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Ärger über Islamkonferenz "auch irgendwie verständlich"

Wenn bei der Islamkonferenz nur über Sicherheitsaspekte bei Muslimen diskutiert werde, könne es natürlich dazu führen, dass diese pikiert seien, sagt die baden-württembergische Integrationsministerin Bilkay Öney. Die Kommunikation im Vorfeld sei zudem unglücklich verlaufen.

Bilkay Öney im Gespräch mit Christiane Kaess | 07.05.2013
    Christiane Kaess: Zum letzten Mal in dieser Legislaturperiode kommt die Deutsche Islamkonferenz heute in Berlin zusammen. Laut Bundesinnenministerium geht es dieses Mal vor allem um die Frage, wie dem Extremismus bei Jugendlichen vorgebeugt werden kann. Neben Islamismus geht es auch um Antisemitismus bei jungen Muslimen, aber auch umgekehrt, über Muslimfeindlichkeit soll gesprochen werden. Die Themen passen vielen muslimischen Verbänden nicht, sie kritisieren die Fokussierung auf den Bereich Sicherheit und Extremismus. Mehrere große muslimische Verbände haben sich kurz vor dem Treffen heute von der Islamkonferenz distanziert. Teilnehmen will man zwar noch, aber große Erwartungen gibt es keine mehr.

    Am Telefon ist jetzt Bilkay Öney von der SPD, sie ist Ministerin für Integration in Baden-Württemberg. Guten Morgen!

    Bilkay Öney: Guten Morgen!

    Kaess: Können Sie die Kritik der muslimischen Verbände nachvollziehen?

    Öney: Ich kann es nachvollziehen, weil in der Tat der Fokus zu sehr auf innere Sicherheit und auf Sicherheitsaspekte gerichtet war und weniger auf das Zusammenleben mit den Muslimen und auch auf die Probleme der Muslime, die sie hier in diesem Land auch haben.

    Kaess: Aber auf der anderen Seite geht es auch um das Thema Muslimenfeindlichkeit. Ist die Kritik also doch etwas unsachlich?

    Öney: Ich weiß jetzt nicht, wie die Kritik im Einzelnen von den Verbänden formuliert wurde, aber vor dem Hintergrund, dass gerade letzte Woche der Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung vorgestellt wurde, und dass eben auch bekannt wurde, dass 51 Prozent der Deutschen Angst vor dem Islam haben, wäre natürlich auch eine ausgewogene Betrachtung und eine Betrachtung des Phänomens Islamophobie sinnvoll gewesen. Möglicherweise wird das auch zum Thema gemacht, dass die Muslime sich jetzt ärgern, weil natürlich auch über radikale Muslime gesprochen werden soll, ist aber auch irgendwie verständlich.

    Kaess: Das Bundesinnenministerium verteidigt sich auch mit dem Argument, Sicherheit und Terrorismus habe die Deutsche Islamkonferenz in den vergangenen drei Jahren eben nicht dominiert, sondern es wurde auch über mögliche Kooperation von Staat und Muslimen und über Geschlechtergerechtigkeit diskutiert. Ist das eine berechtigte Verteidigung seitens des Bundesinnenministeriums?

    Öney: Ich denke schon, wobei die Kommunikation leider sehr unglücklich verlaufen ist, weil wir in der Regel immer über Probleme im Vorfeld der Islamkonferenz gesprochen haben, auch über Kritik an der Islamkonferenz. Möglicherweise hätte man einige Dinge vermeiden und auch Kritik vermeiden können, wenn man das im Vorfeld besser vorbereitet hätte und die Muslime auch in die Vorbereitungen eingebunden hätte. Ich weiß jetzt leider nicht, wie diese Konferenz vorbereitet wurde, dazu kann ich nichts sagen.

    Kaess: Können Sie ein Beispiel für die Vergangenheit geben, was man hätte anders machen sollen?

    Öney: Oft wurde von den Muslimen kritisiert, dass zum Beispiel sogenannte Islamkritiker oder auch Islamkritikerinnen eingeladen wurden. Und diese Kritik ist völlig berechtigt vor dem Hintergrund, dass – nehmen Sie mal an, Sie haben einen katholischen Kirchentag und laden zu diesem katholischen Kirchentag neben der katholischen Kirche auch viele ein, die zum Beispiel die katholische Kirche massiv kritisieren. Dann ist und bleibt die Frage, was will man mit diesem Gremium erreichen. Insofern ist die Kritik der Muslime an dieser Stelle berechtigt.

    Kaess: Ist sie nicht auch gleichzeitig ein bisschen überempfindlich, denn es ist ja nichts schlecht daran, kontrovers zu diskutieren.

