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Abschlussarbeiten bei Unternehmen
Mittelständler in den Fokus rücken

Viele Studenten wollen ihre Master- oder Bachelorarbeit bei einem Unternehmen schreiben und wenden sich häufig an die großen Konzerne, die ihnen bekannt sind. Dabei bieten auch Mittelständler die Möglichkeit einer Zusammenarbeit. Eine neue Internetplattform soll nun helfen, sie mit Studenten zusammenzubringen.

Steffen Bünau im Gespräch mit Sandra Pfister | 30.07.2015
    Sandra Pfister: Es gibt grob gesagt drei Wege, ein Thema für die Abschlussarbeit am Ende des Studiums zu finden: Erstens, man brennt für ein Thema, mit dem man sich schon immer beschäftigen wollte, zweitens, der Prof drückt einem ein Thema rein, das ihn selbst gerade interessiert, oder drittens - und das ist die Variante für besonders pragmatische Studierende -, sie docken sich an ein Unternehmen an, in dem sie gern arbeiten würden, und schreiben dort eine Abschlussarbeit. Das Handicap für kleinere und mittlere Unternehmen ist, die Studierenden laufen meistens nur zu den Großkonzernen - weil sie die spannender finden, aber auch weil sie denken, Forschungsarbeit, also was Größeres mit wissenschaftlichem Anspruch, kann ich doch wohl kaum bei einem 20-Mann-Betrieb in Pusemuckel schreiben. Das will jetzt eine Potsdamer Plattform ändern, die Studierenden einen guten Überblick über die Masterarbeiten liefern will. Wir reden jetzt mit einem der Gründer von www.die-masterarbeit.de, mit Steffen Bünau. Herr Bünau, wie viel Forschungsarbeiten haben Sie denn jetzt da schon so in Ihrem Angebot?
    Steffen Bünau: Aktuell haben wir gut so 1.400 Fragestellungen von Unternehmen bei uns auf der Plattform in allen vier Fachbereichen.
    Pfister: Nennen Sie uns doch mal so ein Beispiel, dass wir uns irgendwie was vorstellen können, was da ein Klein- oder Mittelständler zum Beispiel erforschen lassen will.
    Bünau: Ein Beispiel wäre das jetzt aus dem Bereich Ingenieurwissenschaften, die Untersuchung der Einsatzfähigkeit moderner, infrarotbasierter Kommunikationstechniken im industriellen Umfeld.
    Pfister: Und bei welchem Konzern wäre das dann?
    Bünau: Das wäre bei Leuze Electronic GmbH in Baden-Württemberg. Es ist dadurch natürlich ein Mittelstand, dass es mir, bevor ich diese Fragestellung gesehen habe, nicht bekannt war, und damit deckt das genau die Gruppe von Unternehmen ab, die für uns spannend sind, das heißt, die spannende Themen anbieten, aber vielleicht noch nicht die großen Namen haben.
    Pfister: Jetzt wissen viele von diesen Unternehmen, die vielleicht keinen großen Namen haben, ja gar nicht unbedingt, dass es Ihre Datenbank gibt, und sie wissen nicht, wie sie da an Absolventen rankommen können. Sind denn da jetzt wirklich viele Klein- und Mittelständler aus den Regionen dabei, oder sind es am Ende doch wieder tendenziell die größeren Konzerne, die auf Sie aufmerksam werden?
    Bünau: Nein, die absolute Mehrheit sind klein- und mittelständische Unternehmen.
    Auch Angebote für Geisteswissenschaftler
    Pfister: Und regional, wie ist das verteilt?
    Bünau: Der Großteil der Arbeiten ist aktuell noch in Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen, aber wir haben aus allen Bundesländern Themen und sind natürlich offen für Vorschläge aus allen Bundesländern.
    Pfister: Wenn ich von der anderen Seite gucke, wenn ich jetzt Student bin oder Studentin, wie kann ich auf Ihrer Homepage ein Thema suchen oder eine Firma, die zu mir passen?
