Diese Ausstellung handelt von fragiler Natur und verschwindenden kulturellen Identitäten in einer haarsträubend global aufgemischten Welt. - Da strampelt die auf den Philippinen geborene Dänin Lilibeth Cuenca Rasmussen im Baströckchen per Video vor der Exotikkulisse eines grell-bunten Kitschwandteppichs und singt politisch unkorrekt von ihrer privaten Zerrissenheit: "So proud to be a nigger...". Ein lärmender Ausreißer in einer ansonsten eher stillen, nachdenklichen Schau im Souterrain des Schweriner Museums. Man muss schon genau hinsehen, um die ökologischen und psychologischen Subtexte der Künstlerbotschaften zu entschlüsseln.
Etwa bei dem Letten Mics Mitrevics, der uns - mit der alltäglichen Bitte "Let's have a walk" - in eine so hoffnungslose wie geheimnisvolle Welt entführt, ein Arrangement aus abgestorbenen Ästen, Glas- und Plastikkanistern, opaken Schläuchen und abgelegten Kleidungsstücken. Ort und Zeit erscheinen wie Fragmente eines Ganzen, das nicht mehr zusammenpassen will. Die Gegenwart wird dünn zwischen unbegreiflicher Vergangenheit und prekärer Zukunft; das Farbporträt einer schmutzigen Hand wird zum Highlight eines tristen Erinnerungsspeichers.
Überhaupt das Gedächtnis - die Buchten- und schärenreiche Ostsee bildet - ein Grab vergessener Aufbrüche und versunkener Utopien! Sven Johne kommt von der Insel Rügen, für ihn ist das Baltische Meer ein melancholisches Untersuchungsgebiet. Seine schmucklose Schwarz-Weiß-Fotoreihe geht dem Schicksal von sechs Männern nach, die je anders auf der kleinen Insel Vinta scheiterten: etwa Wernher von Braun, dessen V2-Rakete hier erstmals in den grauen Ostseehimmel geschossen wurde, oder Fritz Lang, der hier einen Film über die Mondlandung drehen wollte und abbrechen musste, oder ein DDR-Flüchtling, der nach Dänemark segeln wollte, aber im Nebel auf der Insel Vinta strandete. Vinta - das verhängnisvolle Gegenland zum legendären Vineta? - Bis heute birgt die Ostsee die meisten Wracks pro Quadratkilometer. Der Schwede Magnus Petersson hat einige davon sichtbar gemacht. Sein Bildgebendes Verfahren ist ein hochauflösendes Echolot. Wir betrachten den Meeresgrund also mit den Ohren einer Fledermaus: Fragile längliche Wesen lagern da am Grunde des Meeres, grünlich-schwarze Gerippe träumen in der Dämmerung - schaurig-schöne Reste stolzer Schiffe.
Nicht nur die Ostsee verbindet die beteiligten Künstler, auch historische und politische Abhängigkeiten; dies zeigt die Teilnahme des Isländers Unna Örn Audarson. Seine - in den Archiven von Reykjavik gefundenen - verwaschenen Schwarz-Weiß-Fotos sollen den "Beitrag der Gesellschaft Islands zur Geschichte des Unvollendeten" dokumentieren. Bilder von Armensiedlungen, die sozialistische Beamte in den 30er-Jahren herstellten, um auf die Missstände des Wohnungsbaus hinzuweisen. In den 60ern entdeckten Architekten die inzwischen noch tristeren Hütten wieder neu - diesmal als ethnografische Absonderlichkeit.
Neu entdeckt auch das litauische Künstlerpaar Nomeda und Gediminas Urbonas die Kriegsgeschichte einer Schäreninsel. Ihre Video-Raum-Skulptur "Uto-Pia" - die auf ihren Beitrag zur Kulturhauptstadt Turku 2011 zurückgeht, zeigt ein Stück vergessener Vergangenheit des 20.000 Inseln umfassenden Turku-Archipels: Die verlorenen Eilande, wo nur Schafe weideten, wurden im Kalten Krieg plötzlich logistisch wichtig und mit einem Bunkersystem unterminiert. Nun finden sich ihre Ureinwohner in den mühevollen Ebenen friedlicher Geschichtslosigkeit wieder, sie züchten wieder alte Maarits-Schafe und machen einen guten Käse...
Nicht alle Beiträge erfüllen die Erwartung, neue baltische Befindlichkeiten und Künstlerprofile kennenzulernen; zu komplex ist wohl auch der Anspruch, die sich radikal wandelnden kulturellen Identitäten zwischen Tallin und Reykjavik, Kaunas und Rügen auszuloten. Aber der von den Schweriner Kuratorinnen eingeschlagene interdisziplinäre Weg, Werke mit teils wissenschaftlichen, teils künstlerischen Ansätzen zusammen zu führen, ist so anregend, dass ein Abstecher in die malerische Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns für jeden Ostsee-Reisenden allemal lohnt.
