Die Siedlung liegt abgeschieden - ein paar Kilometer außerhalb der thailändischen Grenzstadt Mae Sot. Dort befindet sich das Haus, in dem Zipporah Sein zeitweise arbeitet. Zipporah Sein ist Generalsekretärin der "Karen National Union" (KNU). Die Rebellengruppe kämpft für die Interessen der unterdrückten ethnischen Karen-Minderheit in Birma.
Die KNU sitzt dabei zwischen sämtlichen Stühlen: Diesseits der Grenze, in Thailand, muss sie vorsichtig agieren; erst vor Kurzem haben Polizei und Armee Razzien in den Häusern führender Mitglieder durchgeführt. Und jenseits der Grenze, im Karen-Staat, einer Art Bundesland in der Union Birma, kämpft deren militärischer Arm, die "Karen National Liberation Army", gegen Birmas Junta. Zipporah Sein hat noch genau vor Augen, was Mitte vergangenen Jahres passierte: Birmas Armee und eine mit ihr verbündete Miliz hatten Stellungen der "Karen National Liberation Army" im Osten attackiert.
"Die Junta hat ihre Verbündeten dazu benutzt, um diese Gebiete anzugreifen. Und das hatte schwerwiegende Folgen für die zumeist kleinen Dörfer und deren Einwohner. Diese wurden gezwungen, zu fliehen. Damals sind mehr als 5000 neue Flüchtlinge aus Birma über die Grenze nach Thailand gekommen."
Die Angriffe geschahen nicht zufällig: Birmas Militärs wollen in diesem Jahr Wahlen abhalten. Dazu brauchen sie Ruhe in den Grenzregionen. Die Junta versucht, ihre Gegner auszuschalten oder auf andere Weise unter ihre Kontrolle zu bringen. Ethnische Rebellen, mit denen das Militärregime einst Waffenstillstandsabkommen schloss, sollen sich zum Beispiel in sogenannte "Grenzschutztruppen" unter Befehl der Junta umwandeln lassen. Für viele kommt das nicht infrage.
Die Konflikte gären schon seit Jahrzehnten. Nicht selten nutzen Birmas Militärs dabei die Rivalitäten innerhalb einer Volksgruppe aus: Die Miliz "Democratic Karen Buddhist Army" ist seit Jahren mit der Junta verbündet. Sie bezeichnet sich mittlerweile als "Grenzschutztruppe". Und sie attackiert nicht nur die gegnerische "Karen National Liberation Army", sondern auch Dorfbewohner im Osten Birmas.
Dort spitzen sich die Zustände immer weiter zu, berichtet der Aktivist Poe Shan von der "Karen Human Rights Organisation". Birmas Militärs plündern, brandschatzen, morden, unterdrücken - und die Bewohner werden zu Vertriebenen im eigenen Land oder flüchten über die Grenze nach Thailand.
"Ich habe mit einem Dorfbewohner gesprochen, den ich schon zuvor getroffen hatte. Er sagte mir, dass die Menschen Zwangsarbeit, Erpressung und vieles andere erdulden müssten. Die Junta habe die Democratic Karen Buddhist Army gezwungen, mehr Soldaten zu rekrutieren. Aber die Dorfbewohner wollten sich nicht anwerben lassen. Denn dann müssten sie sich ja an Angriffen beteiligen. Die Männer des Dorfes hätten sich daraufhin im Dschungel versteckt. Wenn sich die Lage nicht bessere, sagten sie, könnten sie nicht mehr zurück, sondern müssten nach Thailand fliehen."
Dabei leben dort entlang der Grenze bereits mindestens 140.000 Menschen in Flüchtlingslagern. Die meisten von ihnen sind Karen. Auch Migranten überqueren zunehmend die Grenze, weil sie in Thailand auf einen besseren Job hoffen.
Von Thailands Behörden sind diese Menschen bestenfalls geduldet. Mittlerweile aber hat sich herumgesprochen, wo sie Hilfe und medizinische Betreuung erhalten können - zum Beispiel in der Mae Tao Klinik, die im ganzen Grenzgebiet bekannt ist.
Gegründet hat die Klinik Doktor Cynthia Maung, Angehörige der Karen und selbst ein Flüchtling. Seit 1989 ist sie hier; kurz zuvor hatten die Menschen in Birma für Demokratie und bessere Lebensbedingungen demonstriert. Aber die Junta hatte die Proteste blutig unterdrückt. Daraufhin schlug sich Cynthia Maung bis nach Thailand durch, die Mae Tao Klinik baute sie aus dem Nichts auf. Heute finanziert sich die Einrichtung aus Spenden und behandelt ihre Patienten kostenlos - seien es Flüchtlinge, Migranten oder Dorfbewohner aus Birma, die für kurze Zeit über die Grenze pilgern. Die zunehmende Anzahl der Hilfesuchenden stellt die Klinik vor ernste Probleme:
"Wir beobachten, dass nach und nach die Patienten nicht mehr allein, sondern oft mit der gesamten Familie nach Thailand kommen. Aber der fehlende Zugang zu Dienstleistungen und rechtlichem Beistand macht sie sehr verwundbar. Es geht also nicht allein um medizinische Behandlung, sondern auch um psychosoziale Hilfe und den Wiederaufbau von Gemeinschaften. Dafür brauchen wir aber mehr Netzwerke, die uns unterstützen."
