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AfD-Vorschlag zum Asylstopp für Muslime
"Religionsfreiheit ist kein Super-Grundrecht"

Als Reaktion auf die jüngsten Anschläge in Deutschland unterstützt der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen die Forderung seines Parteikollegen Alexander Gauland nach einer Einschränkung des Asylrechts für Muslime. Er verweist auf eine Gefährdungslage durch die Flüchtlingsbewegung. Gegebenenfalls müsse das Grundrecht auf Religionsfreiheit angepasst werden, sagte Meuthen im DLF.

Jörg Meuthen im Gespräch mit Sandra Schulz | 28.07.2016
    AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen
    AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen (imago / 7aktuell)
    Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen betonte, es sei möglich, Regulierungen der Religionsfreiheit vorzunehmen, wenn sie zu anderen Grundrechten in Konflikt gerieten. Die Religionsfreiheit sei "kein Super-Grundrecht". Man könne nicht übersehen, dass es in der Bundesrepublik durch die Flüchtlingsbewegung eine Gefährdungslage gebe, die überwiegend "aus dem muslimischen Bereich" käme. Dies habe auch die Kanzlerin festgestellt, meinte Meuthen. Merkel habe darauf verwiesen, dass die Flüchtlingsbewegung genutzt werde, um Terorristen einzuschleusen. Meuthen erklärte, darauf müsse die Politik reagieren und gegenfalls das Recht anpassen. Es gebe ein kapitales Problem der inneren Sicherheit.
    Der stellvertretende AfD-Chef Alexander Gauland hatte vor dem Hintergrund der jüngsten Gewalttaten in Deutschland einen Einwanderungsstopp für Muslime ins Gespräch gebracht, bis alle hier lebenden Asylbewerber registriert seien.