"Connected by Art"Das Staatliche Museum Schwerin zeigt zeitgenössische Kunst aus dem Ostseeraum (bis 16. 09. 2012)
Etwa bei dem Letten Mics Mitrevics, der uns - mit der alltäglichen Bitte "Let's have a walk" - in eine so hoffnungslose wie geheimnisvolle Welt entführt, ein Arrangement aus abgestorbenen Ästen, Glas- und Plastikkanistern, opaken Schläuchen und abgelegten Kleidungsstücken. Ort und Zeit erscheinen wie Fragmente eines Ganzen, das nicht mehr zusammenpassen will. Die Gegenwart wird dünn zwischen unbegreiflicher Vergangenheit und prekärer Zukunft; das Farbporträt einer schmutzigen Hand wird zum Highlight eines tristen Erinnerungsspeichers.
Überhaupt das Gedächtnis - die Buchten- und schärenreiche Ostsee bildet - ein Grab vergessener Aufbrüche und versunkener Utopien! Sven Johne kommt von der Insel Rügen, für ihn ist das Baltische Meer ein melancholisches Untersuchungsgebiet. Seine schmucklose Schwarz-Weiß-Fotoreihe geht dem Schicksal von sechs Männern nach, die je anders auf der kleinen Insel Vinta scheiterten: etwa Wernher von Braun, dessen V2-Rakete hier erstmals in den grauen Ostseehimmel geschossen wurde, oder Fritz Lang, der hier einen Film über die Mondlandung drehen wollte und abbrechen musste, oder ein DDR-Flüchtling, der nach Dänemark segeln wollte, aber im Nebel auf der Insel Vinta strandete. Vinta - das verhängnisvolle Gegenland zum legendären Vineta? - Bis heute birgt die Ostsee die meisten Wracks pro Quadratkilometer. Der Schwede Magnus Petersson hat einige davon sichtbar gemacht. Sein Bildgebendes Verfahren ist ein hochauflösendes Echolot. Wir betrachten den Meeresgrund also mit den Ohren einer Fledermaus: Fragile längliche Wesen lagern da am Grunde des Meeres, grünlich-schwarze Gerippe träumen in der Dämmerung - schaurig-schöne Reste stolzer Schiffe.
Nicht nur die Ostsee verbindet die beteiligten Künstler, auch historische und politische Abhängigkeiten; dies zeigt die Teilnahme des Isländers Unna Örn Audarson. Seine - in den Archiven von Reykjavik gefundenen - verwaschenen Schwarz-Weiß-Fotos sollen den "Beitrag der Gesellschaft Islands zur Geschichte des Unvollendeten" dokumentieren. Bilder von Armensiedlungen, die sozialistische Beamte in den 30er-Jahren herstellten, um auf die Missstände des Wohnungsbaus hinzuweisen. In den 60ern entdeckten Architekten die inzwischen noch tristeren Hütten wieder neu - diesmal als ethnografische Absonderlichkeit.
Neu entdeckt auch das litauische Künstlerpaar Nomeda und Gediminas Urbonas die Kriegsgeschichte einer Schäreninsel. Ihre Video-Raum-Skulptur "Uto-Pia" - die auf ihren Beitrag zur Kulturhauptstadt Turku 2011 zurückgeht, zeigt ein Stück vergessener Vergangenheit des 20.000 Inseln umfassenden Turku-Archipels: Die verlorenen Eilande, wo nur Schafe weideten, wurden im Kalten Krieg plötzlich logistisch wichtig und mit einem Bunkersystem unterminiert. Nun finden sich ihre Ureinwohner in den mühevollen Ebenen friedlicher Geschichtslosigkeit wieder, sie züchten wieder alte Maarits-Schafe und machen einen guten Käse...
Nicht alle Beiträge erfüllen die Erwartung, neue baltische Befindlichkeiten und Künstlerprofile kennenzulernen; zu komplex ist wohl auch der Anspruch, die sich radikal wandelnden kulturellen Identitäten zwischen Tallin und Reykjavik, Kaunas und Rügen auszuloten. Aber der von den Schweriner Kuratorinnen eingeschlagene interdisziplinäre Weg, Werke mit teils wissenschaftlichen, teils künstlerischen Ansätzen zusammen zu führen, ist so anregend, dass ein Abstecher in die malerische Landeshauptstadt Mecklenburg-Vorpommerns für jeden Ostsee-Reisenden allemal lohnt.
"Connected by Art"Das Staatliche Museum Schwerin zeigt zeitgenössische Kunst aus dem Ostseeraum (bis 16. 09. 2012)