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Ablasshandel oder ambitionierter Klimaschutz

Das Bedürfnis, etwas gegen den Klimawandel im Privaten zu tun, ist enorm gestiegen. Auch Unternehmen stellen sich zunehmend auf das neue Umweltbewusstsein der Verbraucher ein. Mit klimaneutralen Flugreisen fing es an, aber auch Lebensmittel werden heutzutage bereits klimaneutral angeboten. Doch wie funktioniert das Prinzip der Klimaneutralität und wer profitiert eigentlich davon?

Von Jens Tönnesmann | 31.05.2007
    "In der Anfangszeit sind wir eigentlich nicht ernst genommen worden, belächelt worden und jeder hat gedacht: Lass die mal machen. Mittlerweile hat sich das geändert."

    Der Mann, der das sagt, ist der Kölner Blumenhändler Rudolf Rosinski. Vor einem Jahr kam er auf eine einzigartige Idee: Er neutralisierte die klimaschädlichen Emissionen, die bei der Zucht und dem Transport von Tulpen, Ranunkeln und Co. entstehen. Denn die meisten Blumen werden mit viel Energie in Gewächshäusern gezüchtet oder werden aus allen Teilen der Welt nach Köln geflogen. Unter dem Strich verursachen Rosinskis Pflanzen auf diese Weise nach Berechnungen der Firma "myclimate" jedes Jahr rund 260 Tonnen CO2, das in die Atmosphäre aufsteigt und zur Erderwärmung beiträgt. Die gleicht Rosinski aus, in dem er seine Pflanzen "klimaneutral" macht.

    "Klimaneutral heißt für unsere Blumen, dass wir den CO2-Wert, der bei der Entstehung der Blumen entsteht, kompensieren in einem Projekt in Indien, wo Treibhäuser mit Solaranlagen betrieben werden. Das heißt: Alle Emissionen, die unsere Blumen verursachen, werden dort kompensiert. Das ist es, was wir mit klimaneutral meinen."

    Jede von Rosinskis Pflanzen ist dadurch ein paar Cent teurer geworden. Eine Tonne Co2 zu neutralisieren, kostet ihn gegenwärtig um die 16 Euro. Trotzdem kommt die Idee bei seinen Kunden an, denn mit seinen Klima schonenden Blumen liegt Rosinski jetzt voll im Trend. Inzwischen gibt es klimaneutrale Notebooks, DVDs, Fruchtsäfte, Reisen und sogar Terrassenplatten. Bei der Deutschen Post kann man klimaneutrale Päckchen verschicken und die Telekom will bald klimaneutrale Telefone verkaufen. Firmen wie "Myclimate" oder die "Carbon Credit Company 3C" helfen dabei, den Co2-Ausstoß zu ermitteln und zu neutralisieren. Für Unternehmen sind klimaneutrale Produkte aus verschiedenen Gründen interessant, meint Sascha Lafeld, Geschäftsführer von 3C:

    "Der erste ist sicherlich, zu zeigen: Wir haben den Klimawandel auf dem Schirm. Der zweite Grund ist ein monetäres Interesse. Aber das ist auch richtig und wichtig so: Würden Unternehmen keinen Eigennutz darin sehen, Klimaschutz zu betreiben, würde Klimaschutz nicht in ausreichendem Maße betrieben werden."

    Wie der Blumenhändler Rosinski kaufen die Firmen Zertifikate für die Emissionen, die in ihrem Unternehmen bei Produktion und Transport und durch den Einsatz von Energie entstehen. Diese Zertifikate stammen aus Klimaschutzprojekten, die irgendwo anders auf der Welt die gleiche Menge an Emissionen wieder einsparen - etwa durch die Verwendung von Solarenergie oder Wasserkraft.
    Kritiker bezeichnen diesen Emissionshandel als eine Art "Ablasshandel". Volker Ermert, Meteorologe und Klimaexperte an der Uni Köln, sieht das anders. Er glaubt, dass das Klima auf diese Weise tatsächlich geschont werden kann.

    "Wenn man Güter transportiert, wenn man Güter produziert, dann wird Enegie verbraucht. Energieverbrauch bedeutet immer, dass man CO2 in die Atmosphäre entlässt. Klimaneutrale Produkte können natürlich dazu beitragen, die CO2-Konzentration in der Atmosphäre global zu verringern. Das heißt: Auch wenn man in Europa viel CO2 emittiert, können Einsparungen in Indien dazu führen, dass die CO2-Gehalte in der Atmosphäre - global gemittelt - herab gesenkt werden."

    Als Verbraucher sollte man allerdings genau hinschauen. Denn nicht alle Produkte, auf denen klimafreundlich steht, sind tatsächlich klimafreundlich. Bis ein einheitliches Label gefunden ist, sollte man darauf achten, dass die Projekte zur Emissionsreduktion, in die ein Teil des Preises fließt, nach den Richtlinien des "Clean Development Mechanism", kurz CGM, der Vereinten Nationen zertifiziert sind oder sich zumindest daran orientieren.
    So wie das Wasserkraft-Projekt in Ladakh, in das der Blumenhändler Rosinski investiert, um die Emissionen seiner Blumen zu kompensieren. Inzwischen belächelt ihn deswegen zwar niemand mehr. Trotzdem ist Rosinski noch nicht ganz zufrieden.

    "Jeder kann alles - seinen ganzen Haushalt, sein Auto - klimaneutral machen. Das wäre eigentlich eine Supersache."