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5. Crossmedia-Tag
Dem Terror keine Bühne

Auch Terroristen und Extremisten versuchen über das Internet ihre Botschaften zu verbreiten und auf die Gesellschaft Einfluss zu nehmen. Wie Journalisten über Terrorismus berichten sollten und wie sie die entsprechende Propaganda im Netz aufdecken können, darüber sprachen Experten auf dem 5. Crossmedia-Tag in Bonn.

Von Benjamin Bathke | 18.02.2017
    Ein Mann blickt auf einen Computerbildschirm mit der Flagge des sogenannten Islamischen Staates und einem Bild mit Kämpfern, die die Flagge des Islamischen Staates tragen.
    "Deutsche Medien sollten eng mit Experten zusammenarbeiten. So können sie schneller herausfinden, ob von Terroristen verbreitete Bilder oder Nachrichten gefälscht sind”, sagt Michael Barak vom Internationalen Institut für Terrorbekämpfung in Israel (imago/Reporters)
    Dass Medien eine entscheidende Rolle in der und für die Demokratie spielen, haben auch Terroristen und Extremisten erkannt. Längst sind sie dazu übergegangen, die journalistische Agenda in ihrem Sinne zu beeinflussen. Über das Internet versuchen sie, ihre Botschaften zu verbreiten und auf die Meinungsbildung Einfluss zu nehmen.
    Dieser Entwicklung den Stempel "Fake News" aufzudrücken, wird ihr nicht gerecht. Es geht um Cyber-Terrorismus und Propaganda – beides Spezialgebiete von Michael Barak, Forscher am Internationalen Institut für Terrorbekämpfung in Israel. Beim 5. Crossmedia-Tag am vergangenen Freitag bei der Deutschen Welle in Bonn gab Barak Empfehlungen, wie Medien über Terrorismus berichten sollten:
    "Deutsche Medien sollten eng mit Experten zusammenarbeiten. So können sie schneller herausfinden, ob von Terroristen verbreitete Bilder oder Nachrichten gefälscht sind.”
    Kooperationen zwischen Medien und Wissenschaftlern zum Thema "Terror"
    Die Stuttgarter Nachrichten beherzigen diese Empfehlung seit mindestens sechs Jahren. Franz Feyder, Leiter der Recherche-Einheit der Stuttgarter Nachrichten, nennt die Kooperation mit Wissenschaftlern zum Themenfeld Terrorismus "existenziell”. Die Stuttgarter greifen nicht nur auf Experten wie Barak zurück, um Ereignisse zu bewerten und zu erklären, es gebe auch Verständnisinterviews, in denen Wissenschaftler ihr Spezialgebiet näher erläutern:
    "Die Tatsache, dass wir zum Teil ja gar nicht bei der Vielzahl von dschihadistischen Widerstandsgruppen in Syrien, wie stehen die eigentlich, auch theologisch, ideologisch, und da in der Lage sind, uns mit denen auszutauschen und Informationen, die wir dann haben, zu verifizieren.”
    Einer der größten Fehler der Medien, so Barak, ist ein Propagandainstrument von Terroristen zu werden. So geschehen 2013, als der britische Soldat Lee Rigby in London von zwei zum Islam konvertierten britischen Staatsbürgern mit Verbindungen nach Nigeria auf offener Straße ermordet wurde. Die Veröffentlichung und Verbreitung eines Videos vom Täter, aufgenommen von einer Passantin am Tatort, wurde international kontrovers diskutiert.
    "Man sollte Terroristen kein Mikrofon geben, um ihre Motive zu erklären und ihre Taten zu rechtfertigen. Das könnte nämlich eine Inspiration für diejenigen sein, die sowohl im ideologischen als auch im religiösen Sinne für solche Nachrichten empfänglich sind.”
    Medien dürfen Terroristen keine Bühne geben
    Sowohl Journalist Feyder als auch Wissenschaftler Barak sind der Meinung, dass solch eine Bühne es den Terroristen leichter mache, ihre psychologische Kriegsführung zu betreiben.
    Franz Feyder: "Dass man in Artikeln beispielsweise auf einschlägige Dschihad-Magazine verweist, die nichts anderes sind als Anleitungen zum Bombenbau, das ist natürlich eine dramatische Geschichte und aus meiner Sicht mit Journalismus unvereinbar.”
    Als Beispiel gibt Barak "Inspire" an, ein englischsprachiges Online-Magazin, publiziert vom Terrornetzwerk Al-Qaida. Dem Magazin wird nachgesagt, zahlreiche heimische und internationale Extremisten mit seiner radikalen Interpretation des Islams beeinflusst zu haben.
    "Das Magazin gibt unter anderem Anleitungen für Selbstmordattentate in westlichen Ländern, gedacht für sogenannte 'Einsame Wölfe'. Muslime im Westen sind sehr interessiert an Magazinen wie 'Inspire'. Da manche westliche Zeitungen die Inhalte thematisieren, können Muslime leicht mehr über das Thema herausfinden. Genau das ist bei den Anschlägen auf den Bostoner Marathon 2013 passiert. Damals haben die Täter sogar auf Twitter gesagt, das 'Inspire Magazin' hätte sie zu den Anschlägen inspiriert.”
    Auch gemäßigte muslimische Geistliche zu Wort kommen lassen
    Wichtig ist laut Barak außerdem, öfter gemäßigte muslimische Gelehrte und Geistliche zu Wort kommen zu lassen. Das findet auch TV-Journalistin Fanny Facsar wichtig. Die in Budapest geborene Nachrichtenkorrespondentin der Deutschen Welle sagt, bei Terroranschlägen mit islamistischen Hintergrund müsse man öfter darüber berichten, wie vor Ort lebende Deutsche und Muslime die Ereignisse empfinden - auch wenn diese nicht direkt betroffen sind:
    "Es ist sehr wichtig, dass wir diese Töne bekommen von Menschen, die eben zu anderen Gesellschaftsgruppen gehören, eben damit nicht der Eindruck entsteht, ein Terroranschlag passiert und wir sprechen nur mit Deutsch-Deutschen Menschen und Weißen jetzt überspitzt ausgedrückt, sondern all den Menschen, die die Vielfalt dieses Landes ausdrücken, weil darum geht es ja. Wir sind ein Land mit verschiedenen unterschiedlichen Gruppen, und das, was passiert, betrifft ja alle.”