Manche ihrer Schützlinge leben schon seit Jahrzehnten an der Grenze; so wie eine Frau von Ende 30 aus einem der Flüchtlingslager. Sie achtet gerade auf das neugeborene Baby einer Mitpatientin:
"Im Jahr 1988 waren so viele Menschen politisch aktiv, und ich wollte mit dabei sein. Wie viele andere habe auch ich bei den Wahlen von 1990 für Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi gestimmt. Jetzt lebe ich hier und ich bin froh, dass es für die Menschen aus Birma die Mae Tao Klinik gibt."
Die Wunden der Vergangenheit sind noch nicht einmal verheilt, da drohen neue Konflikte in den Grenzregionen. Ob sich die Lage verschärft, hänge ganz von Birmas Machthaber Than Shwe ab, sagt Khuensai Jaiyen von der "Shan Herald Agency for News". Er beobachtet die Entwicklung im Grenzgebiet zwischen Thailand, Birma und China kritisch:
"Selbst die Chinesen haben erklärt, sie gingen davon aus, dass die meisten Generäle einen Krieg für nutzlos halten. Allerdings ist man sich nicht sicher, was Juntachef Than Shwe im Sinn hat. Es hängt davon ab, ob er mit den Vorbereitungen für die Wahlen in diesem Jahr weitermacht oder nicht. Falls ja, wird es ziemlich sinnlos sein, einen Krieg vom Zaun zu brechen. Falls es ihn aber nicht kümmert, ob Wahlen anstehen oder nicht, dann wird möglicherweise gekämpft."
Angesichts der verheerenden Menschenrechtslage appelliert Zipporah Sein, die Generalsekretärin der "Karen National Union", an die Weltgemeinschaft, die ethnischen Volksgruppen nicht zu vergessen. Ohne diese werde eine Demokratisierung in Birma nicht möglich sein:
""Wenn über Demokratie geredet wird, dann redet man vor allem über Aung San Suu Kyi und deren Partei, die "Nationale Liga für Demokratie". Aber über die ethnischen Volksgruppen wird nur wenig gesprochen."
An einem Dialog aber haben die Hardliner unter Birmas Generälen kein Interesse. Die Wahlen planen sie nur deshalb, weil sie dadurch ihren Machtanspruch auch für die Zukunft zementieren wollen.
Die KNU sitzt dabei zwischen sämtlichen Stühlen: Diesseits der Grenze, in Thailand, muss sie vorsichtig agieren; erst vor Kurzem haben Polizei und Armee Razzien in den Häusern führender Mitglieder durchgeführt. Und jenseits der Grenze, im Karen-Staat, einer Art Bundesland in der Union Birma, kämpft deren militärischer Arm, die "Karen National Liberation Army", gegen Birmas Junta. Zipporah Sein hat noch genau vor Augen, was Mitte vergangenen Jahres passierte: Birmas Armee und eine mit ihr verbündete Miliz hatten Stellungen der "Karen National Liberation Army" im Osten attackiert.
"Die Junta hat ihre Verbündeten dazu benutzt, um diese Gebiete anzugreifen. Und das hatte schwerwiegende Folgen für die zumeist kleinen Dörfer und deren Einwohner. Diese wurden gezwungen, zu fliehen. Damals sind mehr als 5000 neue Flüchtlinge aus Birma über die Grenze nach Thailand gekommen."
Die Angriffe geschahen nicht zufällig: Birmas Militärs wollen in diesem Jahr Wahlen abhalten. Dazu brauchen sie Ruhe in den Grenzregionen. Die Junta versucht, ihre Gegner auszuschalten oder auf andere Weise unter ihre Kontrolle zu bringen. Ethnische Rebellen, mit denen das Militärregime einst Waffenstillstandsabkommen schloss, sollen sich zum Beispiel in sogenannte "Grenzschutztruppen" unter Befehl der Junta umwandeln lassen. Für viele kommt das nicht infrage.
Die Konflikte gären schon seit Jahrzehnten. Nicht selten nutzen Birmas Militärs dabei die Rivalitäten innerhalb einer Volksgruppe aus: Die Miliz "Democratic Karen Buddhist Army" ist seit Jahren mit der Junta verbündet. Sie bezeichnet sich mittlerweile als "Grenzschutztruppe". Und sie attackiert nicht nur die gegnerische "Karen National Liberation Army", sondern auch Dorfbewohner im Osten Birmas.
Dort spitzen sich die Zustände immer weiter zu, berichtet der Aktivist Poe Shan von der "Karen Human Rights Organisation". Birmas Militärs plündern, brandschatzen, morden, unterdrücken - und die Bewohner werden zu Vertriebenen im eigenen Land oder flüchten über die Grenze nach Thailand.
