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Zwischenlager durch Urananreicherung

Kernenergie. - Auch für die Urananreicherung werden große Lager benötigt, in denen der Ausgangsstoff, Uranhexafluorid mit natürlichem Gehalt von 0,7 Prozent an strahlendem Uran-235, gelagert werden muß. In den Ultrazentrifugen der Anreicherungsanlagen wird das Material dann auf fünf Prozent Uran-235-Anteil gebracht. Eine dieser Anreicherungsanlagen steht im westfälischen Gronau.

Von Julia Beißwenger | 28.07.2011
    Ein LKW mit einigen vier Meter langen grauen Zylindern auf der Ladefläche steht in einer kleinen Halle der Urananreicherungsanlage in Gronau. Von einem Brückenkran an der Decke hängen Eisenketten herunter. Die befestigt ein Arbeiter an einem der Behälter. Ein zweiter Mann startet mit einer Fernsteuerung den Kran. 12,5 Tonnen Uranhexafluorid schweben nun in der Luft und setzen langsam auf dem Boden der Halle auf. Ein großer Gabelstapler bringt die Zylinder nach und nach ins wenige Meter entfernte Zwischenlager. Das ist keine Halle, sondern eine Wiese, auf der die Behälter unter freiem Himmel liegen, bis zu 10.000 Tonnen Uranhexafluorid. Ihre Strahlung schirmen die 16 mm dicken Stahlwände weitgehend ab. Rostige Stellen würden sofort bemerkt, sagt der Geschäftsführer der Anlage Joachim Ohnemus.

    "Wir vermeiden überhaupt mal, dass es Leckagen gibt, indem die Behälter regelmäßig inspiziert werden. Wir kontrollieren den Schutzanstrich, auch die Ventile werden kontrolliert. Und die Behälter werden auch, wenn sie transportiert werden, in geringer Höhe transportiert, so dass eben auch beim Herunterfallen nichts passieren kann. Also wir vermeiden so eine Leckage."

    Und das mit gutem Grund, denn Uranhexafluorid ist zwar nur schwach radioaktiv aber chemisch stark toxisch. Mit Wasser oder Wasserdampf reagiert es zu Fluorwasserstoff und Flusssäure, beide sind stark ätzend. In der Lunge führen sie leicht zu tödlichen Verletzungen. Bei einem Transportunfall könnte das Gift die Umgebung verseuchen. Besonders gefährlich ist ein Brand, denn Uranhexafluorid, kurz UF6 genannt, wird dann gasförmig und breitet sich schnell aus, sagt der Umweltberater Wolfgang Neumann von der Universität Magdeburg.

    "Die internationale Atomenergieorganisation hat Empfehlungen herausgegeben, und diese Empfehlungen beinhalten, dass bei einem Brand bei einer Temperatur von 800° Celsius über 30 Minuten sehr wenig aus diesem Behälter austreten darf. Uf6-Behälter, die erfüllen so gerade die Ansprüche und sobald ein Unfall statt findet, bei dem höhere Belastungen auftreten, kann der Behälter schon versagen."

    Mehrere Tausend Tonnen Uranhexafluorid kommen im Jahr nach Gronau, viel reist mit Güterzügen an. Jeder Behälter muss einige Monate auf der Wiese warten, bis er an der Reihe ist und zum Herzstück der Anlage kommt: den Zentrifugen. Ihre Aufgabe ist es, die Moleküle zu sortieren, denn nur Uran-235 ist leicht spaltbar, im Rohstoff hat es einen Anteil von 0,7 Prozent – zu wenig für Kernbrennstoff. In den Zentrifugen wird daher das Uran erhitzt. Das weiße Pulver wird so zu Gas und dann in Rotation versetzt. Dadurch drängen die schweren Moleküle an den Rand, während sich das leichtere Uran-235 nahe der Rotorachse sammelt. Prinzipiell ist es möglich, auf diese Weise so viel spaltbares Material zu horten, dass es sich für Atomwaffen eignet. Die genaue Technik der Anlage ist daher geheim. Selbst das Surren der Drehbewegung darf nicht aufgenommen werden, damit niemand aus dem Geräusch die Drehzahl bestimmen kann, so Joachim Ohnemus. Er erklärt, dass für Atomkraftwerke der angereicherte Teil rund fünf Prozent des spaltbaren Urans enthalten muss. Sind sie erreicht, gelangen die verschiedenen Gasmischungen über Rohrleitungen in ihre Behälter.

    "Das abgereicherte geht in die gleichen Behälter wie das Natururan. Für das angereicherte haben wir kleinere Behälter mit 2,2 Tonnen UF6 Inhalt."

    Wegen der höheren Radioaktivität lagert das angereicherte Uran in einer erdbebensicheren Halle, das abgereicherte kommt wieder in ein Freilager. 38.000 Tonnen haben hier maximal Platz. Sie sind nur sehr schwach radioaktiv, aber chemisch genauso gefährlich. Daher bringen seit kurzem Züge einen Teil nach Frankreich. Dort wird es in das weniger giftige Uranoxid umgewandelt. Das soll zurück nach Gronau, eine Lagerhalle wird voraussichtlich ab 2014 bis zu 60.000 Tonnen aufnehmen. Was mit dem schwach strahlenden Stoff geschehen soll, ist zurzeit noch offen, ebenso die Zukunft des abgereicherten Uranhexafluorid, das auf dem Werksgelände bleibt. Prinzipiell ist es ein Rohstoff, sagt Joachim Ohnemus.

    "Also man kann tatsächlich das abgereicherte noch mal weiter anreichern, denn je nach wirtschaftlichen Randbedingungen, hohe Uranpreise z. B., würden wir dieses Uranhexafluorid auch wieder in die Anlage einspeisen, um eben noch mehr Uran 235 rauszuholen."

    Das angereicherte Uran aus Gronau holen LKWs ab. 97 Prozent gehen zur Weiterverarbeitung ins Ausland.

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