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Zwischen Widerstand und Verpflichtung

Die Staatlichen Museen in Berlin haben ihre Rolle während der Nazidiktatur in der Publikation "Zwischen Politik und Kunst" selbst untersucht. Die Museen seien letzten Endes dem NS-System verpflichtet gewesen und hätten eher Zurückhaltung als Widerstand geübt, fasst Archivleiter und Mitautor Jörn Grabowski zusammen.

Jörn Grabowski im Gespräch mit Christoph Schmitz |
    Christoph Schmitz: Die Staatlichen Museen zu Berlin unter dem Dach der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, sie haben nicht wenig zu bieten: die Alte Nationalgalerie mit seinen Alten Meistern auf der Museumsinsel etwa, das Bode-Museum, das Pergamonmuseum mit der antiken Kulturwelt, rund 20 einzigartige Sammlungen mit einer langen Geschichte, zum Teil auch mit einer Geschichte in der Zeit des Nationalsozialismus. In der antijüdischen Verdrängungspolitik der Nazis wurden auch sie per Gesetz und ideologisch an die Kandare genommen.

    Wie sich die Staatlichen Museen zu Berlin zwischen '33 und '45 verhielten, haben diese selbst nun untersucht. Heute Abend wird die Publikation in Berlin vorgestellt. "Zwischen Politik und Kunst" heißt das Buch. Welche Rolle haben die Staatlichen Museen in Berlin während der Nazidiktatur denn gespielt? Das habe ich den Herausgeber der Publikation, den Archivleiter der Staatlichen Museen gefragt, Jörn Grabowski.

    Jörn Grabowski: Dazu muss gesagt werden, dass die Museen ja in einer gewissen problematischen Stellung sich befanden. Zum einen hatten sie natürlich als große Einrichtungen in Berlin eine mächtige Präsenz im Kulturbereich. Sie konnten sich also nicht wegdenken in dieser sehr schwierigen Zeit, und sie mussten als eins weiterhin arbeiten und waren letzten Endes damit auch dem neuen System verpflichtet und gaben letzten Endes, gewollt oder ungewollt, dem neuen System auch einen kulturellen Rahmen.

    Im Rahmen der nationalsozialistischen Propaganda, wenn wir die Druckmedien nehmen oder den Film, die Presse insgesamt, hatten die Museen natürlich eine eher sekundäre Rolle. Sie standen also nicht in der ersten Reihe der Propaganda, sondern waren etwas zurückgedrängt. Die Museen waren schwer zu bewegende Einrichtungen. Dennoch war auch eine gewisse Indienstnahme der Staatlichen Museen zu verzeichnen. Darüber sprechen wir in unserem Band.

    Schmitz: Wie haben sie sich dann verhalten, die Mitarbeiter? War es ein ambivalentes Verhalten? Waren sie einerseits angepasst, auch aus Überzeugung oder aus Notwendigkeit vielleicht dem Druck gegenüber, oder war es doch eher ein Traditionsbewusstsein, dass man der alten ursprünglichen Museumsethik gerecht werden wollte?

    Grabowski: Wir müssen davon ausgehen, der Großteil der wissenschaftlichen Mitarbeiter waren Beamte, und die waren letzten Endes dem Staat verpflichtet. Ich denke mal, wir können davon ausgehen, dass ein Großteil der Beamten natürlich dem neuen System wie gesagt verpflichtet waren, diesem aber auch, sagen wir, reserviert gegenüberstanden. Man wartete erst mal ab. Einen großen Einschnitt gab es natürlich über die Verweisung der jüdischen Mitarbeiter.

    Allein auf der Grundlage des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums wurden durchweg jüdische Mitarbeiter ihres Amtes enthoben. Wir haben einige Stimmen in unserem Band zusammengetragen, die durchaus kritisch waren. Es gab natürlich Mitarbeiter, die dem neuen System doch irgendwo entsprachen, das ist leider so. Man musste letzten Endes dem Kultusministerium und den Aufgaben, die man aus diesem Ministerium bekam, Folge leisten.

    Schmitz: Gab es denn auch richtigen Widerstand, mal abgesehen von der Personalpolitik, wenn man da unter Gesetzesdruck oder Zwängen stand, in anderer Hinsicht aber widerstand?

    Grabowski: Widerstand spielt aus den bekannten und angesprochenen Gründen eine eher geringe Rolle. Adolf Reichwein, Leiter der Abteilung Schule und Museum, war natürlich unsere leuchtende Figur im Sinne eines Widerstandes. Dafür musste er aber auch mit seinem Leben büßen. Ansonsten kann man vielleicht von einem etwas zögerlichen Widerstand sprechen.

    Wir wissen ja aus der Aktion Entartete Kunst, die die Museen sehr stark beeinträchtigte, Nationalgalerie, Kupferstich-Kabinett, wir wissen, dass während der Beschlagnahmeaktion im Kupferstich-Kabinett die eine oder andere Zeichnung beiseitegeschafft worden ist durch beherzte Mitarbeiter, sodass nicht alles verloren gegangen ist. Wir wissen, dass einige Bilder, die im Kronprinzen-Palais verbrannt werden sollten im Auftrag der Gestapo, dass da das eine oder andere nicht verbrannt worden ist, was dann leider Gottes später durch die Aktion Entartete Kunst verloren gegangen ist.

    Es gab schon, sagen wir mal, das Wort Widerstand, sagen wir eine Zurückhaltung. Ansonsten müssen wir davon ausgehen, dass der Großteil der Mitarbeiter über ihr Beamtentum allein schon dem System verpflichtet war.

    Schmitz: Ergeben sich aus Ihrer Sicht denn Konsequenzen für die Museen, etwa im Hinblick auf Restitution oder in anderen Bereichen?

    Grabowski: Konsequenzen in dem Sinne, dass man jetzt unter Betrachtung der Geschichte dieser zwölf Jahre noch mal genauer hinschaut, und dann wird man sehen, dass der Spielraum der Museen oder der einzelnen Mitarbeiter doch relativ gering war. Interessant ist, und das können wir auch nachweisen, dass zwischen 1933 und 1945 über 1200 Direktiven aus den übergeordneten Instanzen, also vom Kultusministerium, Außenministerium, was auch immer, an die Museen gegangen ist. Damit mussten sich die Museen beschäftigen.

    Gleichwohl müssen wir auch sehen, dass in Einzelfällen sich die Museen auch nicht entziehen konnten, hier, sagen wir mal, sehr propagandistisch wirksam zu werden. Ich erinnere an eine Ausstellung, "1813 – 1815" hieß die, Deutschlands Freiheitskampf. Das war eine Ausstellung, die die Nationalgalerie auf Anweisung des Kultusministeriums veranstalten musste über den Befreiungskampf gegen Napoleon. Diese Ausstellung lief aber parallel zu den Kriegsereignissen gegen Frankreich, also im Jahr 1940. Das ist natürlich ein Punkt, wo man ganz eindeutig sagen muss, dass diese Ausstellung auch durch die Presse dann entsprechend im Sinne nationalsozialistischer Ideologie ausgewertet worden ist.

    Schmitz: …, sagt Jörn Grabowski, Leiter des Zentralarchivs der Staatlichen Museen zu Berlin und Herausgeber der Publikation "Zwischen Kultur und Politik", über die Museen im Nationalsozialismus.


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