Archiv


Zwischen Wüste und Berg

Mit Siebenmeilenstiefeln führt Sultan Qaboos sein Land Oman in die moderne Zeit. Das Sultanat bleibt trotz der Modernisierung beim Altbewährten: arabische Gastfreundschaft, uralte Tradition und eine abwechslungsreiche Natur.

Von Bita Schafineya |
    Oman liegt am östlichen Rand der arabischen Halbinsel. Entlang der 1700 Kilometer langen Küste wechseln sich weiße Strände und steile Klippen ab. Zwischen schroffen dunklen Felsen stehen blütenweiße Siedlungen, prächtige Paläste. Immer wieder öffnet sich der Blick auf das blau leuchtende Meer. Aber, das Hinterland ist sehr einsam. In manchen Ecken hat man das Gefühl, die Zeit wäre stehen geblieben:

    "Wenn da jetzt kein Auto stünde, würde ich sagen, so ist es vor 500 Jahren mit den Ziegen, die sich so ein bisschen in den Schatten einer Hauswand flüchten, genau wie die Menschen. Ja, es ist gewaltig."

    Elisabeth Neumann reist regelmäßig in den Oman, denn seit etwa einem Jahr lebt dort ihre Tochter Katja von Stenkeste – zusammen mit ihrem belgischen Mann und den drei Kindern. Das Sultanat gilt als sehr sicher: Es gibt kaum Kriminalität - religiöser Extremismus und soziale Konflikte sind unbekannt. Und: Oman gehört zu den wenigen arabischen Ländern, in denen Frauen bedenkenlos allein reisen können. Bei ihrer Kleidung müssen allerdings auch Besucher die Landessitten respektieren, erklärt Katja von Stenkeste:

    "Ich habe nach wie vor ein T-Shirt an, was meine Arme bedeckt oder was meine Schultern bedeckt und auch Röcke, die über mein Knie gehen. Also ich versuche, das zu respektieren und so fühle ich mich wohl hier und ich werde auch nicht komisch angeguckt oder hab das Gefühl, das mich jemand böswillig attackieren will oder sonstiges."

    Aber die Kleidungssitten sind längst nicht so streng wie beispielsweise im Iran. Nur wenige Frauen sind verschleiert. Oman ist ein sehr offenes Land, dem Westen zugewandt. Hier spielt die Seefahrertradition eine große Rolle. Und auch der internationale Handel mit dem Weihrauch hat das Land geprägt. In den 70er-Jahren kam die Wende, als Sultan Qaboos seinen Vater vom Thron stieß und das Land übernahm, um es in die Moderne zu führen. Doch das Sultanat hat sein orientalisches Flair behalten, denn es gibt dort noch traditionelle arabische Architektur. Kaum ein Gebäude ist höher als fünf Stockwerke. Elisabeth Neumann ist besonders von der Schlichtheit fasziniert:

    "Auch das die Häuser nicht hoch sind, das sie bis auf zwei, drei Nuancen alle die gleiche Farbe haben, es passt sich der Natur an. Und ich denke, als Tourist kann man hier sehr gut unterwegs sein."

    Es gibt Wüstensafaris, Bergsafaris und beeindruckende Flusstäler, die sogenannten Wadis. Der Besucher trifft auch Einheimische, die dort wohnen. Urlauber kommen leicht mit ihnen ins Gespräch und werden auch mal zum Essen eingeladen - Gastfreundschaft gehört zum guten Ton. Das bekommt auch Elisabeth Neumann regelmäßig zu spüren:

    "Die Menschen in ihrer für meine Begriffe Zufriedenheit, in ihrer Freundlichkeit, auch Gastfreundschaft, die wir hier erlebt haben, die ist so grenzenlos Fremden gegenüber. Man trifft einfach noch auf, ich denke, gesunde Charaktere."

    Auch wenn der Liter Superbenzin weniger als 30 Cent kostet - Oman ist kein Billigreiseland. Die Ölquellen werden nicht ewig sprudeln, daher setzt das Sultanat verstärkt auf den sogenannten "sanften Tourismus": Man freut sich auf kaufkräftige westliche Besucher, die ein faszinierendes Morgenland entdecken wollen, ohne auf Komfort zu verzichten, erzählt Tourismusexpertin Steffi Scholett:

    "Also es ist auch ganz bewusst von der Regierung so gewollt, also man will nicht den Massentouristen, sondern man möchte gerne den Touristen mit Klasse, sagen wir mal so. Das heißt, die Hotels haben auch entsprechende Preiskategorien, dass sich das eben nicht der Pauschaltourist leisten kann und man merkt es auch, das Land ist noch nicht überfüllt und man tritt sich nicht gegenseitig auf die Füße."

    Die meisten Besucher beginnen ihre Reise in der Hauptstadt Maskat.

    Langsam rollen die Geländewagen auf der Stadtautobahn in den Feierabend, vorbei an parkähnlichen Verkehrsinseln, Palmenalleen und weiß gekalkten Gebäuden mit geschwungenen Fensterbögen. Hier gehen die Uhren langsamer:

    "Also, es ist ehr gemütlich, sagen wir mal so, es gibt nicht diese Hektik, diesen Stress, den es in Hamburg oder in Berlin gibt, es ist alles sehr relaxed, sehr entspannt. Man hat alles auf engstem Raum, manchmal sieht man Ziegenherden mitten in der Stadt."