    Öney: Absolut nicht, aber dann muss man das eben auch deutlich machen und den Muslimen klarmachen, dass es nicht nur um Sicherheitsfragen geht, sondern auch um die Aspekte Gleichberechtigung oder auch Rolle der Frau. Das machen wir übrigens beim Runden Tisch Islam auch - in Baden-Württemberg – ich habe dieses Gremium im Herbst 2011 ins Leben gerufen, und wir diskutieren da auch ganz konkrete Problemstellungen und auch ganz kritische Problemstellungen, allerdings nicht so aufgeregt und auch nicht so emotional, wie es offenbar bei der Islamkonferenz der Fall ist.

    Kaess: Zu dem Runden Tisch Islam können wir gleich noch ein bisschen ausführlicher kommen. Ich möchte noch mal eine Kritik aufgreifen, die jetzt im Raum steht: Muss es denn nicht stark auch um Sicherheitsaspekte gehen, wenn Sicherheitsbehörden in islamistischen Kreisen Bedrohungen sehen?

    Öney: Natürlich muss es auch um Sicherheitsaspekte gehen, die Frage ist: Ist die Islamkonferenz der geeignete Rahmen, um das zu machen? Beim Runden Tisch Islam sprechen wir über Probleme, die das Zusammenleben zwischen Christen und Muslimen und anderen Gruppen betreffen, oder auch Probleme von Muslimen selbst, und wir versuchen, Lösungen zu präsentieren, damit das Zusammenleben verbessert wird. Wenn jetzt bei der Islamkonferenz nur die Muslime herausgepickt werden und dann nur über Sicherheitsaspekte bei Muslimen diskutiert wird, kann es natürlich dazu führen, dass die Muslime pikiert darüber sind, deswegen hätte man das vielleicht auf eine andere Art und Weise regeln können, oder auch meinetwegen von Anfang an sagen können, dass es um Sicherheitsaspekte geht. Dann währen die Muslime wahrscheinlich nicht so brüskiert wie jetzt.

    Kaess: Die Kritik der Verbände ist ja auch, das Ministerium gebe die Tagesordnung vor, aber ist das nicht normal, wenn der Bundesinnenminister Friedrich die Islamkonferenz auch leitet?

    Öney: Das ist sehr normal, das machen wir auch – beim Runden Tisch Islam gebe ich auch die Tagesordnung vor. Wir versuchen auch im Vorfeld schon Statements einzuholen, damit wir auch eben ungefähr wissen, in welche Richtung diskutiert werden soll, oder auch versuchen auch schon ein Zwischenergebnis zu präsentieren nach der Islamkonferenz beziehungsweise nach dem Runden Tisch Islam, und versuchen auch immer die Muslime oder auch die Teilnehmer miteinzubeziehen in die Pressekonferenz. Das kommt sehr gut an und wird auch gut angenommen.

    Kaess: Und der Runde Tisch Islam, um das an dieser Stelle noch mal hinzuzufügen, das ist ein Arbeitsgremium aus Muslimen und Vertretern verschiedener Ministerien in Baden-Württemberg, und das klingt schon ein bisschen so an, Sie machen dort ähnlich schwierige Erfahrungen auch – es kommt zu Konflikten.

    Öney: Nein, diesen Runden Tisch leite ich, ich habe den ins Leben gerufen und habe aber von Anfang an versucht, die Fehler zu vermeiden, die ich gesehen habe bei der Deutschen Islamkonferenz. Wir tagen zum Beispiel nicht öffentlich, sondern wir tagen in einem geschlossenen Raum, da kann man auch viel offener diskutieren und muss sich dann nicht vor den Medien darstellen.

    Kaess: Aber die Öffentlichkeit erfährt nichts darüber – das ist ja auch ein Nachteil.

    Öney: Nein, die Öffentlichkeit erfährt hinterher bei der Pressekonferenz über die Punkte, aber auch über strittige Punkte, darüber reden wir ganz offen.

    Kaess: Nun gibt es auch Kritik an der Islamkonferenz von ganz anderer Seite, nämlich von den säkularen Muslimen, die sagen, die Konferenz ist viel zu stark muslimisch ausgerichtet, und die deutsche Politik sei im Umgang mit muslimischen Gruppierungen zu vorsichtig. Der Bundesinnenminister sollte auch Forderungen an die vielen praktizierenden Muslime stellen und nicht nur moderieren. Was halten Sie davon?

