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Achenbach-Prozess
Albrecht-Witwe sagt vor Gericht aus

Die Witwe Babette Albrecht hat im Prozess gegen Helge Achenbach am Landgericht Essen ausgesagt. Dem Kunsthändler Achenbach wird vorgeworfen, dass er dem verstorbenen Aldi-Gründer Berthold Albrecht Kunst zu überhöhten Preisen verkauft habe. Es sollen Absprachen nicht eingehalten worden sein.

Stefan Koldehoff im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich | 19.01.2015
    Babette Albrecht, Witwe von Berthold Albrecht, im Landgericht in Essen
    Babette Albrecht, Witwe von Berthold Albrecht, im Landgericht in Essen (picture alliance / dpa - Rolf Vennenbernd)
    Burkhard Müller-Ullrich: Und jetzt gilt's ausnahmsweise mal nicht der Kunst, sondern der Society hier in "Kultur heute", obwohl von Kunst wird auch die Rede sein, ein bisschen wenigstens am Rande, Stefan Koldehoff. Denn immerhin steht in Essen ein ganz bedeutender Kunsthändler vor Gericht: Helge Achenbach. Heute war der achte Prozesstag und zugleich der erste, an dem die Frau auftrat, die den ganzen Prozess ins Rollen brachte.
    Stefan Koldehoff: Babette Albrecht heißt die Frau, und Albrecht, das ist der Name, den man kennt als den Namen einer der reichsten Familien in Deutschland.
    Keine schriftlichen Verträge vorhanden
    Müller-Ullrich: Wenn man ihn kennt. Sie sind ja so zurückhaltend.
    Koldehoff: Und vor allen Dingen weiß, wer dahinter steckt, jene Familie Albrecht nämlich, der Aldi gehört, der Discounter-Konzern. Und Frau Albrecht hatte einen Ehemann, der inzwischen verstorben ist, der wiederum mit Helge Achenbach, dem Kunsthändler, befreundet war, und da sind - so jedenfalls jetzt der Vorwurf gegen Helge Achenbach in diesem Verfahren, das Sie angesprochen haben - offenbar Abreden nicht eingehalten worden, nämlich Abreden, die lauteten, Achenbach kauft Kunst für Herrn Albrecht, und zwar, damit Herr Albrecht nicht selbst in Erscheinung treten würde, denn das treibt naturgemäß die Preise nach oben, wenn man weiß, da ist jemand mit sehr, sehr viel Geld unterwegs und möchte kaufen. Diese Bilder, die Herr Achenbach kaufte, die sollte er eins zu eins mit dem Preis, dem bestmöglichen, niedrigstmöglichen Preis, den er erzielt, weiterreichen an Berthold Albrecht und dafür dann fünf Prozent Provision kassieren.
    Nun stellte sich aber, als dann Herr Albrecht 2012 starb, heraus, als man für die Versicherung und später auch für die Erbschaftssteuer Gutachten anfertigen lassen musste, dass zum einen die Preise wohl gar nicht so stimmten, wie sie den aktuellen Marktpreisen entsprachen. Sprich: Die Bilder sind ihm ohnehin wohl in einigen Fällen - so die Vorwürfe; Achenbach stellt das natürlich anders dar - zu überhöhten Preisen verkauft worden. Und es sind zum Teil - auch das hat Frau Albrecht heute noch mal vor Gericht in einer über fünfstündigen Vernehmung bestätigt - Aufschläge draufgeschlagen worden. Da wurden dann mal eben aus Dollar-Preisen Euro-Preise und umgekehrt gemacht, um Rechnungen teurer weiterleiten zu können.
    Und das Faszinierende an der Sache, Herr Müller-Ullrich: Man geht ja eigentlich davon aus, dass sich solche Leute absichern. Frau Albrecht wurde vorhin vom sehr, sehr gut diese Verhandlung leitenden Richter gefragt, ja gab es denn irgendwann mal einen Vertrag, hat man das mit den fünf Prozent - das nämlich bestreitet Achenbach, dass das in allen Fällen so abgesprochen gewesen sei, dass er nur diese fünf Prozent Provision berechnen dürfe -, ist das denn vertraglich irgendwann mal festgelegt worden. Und da kam dann als Antwort von dieser Milliardärsgattin, nein, man hat sich ja vertraut.
    Müller-Ullrich: Na ja. Ein Vertrag ist schon zustande gekommen, er wurde nur nicht schriftlich festgehalten.
    Koldehoff: Das ist der Punkt.
    Müller-Ullrich: Ich trete hier auch per Handschlag auf.
    Koldehoff: Gut! Sie haben ja bisher Ihr Honorar vom Deutschlandfunk immer noch bekommen, weil wir uns gut verstehen und weil wir das auf Vertrauensbasis machen. Aber da steht nun Aussage gegen Aussage, wie denn diese Vertrauensabmachung nun tatsächlich gelautet hat.
    Aktuelle Marktpreise
    Müller-Ullrich: Jetzt gibt es da die eine hässliche, kriminelle, wie man so sagt, Seite, dass einer, der eigentlich fünf Prozent Aufschlag verdienen durfte, da einfach fand, Mensch, das sind so reiche Kunden, ein bisschen mehr wird keiner merken. Und auf der anderen Seite haben Sie gerade gesagt, aktuelle Marktpreise. Aber die gibt es doch nicht bei Kunst. Wie kann man von aktuellen Marktpreisen reden, wenn doch jedes Einzelstück sowieso sozusagen erst im Augenblick des Verkaufs seinen Wert bekommt?
    Koldehoff: Achenbach argumentiert ein bisschen anders. Er argumentiert natürlich nicht, er gibt zum Teil zu, dass er Rechnungen manipuliert hat oder collagiert, wie er das formuliert im Kunsthändler-Jargon, sondern er sagt, ich bin einfach mit diesen fünf Prozent nicht ausgekommen. Und außerdem hatte ich eine Rückgabegarantie vereinbart. Wenn die Bilder irgendwie nicht mehr gefielen, oder zu hoch bezahlt schienen, dann hätte ich die Bilder zurückgegeben. Auch da, sagte allerdings heute Frau Albrecht, weiß ich nichts von. Nein, es gibt schon Gutachter, die sich hinstellen und vergleichen, was denn in den letzten Monaten so an Preisen erzielt worden ist. Da spielt dann natürlich bei einem Ernst Ludwig Kirchner das Entstehungsjahr eine Rolle, da spielt das Format eine Rolle, ob es ein Ölbild oder ein Aquarell oder nur eine Zeichnung ist, und dann kann man schon anhand von Datenbanken so einigermaßen schauen, was denn der aktuelle Preis wäre.
    Müller-Ullrich: Wenn Sie Richter wären - da zählt auch der persönliche Eindruck -, welchen hatten Sie von den beiden, Achenbach und Albrecht?
    Koldehoff: Frau Albrecht musste an vielen Stellen, als es um die Preisgestaltung ging, heute sagen, ich war nicht dabei, ich weiß es nicht, ich kenne es nur vom Hörensagen, es soll so gewesen sein. Das reicht nicht unbedingt in allen Fällen für eine Verurteilung aus. Und dann ist es natürlich schon auch ein Schwachpunkt, dass es nichts Schriftliches gibt. Da steht Aussage gegen Aussage. Aber Achenbach hat zum Teil schon gestanden. Ganz ohne wird er aus der Sache nicht rauskommen.
    Müller-Ullrich: Vielen Dank, Stefan Koldehoff.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.