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200 Jahre Fahrrad
Ein Fahrzeug als Problemlöser

Die Mannheimer können es nicht abwarten – die erste Fahrt des Freiherrn von Drais auf seiner Erfindung, der zweirädrigen Laufmaschine, jährt sich zwar erst im Sommer kommenden Jahres. Aber die große Jubiläumsausstellung "2 Räder - 200 Jahre" eröffnet schon heute. Die Trends im Radverkehr werden inzwischen von anderen Ländern gesetzt.

Von Anke Petermann | 11.11.2016
    Jeder zweite Einwohner Kopenhagens fährt mit dem Fahrrad zur Arbeit, wie hier fotografiert am 6.2.2014 auf dem Sotorvet. Foto: Thomas Uhlemann
    Jeder zweite Einwohner der dänischen Hauptstadt Kopenhagen fährt mit dem Fahrrad zur Arbeit. (picture-alliance / dpa / Thomas Uhlemann)
    Ganz am Ende der Ausstellung über 200 Jahre Fahrrad taucht der Besucher in andere Pedal-Welten ein: Über eine Leinwand flimmern Szenen von Fahrrad-Pendler-Massen, die sich in US-Metropolen auf abgetrennten Spuren bewegen - dort heute schon Realität. Eine, die in den USA an dieser Verkehrswende mitarbeitet, ist in Mannheim Gast beim ADFC-Symposium. Martha Roskowski, Vizepräsidentin von "Bikes for people", einem Zusammenschluss von Radlern mit Vertretern der Fahrradindustrie. Die Organisation berät Städte, die ernst machen wollen mit der Förderung des emissionsfreien, geräuschlosen Verkehrsmittels.
    "New York und andere Städte verteilen Platz um und schaffen auf viel befahrenen Straßen getrennte Räume für Radler. Sodass sie, vom Autoverkehr durch Poller oder Kübelpflanzen abgeschirmt, sicherer und angenehmer radeln können. Das passiert jetzt überall im Land, führend ist New York. Es setzt sich die Erkenntnis durch: Städte, in denen Leute sich zu Fuß und mit dem Rad bewegen können, werden bessere Orte."
    In Deutschland wirbt die Ökopartei der Grünen seit ihrer Gründung vor gut 40 Jahren für die Verkehrswende. "Ohne Auto mobil" verkündet ein Plakat von 1990, zu sehen in der Mannheimer Ausstellung. Heute regiert die Partei das Auto-Land Baden-Württemberg samt dessen Landeshauptstadt, die unter Feinstaub-Höchstwerten ächzt. "Ohne Auto" – davon ist nicht mehr die Rede. Aber mit Blick auf die Ballungsräume sagt der grüne Stuttgarter Verkehrsminister Winfried Hermann.
    Beim Radverkehr wird nur gekleckert
    "Um die Luft sauber, um den Verkehr fließend zu halten, müssen wir den Anteil des individuell genutzten Autos zurückdrängen: weniger Autos, mehr ÖPNV und Radverkehr. Bei uns ist es den in Großstädten so zwischen fünf und zehn Prozent."
    Dass es entschlossener gehen kann, zeigt das dänische Kopenhagen: Die Stadtverwaltung schraubte begleitet von großen Werbekampagnen mit dem Ausbau breiter, abgetrennter Spuren den Rad-Anteil am Verkehr auf 40 Prozent hoch. 25 Prozent peilt Mannheim für 2025 an. Direkt vor dem TECHNOSEUM eine der Radverleihstationen, die sich in deutschen Großstädten ausbreiten. "Die Politik hat das Rad entdeckt", konstatiert Ludger Koopmann, stellvertretender ADFC-Chef. Neben der baden-württembergischen Radverkehrsstrategie lobt er auch die von Bayern und NRW. Aber:
    "Was noch fehlt, ist der politische Wille, tatsächlich auch konkret was umzusetzen. Im Bundesverkehrswegeplan sind jetzt 25 Millionen Euro vorgesehen für Radschnellwege im kommenden Jahr. Gleichzeitig bauen wir in Berlin drei Kilometer Autobahn für 400 Millionen Euro. Das heißt, wir kleckern im Bereich des Radverkehrs rum. Wir müssen die Pariser Verträge erfüllen. Das heißt: 25-prozentige-CO2-Reduzierung auch im Verkehrsbereich. Das wird nur mit dem Fahrrad gehen, und das geht nicht, wenn wir in diesem langsamen Kleckertempo der vergangenen zehn, zwanzig Jahre weitermachen. Das heißt auch, Politik muss sich mit ihrer Lieblingsklientel Autofahrer anlegen."
    Vielfach fehlt der Mut
    Radwege, die vor Ampeln und Pollern abrupt enden, die im Winter als letztes oder gar nicht geräumt werden. Ampelphasen, die Radler an jeder Kreuzung ausbremsen - all das Standard. Sowie: neu angelegte Radstreifen auf Hauptverkehrsstraßen – unter einem Meter breit und damit bedrohlich nah am tosenden Autoverkehr.
    "Es fehlt ein Gesamtkonzept in vielen Städten und der Mut, es da umzusetzen, wo der Autoverkehr mal was abgeben muss."
    Platz für die sogenannte "protected lane" nämlich, die abgetrennte, Poller- oder pflanzengeschütze Radspur, die seit fünf Jahren den Verkehr in Portland, Chicago, Memphis und New York revolutioniert. Die USA führt jetzt der Mann, der den Klimawandel mal als "Schwindel" bezeichnete. Zurückgekehrt nach New York, will sich Martha Roskowski von "People for Bikes" weiter für die Verkehrswende einsetzen. Welchen klimapolitischen Rahmen Trump dafür stecken wird?
    "Ich stehe noch unter Schock. Und ich glaube, die meisten wissen nicht, was er plant. Denn er hat sich zu keinem Thema logisch zusammenhängend geäußert. Also, offen gesagt: Ich weiß es nicht."