    Bünau: Bei uns läuft die Suche immer über ein Thema ab, das heißt, wie Sie gesagt haben, fokussieren wir uns darauf, spannende Themenstellungen in den Vordergrund zu stellen. Das heißt, wenn Sie ein Student sind, ein Thema suchen in einem Fachbereich, gehen Sie auf unsere Internetseite und wählen wahrscheinlich zunächst einen Filter aus, der zu Ihnen passt. Das sind erst mal die groben Überkategorien - da haben sie Ingenieurwissenschaften, Informatik, Naturwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften und weitere Fächer. Innerhalb dieser großen Kategorien finden Sie dann viele kleinere Detailfilter, sodass Sie schnell die Anzahl der Fragen, die wir haben, auf das runterbrechen können, was für Sie relevant ist.
    Pfister: Sie erwähnten gerade ein Beispiel aus den Ingenieurwissenschaften, ist auch was für andere Naturwissenschaftler mit dabei oder für Geisteswissenschaftler, oder richtet sich das meiste dann doch an BWLer?
    Bünau: Die Mehrheit der Fragen ist noch im Bereich Ingenieurwissenschaften, wir haben aber auch Fragestellungen im geisteswissenschaftlichen Bereich. Da geht es beispielsweise um die Akzeptanz von autonomen Verkehrsmitteln, aber auch ganz andere Fragestellungen, wie zum Beispiel das Design in einer Parkanlage, um ein Stiftungsgebäude in Brandenburg.
    Pfister: Funktioniert auch andersherum, dass ein Studierender sagt, worüber er gerne schreiben würde, und ein Unternehmen kann dann ihn suchen?
    Bünau: Das ist eine sehr spannende Funktion, die wir langfristig oder mittelfristig auf jeden Fall aufnehmen wollen. Aktuell ist das noch nicht möglich, aktuell finden Sie über die Fragestellungen Kontakt zu spannenden Unternehmen und können dann in Kontakt mit den Unternehmen treten. Wenn natürlich Ihre Frage in einem Bereich liegt, in dem Sie bereits Fragestellungen finden, können Sie dann im Anschluss eben im direkten Kontakt mit dem Unternehmen auch versuchen, Ihre Fragestellung dort zu schreiben.
    Selektion bei der Aufnahme von Fragestellungen
    Pfister: So rum funktioniert es auch, genau. Jetzt ist so eine Bachelor- oder Masterarbeit ja auch eine akademische Leistung, und ein Prof muss ja auch nicht alles akzeptieren, was ein Unternehmen vorschlägt, und man muss ja auch aufpassen, dass es nicht so eine Schmalspurauftragsforschung wird. Können Sie das irgendwie verhindern?
    Bünau: Klar, das ist ganz wichtig. Eine Masterarbeit und auch eine Bachelorarbeit ist am Ende des Tages eine akademische Prüfungsleistung. Wir empfehlen Studierenden, möglichst früh, im Prinzip direkt nach dem Kontakt mit einem Unternehmen, was einen Themenvorschlag hat, sich zusammen mit dem Professor und dem Unternehmensvertreter zusammenzusetzen und gemeinsam eine Fragestellung zu überlegen, die sowohl den akademischen Anforderungen gerecht wird als auch in die Richtung geht, die sich das Unternehmen vorgestellt hat.
    Pfister: Aber da grätschen Sie vorher nicht inhaltlich rein, sondern die Unternehmen können erst mal alles reinstellen, was ihnen passt, und erst nachher kommt das Finetuning in Zusammenarbeit zwischen Prof und Studierenden und Unternehmen?
    Bünau: Doch, wir sind schon vorher selektiv bei der Aufnahme der Fragestellungen. Das heißt, wir versuchen das abzubilden, nehmen jetzt keine Fragestellungen auf, die ganz einfache Problemlösungen sind, sondern achten schon darauf, dass wir Fragestellungen finden, die sich in Zusammenarbeit mit der Hochschule so ausbauen lassen, dass es tatsächlich die akademischen Anforderungen auch trifft.
    Pfister: Das war Steffen Bünau, mit dem wir gesprochen haben. Das ist einer der Gründer von www.die-bachelorarbeit.de und www.die-masterarbeit.de, einer Plattform aus Potsdam, die Studierenden helfen will, die perfekte Masterarbeit in einem Unternehmen anzudocken, und die Plattform will gleichzeitig Unternehmen helfen, die nicht so im Fokus der Absolventen sind, damit sie Nachwuchs rekrutieren können. Ich danke Ihnen, Herr Bünau!
    Bünau: Vielen Dank, Frau Pfister!