspark und futuristischer Vision

Am 1. Oktober 1971 öffnete Disney World Orlando die Pforten seines "Magic Kingdom". Der Themenpark sollte mehr sein als fröhliche Vergnügungswelt. Walt Disney wollte hier seine Vision einer Stadt der Zukunft ausleben, in der es keine Energie-, Verkehrs- und Umweltprobleme gibt.

Von Heike Braun |
    Träume werden wahr. Das ist das Motto von Disney World Orlando. Doch ein großer Traum von Walt Disney selbst ist hier niemals ganz verwirklicht worden: die Vision von einer Stadt der Zukunft. In der es keine Müll-, Energie-, Verkehrs- und Umweltprobleme gibt. Ein hoch entwickeltes Bildungs- und Rentensystem gehörten auch dazu. Auf einem Video, das in Magic Kingdom zu sehen ist, erklärt Walt Disney selbst, wie er sich seine Stadt der Zukunft vorgestellt hatte:

    "Wir nennen es EPCOT, Experimental Prototype Community of Tomorrow. EPCOT wird ein Fingerzeig für neue Ideen und Technologien sein, die jetzt erst in kreativen Köpfen der amerikanischen Industrie entstehen. Es soll eine Gesellschaft von morgen sein. Die nie fertig wird, sondern ständig neue Technologien und Systeme ausprobiert. EPCOT wird ein Vorzeigeprojekt sein. Und die Erfindungsgabe amerikanischen Wirtschaft demonstrieren."

    Im berühmten "Spaceship Earth" zum Beispiel. Eine der bekanntesten Attraktionen im Park. Wie vieles inzwischen Entwicklungen deutscher Ingenieure. Hier kann der Besucher "seine Stadt der Zukunft" entwerfen.

    "Hier können Sie direkt an der Zukunft mitwirken und sie gestalten. Jetzt sind Sie dran."

    Der älteste Teil von Disney World Orlando aber ist das "Magic Kingdom". Eröffnet am 1. Oktober 1971. Von Anfang an gab es hier keinen Autoverkehr. Die Menschen werden überirdisch - in klimatisierten Zügen - transportiert. Die gesamte Versorgung funktioniert dagegen unterirdisch. In der Stadt selbst fährt nicht ein einziges Fahrzeug. Ein Vorzeigeprojekt. Genau wie das Recycling System von Disney World, das von sogenannten Imagineers konzipiert wurde. Patrick Brennan ist der Vizepräsident dieser Ideenschmiede in Orlando:

    "Imagineers” beschäftigen sich mit Technologien. Manchmal ist die Technologie alles, was zählt. Ich denke, dass Disneyworld ein sehr imponierendes Recycling System aufgebaut hat. Wir brauchen fast unseren gesamten Abfall neu. Wir düngen damit die Blumenbeete und die Baumschulen. Einiges wird direkt in erneuerbare Energie (für Strom und Heizung) umgewandelt. Wir verarbeiten unseren Müll zwar noch nicht zu 100 Prozent. Aber genau daran arbeiten wir im Moment."

    In Europa wird dagegen an erneuerbaren Energien gebastelt, die das Landschaftsbild entscheidend verändern werden. Windräder zum Beispiel, die Hunderte Meter hoch in den Himmel ragen. In Disney World undenkbar. Die Systeme für regenerative Energie sind hier beinahe unsichtbar.

    "Viele unserer Entwicklungen könnten kopiert werden. Sie erleichtern es, eine Gesellschaft zu organisieren."

    In Disney World Orlando scheint ein Mittelweg gelungen zu sein. Viele der futuristischen Visionen Disneys sind hier umgesetzt worden.

    Daneben: die bunte Plastik und Plüsch Welt der Comic-Helden von Magic Kingdom. Um Mickey, Minnie, Pluto, Goofy und all die anderen Disney Figuren fast lebendig zu erleben, reisen die Besucher rund um die Welt.

    Auch die Länderkopien in Epcot haben eine fast magnetische Anziehungskraft. Dieser Teil des Parks ist so etwas wie eine ständige Weltausstellung. Würzburg, Peking, norwegische Fjorde, Paris, Venedig: alles mitten in Orlando. Und einigermaßen authentisch. Einer, der am Eröffnungstag vor 40 Jahren dabei war, ist Kent Phillips:

    "Ich arbeitete am 1. Oktober 1971, für die Dschungel-Crew, in Magic Kingdom. Einen anderen Themenpark gab es damals noch nicht. Für uns war Disney World ein Abenteuer und nicht einfach nur ein Job. Aber ich hätte niemals gedacht, dass die Idee weltweit derart bekannt wird."

    Kent Phillips machte eine der typischen Disney Karrieren. Er stieg auf zum Leiter des Disney College Programms. Für dieses Programm können sich Studenten und Schüler aus allen Teilen der Welt bewerben. Sie leben, studieren und arbeiten auf dem Disneygelände. Sie sind Teil der Gesellschaft. Ganz im Sinne Walt Disneys. Denn er war überzeugt: Eine Gesellschaft der Zukunft funktioniert nur, wenn alle mit anpacken und wenn Leistung belohnt wird.

    Wenn sich morgen auf der großen Geburtstagsparade Disney World einen Tag lang selbst feiert, werden Donald & Co wie gewöhnlich den Jubel ernten. Die leisen Helden aber - die "Disney Imagineers"- bleiben wie immer im Hintergrund. Dabei hätten all die Physiker, Umweltschützer, Ingenieure, Architekten und Computerspezialisten nach 40 Jahren Erfindungsreichtum, auch endlich einmal eine Feier verdient.