"Ich habe mit einem Dorfbewohner gesprochen, den ich schon zuvor getroffen hatte. Er sagte mir, dass die Menschen Zwangsarbeit, Erpressung und vieles andere erdulden müssten. Die Junta habe die Democratic Karen Buddhist Army gezwungen, mehr Soldaten zu rekrutieren. Aber die Dorfbewohner wollten sich nicht anwerben lassen. Denn dann müssten sie sich ja an Angriffen beteiligen. Die Männer des Dorfes hätten sich daraufhin im Dschungel versteckt. Wenn sich die Lage nicht bessere, sagten sie, könnten sie nicht mehr zurück, sondern müssten nach Thailand fliehen."
Dabei leben dort entlang der Grenze bereits mindestens 140.000 Menschen in Flüchtlingslagern. Die meisten von ihnen sind Karen. Auch Migranten überqueren zunehmend die Grenze, weil sie in Thailand auf einen besseren Job hoffen.
Von Thailands Behörden sind diese Menschen bestenfalls geduldet. Mittlerweile aber hat sich herumgesprochen, wo sie Hilfe und medizinische Betreuung erhalten können - zum Beispiel in der Mae Tao Klinik, die im ganzen Grenzgebiet bekannt ist.
Gegründet hat die Klinik Doktor Cynthia Maung, Angehörige der Karen und selbst ein Flüchtling. Seit 1989 ist sie hier; kurz zuvor hatten die Menschen in Birma für Demokratie und bessere Lebensbedingungen demonstriert. Aber die Junta hatte die Proteste blutig unterdrückt. Daraufhin schlug sich Cynthia Maung bis nach Thailand durch, die Mae Tao Klinik baute sie aus dem Nichts auf. Heute finanziert sich die Einrichtung aus Spenden und behandelt ihre Patienten kostenlos - seien es Flüchtlinge, Migranten oder Dorfbewohner aus Birma, die für kurze Zeit über die Grenze pilgern. Die zunehmende Anzahl der Hilfesuchenden stellt die Klinik vor ernste Probleme:
"Wir beobachten, dass nach und nach die Patienten nicht mehr allein, sondern oft mit der gesamten Familie nach Thailand kommen. Aber der fehlende Zugang zu Dienstleistungen und rechtlichem Beistand macht sie sehr verwundbar. Es geht also nicht allein um medizinische Behandlung, sondern auch um psychosoziale Hilfe und den Wiederaufbau von Gemeinschaften. Dafür brauchen wir aber mehr Netzwerke, die uns unterstützen."
Manche ihrer Schützlinge leben schon seit Jahrzehnten an der Grenze; so wie eine Frau von Ende 30 aus einem der Flüchtlingslager. Sie achtet gerade auf das neugeborene Baby einer Mitpatientin:
"Im Jahr 1988 waren so viele Menschen politisch aktiv, und ich wollte mit dabei sein. Wie viele andere habe auch ich bei den Wahlen von 1990 für Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi gestimmt. Jetzt lebe ich hier und ich bin froh, dass es für die Menschen aus Birma die Mae Tao Klinik gibt."
Die Wunden der Vergangenheit sind noch nicht einmal verheilt, da drohen neue Konflikte in den Grenzregionen. Ob sich die Lage verschärft, hänge ganz von Birmas Machthaber Than Shwe ab, sagt Khuensai Jaiyen von der "Shan Herald Agency for News". Er beobachtet die Entwicklung im Grenzgebiet zwischen Thailand, Birma und China kritisch:
"Selbst die Chinesen haben erklärt, sie gingen davon aus, dass die meisten Generäle einen Krieg für nutzlos halten. Allerdings ist man sich nicht sicher, was Juntachef Than Shwe im Sinn hat. Es hängt davon ab, ob er mit den Vorbereitungen für die Wahlen in diesem Jahr weitermacht oder nicht. Falls ja, wird es ziemlich sinnlos sein, einen Krieg vom Zaun zu brechen. Falls es ihn aber nicht kümmert, ob Wahlen anstehen oder nicht, dann wird möglicherweise gekämpft."
Angesichts der verheerenden Menschenrechtslage appelliert Zipporah Sein, die Generalsekretärin der "Karen National Union", an die Weltgemeinschaft, die ethnischen Volksgruppen nicht zu vergessen. Ohne diese werde eine Demokratisierung in Birma nicht möglich sein:
""Wenn über Demokratie geredet wird, dann redet man vor allem über Aung San Suu Kyi und deren Partei, die "Nationale Liga für Demokratie". Aber über die ethnischen Volksgruppen wird nur wenig gesprochen."
An einem Dialog aber haben die Hardliner unter Birmas Generälen kein Interesse. Die Wahlen planen sie nur deshalb, weil sie dadurch ihren Machtanspruch auch für die Zukunft zementieren wollen.