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Zynische Aktion

Sie wollen Feste feiern, wie sie fallen. Das hört sich harmlos an, doch "fallen" bezieht sich auf gefallene Soldaten. Eine Friedensinitiative hat im Internet und auf Flyern dazu aufgerufen, am Ehrenmal in Berlin mit Champagner anzustoßen, wenn das nächste Mal deutsche Soldaten in Afghanistan getötet werden.

Von André Bochow | 06.05.2010
    Die Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen - natürlich mit großem I - ist eine ehrwürdige Organisation. Schon 1892 von Bertha von Suttner und Alfred Hermann Fried gegründet, ist sie heute - nach Eigendarstellung - die größte pazifistische Organisation des Landes mit etwa 4500 Mitgliedern. Und - wie ihr Geschäftsführer Monty Schädel ergänzt - sie sei die einzige Friedensorganisation, die alle Themen der Friedensbewegung abdeckt und die bundesweit organisiert ist. Einig sind sich die Mitglieder, die aus unterschiedlichen, aber in der Regel linken politischen Strömungen kommen, im Ziel:

    "Wir lehnen den Krieg grundsätzlich ab. In unserer Grundsatzerklärung heißt es: Krieg ist ein Verbrechen an der Menschheit. Ich bin daher entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und an der Beseitigung aller Kriegsursachen mitzuwirken."

    Nein, natürlich sind dabei nicht alle Mittel recht. Auch wenn das mancher glauben mag, der den Flyer gesehen hat, auf dem die Aktion Tag Y beworben wurde. Ein als Soldat verkleideter Aktivist - mit einem Schweinekopf versehen - sitzt vor dem Ehrenmal für die Gefallenen der Bundeswehr, eine Gedenkstätte auf dem Gelände des Berliner Bendlerblocks. In der Hand eine Flasche Sekt - darunter die Zeile: Feste feiern, wie sie fallen. Das Foto ist eine Originalaufnahme und keine Montage - versichern die Vertreter von BaMM – gemeint ist das Büro für antimilitaristische Maßnahmen beziehungsweise die Friedensgesellschaft Berlin-Brandenburg. Beide Organisationen arbeiten eng zusammen - im Internet und auch bei der Aktion Tag Y. Eugen Januschke, der an der Aktion nicht beteiligt war (das zu erwähnen, ist ihm wichtig), ist ein Vertreter des erwähnten Landesverbandes der Deutschen Friedensgesellschaft und erklärt den Sinn des auch intern als geschmacklos bezeichneten Aufrufes, beim Soldatentod zu feiern so:

    "Das zentrale Ziel dieser Aktion geht um die Beeinträchtigung des gerade entstehenden Kultes um den toten Soldaten, der ja einen stark kriegslegitimierenden Anstrich hat."

    Auch wenn die Instrumentalisierung des Soldatentodes für die meisten in der Deutschen Friedensgesellschaft ein Fakt zu sein scheint, so ist doch die Aktion Tag Y alles andere als unumstritten.

    "Die einen sagten, es ist menschenverachtend. Die anderen sagten, es wäre völlig angebracht, wenn Menschen andere umbringen, sie dann auch zu begrüßen, wenn sie dann tot wieder zurückkommen."

    So der Politische Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft Monty Schädel. Und auf wessen Seite er sich schlägt, daran lässt er keinerlei Zweifel aufkommen.

    "Meine persönliche Einstellung zu der Aktion ist, dass sie als solches vielleicht nicht ganz gelungen war - in der Ankündigung. Grundsätzlich sage ich: Auch tote Soldaten sind zunächst Soldaten gewesen. Erst recht dann, wenn sie sich in öffentlichen Begräbnissen - aber das haben dann die Familien zu entscheiden - zu Kriegspropaganda mit hergeben. Weswegen ich Soldaten, die in den Krieg ziehen, weiter als Mörder bezeichne und Mörder, die erschossen werden, sind dann eben nur tote Mörder."

    Und würde Monty Schädel das den Angehörigen der ums Leben gekommenen Soldaten auch ins Gesicht sagen? Die Antwort ist ein klares: Ja.

    "So wie ich es meinen Eltern sagte, als sie es verteidigten, dass ihr Sohn, mein Bruder, nach Afghanistan ging, sagte: Ihr habt versagt. Euer Sohn, mein Bruder meint, mit Gewalt Konflikte zu lösen, mit Gewalt Recht zu sprechen, so sage ich es auch anderen Angehörigen."

    Außerhalb der Friedensgesellschaft lösen die Aktion Y und die Argumentation einiger ihrer Funktionäre wütende Reaktionen aus. Auch beim Bundeswehrverband. Und der scheidende Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe, eigentlich ein eher kühler Norddeutscher, hat immer mal wieder durchaus Mühe, die Beherrschung zu wahren.

    "Jeder der verantwortlich ist für derartige perfide Äußerungen, muss auch an die Hinterbliebenen von gefallenen und schwer verwundeten Soldaten denken. An die, die unter posttraumatischen Belastungsstörungen leiden und deshalb gibt es für mich an dieser Stelle null Toleranz. Diese Dinge erfüllen den Tatbestand der Volksverhetzung."

    Um seiner Ansicht Nachdruck zu verleihen, hat Robbe die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Eine Antwort der Behörde steht noch aus.

    "Man prüft noch. Ich kann mir auch vorstellen, dass es um die Abwägung verschiedener Grundrechte geht. Auf der einen Seite das hohe Recht der Meinungsäußerung und auf der anderen Seite, der Anspruch der Soldatinnen und Soldaten, dass Artikel 1 unserer Verfassung, die Wahrung der Würde des Menschen, auch für sie gilt und dass der Staat, wenn es eine entsprechende Verantwortung gibt, auch entsprechend handeln muss."

    Robbe jedenfalls kann im offiziellen Umgang mit gefallenen Bundeswehrangehörigen nirgendwo Heldenverehrung und schon gar keine Heldenverklärung erkennen. Die Aktion Y fand übrigens nicht am Berliner Bendlerblock statt, sondern sie wurde vor das Haus der Deutschen Wirtschaft verlegt. Das Motto: Feiern mit den Kriegsgewinnlern. Einmal – als deutsche Soldaten in Afghanistan um Leben kamen - knallten dort tatsächlich die Sektkorken, dann wurde die Aktion Y für beendet erklärt. Und der umstrittene Flyer ist auf Druck der Staatsanwaltschaft von der Internetseite gelöscht worden. Vorbei aber sind die Aktivitäten der Friedensgesellschaft nicht. Der Kriegsdienstgegner und Philosoph Eugen Januschke ist sich sicher, es wird weitere Aktionen geben.

    "Also wenn man sieht, wie unsicher noch dieser Kult über den toten Soldaten aufgebaut wird, glaube ich, kann man daran erkennen, dass es da noch Interventionsmöglichkeiten gibt, eben gerade wenn man versucht Symbolik unbrauchbar zu machen."

    Die Deutsche Friedensgesellschaft wird auch in Zukunft provozieren. Nicht zuletzt um öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen. Denn: Zwei Drittel der deutschen Bevölkerung sind gegen den Afghanistaneinsatz. Eine deutliche Mehrheit, die aber schweigt.