    Öney: Also wie der Name schon sagt, es ist die Deutsche Islamkonferenz, folglich befasst man sich mit den Muslimen, folglich geht es um die Probleme von Muslimen, aber ich denke auch, dass der Innenminister Forderungen an die Muslime stellt, das passt nicht allen Muslimen. Anscheinend passt es aber auch einigen säkularen …

    Kaess: Welche Forderungen sehen Sie da genau?

    Öney: … Gruppierungen nicht. Ich glaube, dass man sehr deutlich vernehmen kann die Forderung, beim Thema innere Sicherheit sich einzubringen. Da gibt es ja auch Partnerschaffen beziehungsweise Abkommen, die da geschlossen wurden. Ich glaube, dass der Innenminister sehr deutlich wurde bei der Frage zum Thema Geschlechtergerechtigkeit.

    Kaess: Und sehen Sie da, dass die Forderungen von muslimischer Seite erfüllt werden?

    Öney: Ich glaube, dass sich die muslimischen Verbände mühe geben, die einen mehr, die einen weniger, dasselbe Problem oder dieselben Probleme oder Herausforderungen haben wir in Baden-Württemberg genau so. Wenn man aber den Muslimen deutlich macht, dass uns nicht daran liegt, sie zu bevormunden und uns in ihre Religion einzumischen, sondern einfach nur auch klarzumachen, wie die Spielregeln in Deutschland sind, wird das auch verstanden und von einigen akzeptiert, von einigen nicht akzeptiert. Wir haben von Anfang an gesagt, wir möchten gerne diejenigen einladen, die eben nicht vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Das sind dann in der Regel eben nicht die radikalen Muslime, und deswegen funktioniert das in Baden-Württemberg beim Runden Tisch Islam eigentlich sehr gut.

    Kaess: Frau Öney, die Islamkonferenz ist das zentrale Gremium für den Dialog zwischen Staat und Muslimen. Wie steht dieses Gremium jetzt nach diesen Kontroversen da? Macht es überhaupt Sinn, weiterzumachen?

    Öney: Ich glaube, der Weg ist das Ziel. Wir sind ja noch nicht am Ende. Die Debatten mit den Muslimen wird es immer wieder geben, wir werden auch neue Debatten haben, wir werden neue Beschneidungsdebatten haben, wir werden neue Sicherheitsdebatten haben, und wir werden neue Debatten zum Thema Rolle der Frau im Islam haben. Also der Prozess ist nicht abgeschlossen und sollte auch immer weiter fortgeführt werden. Die Deutsche Islamkonferenz hat nun zum letzten oder soll zum letzten Mal tagen, aber ich hoffe und baue darauf, dass die Diskussion mit den Muslimen weiter verfolgt werden, und dass wir auch beim Thema interreligiöser Dialog nicht nachlassen, sondern auch den interreligiösen Dialog mit den Christen, mit den Muslimen, aber auch mit den jüdischen Verbänden natürlich fortführen.

    Kaess: Frau Öney, der Streit um die Islamkonferenz findet statt vor dem Hintergrund des gerade begonnenen NSU-Prozesses, was erwarten Sie von dem Prozess?

    Öney: Ich glaube, dass es hohe Erwartungen in den NSU-Prozess gibt, allerdings darf man nicht vergessen, dass die Hauptangeklagte ja schon verkündet hat, bereits … sie hat ja schon von Anfang an deutlich gemacht, dass sie nichts sagen wird, deswegen muss man gucken, was dabei herauskommt. Was wir natürlich alle hoffen, ist, dass der Prozess zu mehr Aufklärung führt, das wünschen sich übrigens nicht nur die Türken, sondern natürlich auch viele, viele, oder die meisten deutschen Bürger wünschen sich das auch, und deswegen bleibt das abzuwarten.

    Kaess: Wie muss der Prozess verlaufen, damit die Angehörigen der Opfer auch das Gefühl haben, der Rechtsstaat funktioniert auch für sie?

    Öney: Der Prozess wird mit Sicherheit und hoffentlich sehr fair verlaufen, etwas anderes mag ich und kann mir gar nicht vorstellen.

    Kaess: Wie bewerten Sie, dass Beate Zschäpe und die anderen Angeklagten sich im Gerichtssaal relativ selbstbewusst gegeben haben bei ihrem ersten Auftreten?

    Öney: Wahrscheinlich haben auch sie sich auf den Prozess eingestellt. Der Prozess wird ja von diversen Medien als Jahrhundertprozess beschrieben, insofern ist ihnen das vermutlich auch bewusst, und dass sie dann mit Muskeln spielen, das gehört wahrscheinlich auch zum Spiel.

    Kaess: Sagt Bilkay Öney von der SPD, Ministerin für Integration in Baden-Württemberg. Danke für das Gespräch!

    Öney: Sehr gerne!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.