    Mitten in der Stadt liegt auch die "Sultan Qaboos Moschee". Auf einer Fläche von 460.000 Quadratmetern wurde sie innerhalb von sechs Jahren gebaut. Durch ein großes Portal aus Holz betreten die Besucher die große Gebetshalle – ausgelegt mit einem rund 4000 Quadratmeter großen Perser-Teppich, angeblich der größte der Welt. Unter der Kuppel hängt ein opulenter Kronleuchter aus Tausenden von Kristallsteinen. Die Halle bietet 6000 Gläubigen Platz zum Beten. Die Säulen und Wände sind aus schlichtem weißen und grauen Marmor. Und sie ist die einzige Moschee des Landes, die auch Nicht-Moslems besuchen dürfen:

    "Traumhaft, ich habe keine Worte dafür, so großartig ist die. Einmal die Monumentalität natürlich, das ist klar, außen und innen und dann die Verzierungen, die also unvorstellbar sind einmal vom Künstlerischen her und dann natürlich auch vom Handwerklichen her und überhaupt die ganze Atmosphäre hier."

    Auch Historiker kommen hier auf ihre Kosten beim Anblick verfallener Festungen oder renovierter Forts aus der Zeit der portugiesischen Kolonialherrschaft.

    Wer nach buntem orientalischen Treiben sucht, der findet das am anderen Ende der Stadt, im alten Ortsteil Mutra. Im Suok - dem traditionellen Basar – weht einem der Duft von Gewürzen wie Safran, Rosmarin oder Kurkuma um die Nase. Hier trifft man auch traditionell gekleidete Männer – mit einem weißen Gewand, dem sogenannten Dishdasha, auf dem Kopf tragen sie eine runde Kappe, Kumma genannt. In den Ladenboxen türmt sich die Ware: Bunte Stoffe, edelste Tücher, Gold- und Silberschmuck, Haushaltswaren und Schuhe, Spielzeug und Plastikblumen – man bekommt hier fast alles, erzählt Tourismusexpertin Steffi Scholett:

    "Und natürlich, wie üblich in Arabien, gehört das Handeln mit dazu. In der Regel 10 bis 15 Prozent kann man am Preis noch feilschen. Und, ja da kann man noch so'n bisschen das traditionelle arabische Flair genießen"

    Das Öl veränderte das Land am arabischen Golf. Doch während in anderen Golfstaaten einige reiche Familienclans von den Ölmilliarden profitieren und sich protzige Baudenkmäler setzen, wählte Oman einen anderen Weg. Natürlich hat auch hier der Sultan einen eindrucksvollen Palast, reiht sich im Regierungsviertel Villa an Villa. Doch die Hälfte seiner Einnahmen gibt der Staat für Bildung und Gesundheit aus. Investitionen, von denen auch die ganz normalen Bürger profitieren. Hans-Uwe Müllers betreibt seit gut 30 Jahren eine Bäckerei im Sultanat. Inzwischen hat der 62-Jährige sich an das Leben dort gewöhnt und ist ein wenig Omani geworden. Doch oft, so sagt er, ist er noch typisch Deutsch:

    "Wenn ich manchmal sehe, wie die Leute hier Auto fahren oder wie die sich benehmen, da geht mir schon mal der Gaul durch. Man darf es nicht, man soll es nicht aber ich bin halt noch zu viel deutsch, das mir manchmal tatsächlich der Kragen platzt und ich hab dann auch keine Hemmungen, das zu sagen."

    Zu seinen Kunden gehören überwiegend Geschäftsleute aus aller Welt und einige Touristen. Mittlerweile kommen aber auch viele Omanis, die Roggenbrot und deutsches Gebäck gerne mögen. Selbst für Sultan Qaboos hat Hans Uwe Müllers schon einen Kuchen gebacken:

    "Der Kuchen, das war so eine Nachbildung von einem Gebäude der Universität. Dann hat er das begutachtet und gelächelt, aber den Kuchen nicht angeschnitten. Der Kuchen wurde dann genauso zurückgeschickt, wie er geliefert wurde. Hatte damals 3000 Rial gekostet, das waren damals 30.000 Mark."

    Anders als in Dubai leben und arbeiten im Oman vor allem Einheimische. Nur 25 Prozent der Bevölkerung sind Ausländer. Sultan Qaboos will so viele Arbeitsplätze wie möglich mit Omanis besetzen. Doch vielen fehlt die notwendige Ausbildung.
    Enrik Mehlo aus Braunschweig ist Müllermeister. Seit vergangenem Jahr lebt er – zusammen mit seiner Frau Maryam – im Oman. Seitdem glauben sie, dass ihre Lebensqualität deutlich gestiegen ist: Weiße Strände, blaues Meer – und jeden Tag scheint die Sonne:

    "Man hat 200 Tage im Jahr angenehmen Sonnenschein. Ungefähr 150 Tage im Jahr ist es ein bisschen sehr warm, da macht es keinen Spaß draußen zu grillen oder an den Strand zu gehen. Und die Stadt Muskat hat ungefähr 40, 50 Kilometer Strandlinie, wir wohnen an sich am Strand."

    In den Oman zu reisen, ist gar nicht so schwierig. Ganz pragmatisch versucht die Regierung, den Besuchern die Einreise so leicht wie möglich zu machen. Das Visum gibt es für zehn Euro direkt am Flughafen. Die beste Reisezeit ist übrigens von Oktober bis März. Erst Mitte der 90er-Jahre hat sich das Land dem Tourismus geöffnet – und hat viel zu bieten: Hier gibt es noch die alte orientalische Kultur. Die zahlreichen Festungen entlang der früheren Handelsrouten erinnern an die Zeit, als der Oman eines der mächtigsten Imperien Arabiens war, erzählt Steffi Scholett:

    "Es ist noch das Reizvolle, das Unbekannte zu sehen, es ist noch nicht überlaufen. Und ich denke, gerade für Leute, die das wirkliche Arabien erleben wollen, ist es der perfekte Ort."