    Das Interview in voller Länge:
    Sandra Schulz: Nizza, Würzburg, München, Ansbach und am Dienstag Saint Étienne-de-Rouvray - Ortsmarken von Angriffen und Anschlägen. Keiner davon ist länger her als zwei Wochen. Eine nicht für möglich gehaltene Abfolge von Gewalttaten. Eine hastig geführte Debatte über die innere Sicherheit, die hat jetzt auch die Kanzlerin gezwungen zu reagieren. Die kurzfristig angesetzte Pressekonferenz zu, so hieß es in der Einladung, aktuellen Themen der Innen- und Außenpolitik. Das ist die vorgezogene Sommer-Pressekonferenz von Angela Merkel.
    Jetzt schlage ich noch mal den Bogen. Es war ja nach den Anschlägen so - nach den Anschlägen von Paris, muss man jetzt nach dieser Abfolge ja schon dazu sagen -, nach den Anschlägen aus dem November, dass der US-Milliardär Donald Trump, der inzwischen ja auch offiziell Präsidentschaftskandidat der Republikaner ist, einen Einreisestopp für Muslime gefordert hat, ein totales und vollständiges Einreiseverbot für Muslime. So hat er es damals gesagt.
    Inzwischen hat er die Forderung zwar relativiert mit den Worten, das sei nur ein Vorschlag gewesen, aber dem AfD-Vize Alexander Gauland, dem war es trotzdem Inspiration genug. Ich zitiere die Pressemitteilung von gestern: "Vor dem Hintergrund der vielen schrecklichen Terroranschläge muss jetzt das Asylrecht für Muslime umgehend ausgesetzt werden." Das hat Gauland so in seiner Pressemitteilung geschrieben mit Blick auf die von Islamisten reklamierten Anschläge in Deutschland und auch in Frankreich. Der Einreisestopp müsse gelten, bis die Anträge aller Asylbewerber in Deutschland bearbeitet worden seien.
    Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums nannte das mit unserem Verständnis der Religionsfreiheit für nicht vereinbar, und darüber wollen wir jetzt sprechen. Am Telefon ist der Vorsitzende der AfD, einer der beiden Sprecher. So heißt das Amt offiziell bei der AfD. Guten Morgen, Jörg Meuthen.
    Jörg Meuthen: Guten Morgen, Frau Schulz.
    Schulz: Herr Meuthen, ich zitiere das Grundgesetz, Artikel drei Absatz drei: "Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen und politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden." Sieht man das auch bei der AfD so?
    Meuthen: Ja selbstverständlich!
    Schulz: Und wie passt das mit den Äußerungen von Herrn Gauland zusammen?
    Meuthen: Nun, man muss da schon genau hinschauen. Es ist natürlich durchaus möglich, gewisse Regulierungen der Religionsfreiheit vorzunehmen, wenn sie zu anderen Grundrechten in Konflikt geraten. Und wir haben hier erkennbar ein Spannungsfeld, das sich ergibt zur freien Entfaltung der Persönlichkeit nach Artikel zwei Absatz eins und auch zum Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Artikel zwei Absatz zwei.
    Und wenn das in Konflikt miteinander gerät, dann muss man sagen, die Religionsfreiheit ist kein Supergrundrecht, und wenn eine solche Gefährdung zustande kommt, dann müssen Einschränkungen auch möglich sein, die übrigens nicht gelten für Muslime, die hier sind. Die haben ein uneingeschränktes Recht auf Ausübung ihrer Religionsfreiheit. Das steht ja völlig außer Frage.
    "Wir verstehen uns als Rechtsstaatspartei"
    Schulz: Jetzt müssen wir an dieser Stelle ein bisschen technisch werden, weil Sie die Religionsfreiheit zitieren, das Grundrecht aus Artikel vier, das ja der AfD, was Sie mehrfach betont haben, auch sehr wichtig ist. Ich sprach ja jetzt von Artikel drei, von dem Diskriminierungsverbot gegenüber Religionen, das gar nicht eingeschränkt werden kann, oder jedenfalls nicht so, wie es bei der Religionsfreiheit der Fall ist. Das hat das Innenministerium gestern ja auch so eingeordnet und das waren auch die Einordnungen von Verfassungsjuristen.
    Sie machen jetzt einen Vorschlag, der mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist. Ist die AfD denn mit dem Grundgesetz kompatibel?
    Meuthen: Ja aber vollständig! - Nein, wir verstehen uns als Rechtsstaatspartei. Und ich würde auch nicht sagen, dass die Äußerungen von Gauland da nicht mit dem Grundgesetz vereinbar wären. Sie müssen bitte auch sehen, dass es Artikel gibt mit Ewigkeitscharakter. Das sind die Artikel eins und 20, nicht etwa eins bis 20. Und alles andere ist im Grunde genommen änderbar. Und wir können nicht übersehen, dass wir eine Gefährdungslage haben, und zwar eine massive durch Flüchtlingsbewegungen, die ganz überwiegend aus dem muslimischen Bereich kommen. Das stellt ja die Kanzlerin selbst fest. Sie hat neulich bei der Wahlkampferöffnung in Mecklenburg-Vorpommern gesagt, dass die Flüchtlingsbewegungen zum Teil dazu benutzt werden, um Terroristen einzuschleusen.
    Das ist nicht unsere Bemerkung, sondern das hat Frau Merkel inzwischen auch selber bemerkt.
    Können wir denn darauf nicht reagieren? - Das müssen wir doch. Und insofern muss man gegebenenfalls auch Recht anpassen, denn das Recht hat den Menschen zu dienen und nicht die Menschen dem Recht.
    "Wir haben ein kapitales Problem der inneren Sicherheit"
    Schulz: Dann halte ich an dieser Stelle aber fest, weil es ja auch manchmal die Situation gab, dass es AfD-Leute gab, die was gesagt haben, und dann war es aber ein Missverständnis. Diese Einschränkung des Asylrechts für Muslime, das ist nicht nur die Meinung von Herrn Gauland, sondern das ist die Haltung der AfD?
    Meuthen: Das ist zunächst mal eine Meinung, die Herr Gauland in die Diskussion geworfen hat, und ich finde das auch völlig legitim. Herrn Gauland ist dabei völlig bewusst - das weiß ich, weil ich mit ihm im Gespräch auch immer bin -, dass das mit der gegenwärtigen Rechtslage durchaus in Konflikt gerät.
    Politik muss aber Gestaltungswillen haben und zu erkennen geben, wie man Probleme löst, und wir haben hier ein kapitales Problem der inneren Sicherheit. Das zeigen nun die jüngsten Anschläge ganz deutlich und das ist auch keine ganz neue Erkenntnis. Darauf muss Politik reagieren und da muss man auch schauen, ob die Rechtslage mit den Anforderungen für die Gesellschaft kompatibel ist, und das ist sie hier nicht mehr und darauf müssen wir reagieren, und da liefert Herr Gauland einen wichtigen Diskussionsbeitrag.
    Schulz: Teilen Sie den Vorstoß von Herrn Gauland, von dem Sie jetzt gerade selbst sagen, er sei rechtlich angreifbar?
    Meuthen: Ich halte grundsätzlich Grenzschließungen in dieser Situation für notwendig, solange - und das sagt Herr Gauland ja sehr klar ...
    Schulz: Nein! Herr Gauland spricht von einem Asylstopp für Muslime. Er spricht nicht von einer Grenzschließung.
    Meuthen: Und er spricht davon, dass das nicht auf Dauer sein müsse, sondern bis die Anträge derjenigen bearbeitet sind - das kommt unmittelbar in dem gleichen Satz vor -, die bereits eingereist sind. Und er weist darauf hin, dass 150.000 unbearbeitete Anträge da liegen. Das ist auch eine rechtliche Problematik. Und wir haben ein Chaos, das ist geschaffen worden, auch beruhend auf einem Verfassungsbruch, nämlich ein Widerspruch zu Artikel 16A Absatz zwei des Grundgesetzes. Der ist von der Regierung geschaffen worden.
    Wir haben hier eine massenweise Einreise aus sicheren Drittstaaten. Das ist zunächst mal grundgesetzwidrig. Das haben auch andere festgestellt als AfD-Politiker, so zum Beispiel die Verfassungsrechtler Di Fabio und Papier.
    "Wir müssen das islamistische Gefährdungspotenzial einschränken"
    Schulz: Wir haben jetzt eine Situation, in der die Zuspitzung nicht größer sein könnte. Wir hatten zwei mutmaßlich islamistisch motivierte Anschläge. Wir hatten einen Amoklauf von München, hinter dem sehr wahrscheinlich ein rechtsextremistisches Weltbild stand. Welchen Beitrag will die AfD denn jetzt leisten für Versöhnung in unserem Land?
    Meuthen: Wir müssen bei diesen Anschlägen zunächst mal unterscheiden. Der Anschlag von München hat nun mit einem islamistischen Hintergrund - das wissen wir - nichts zu tun, und deswegen kann man den da rausnehmen. Das war ein Amoklauf, der nicht mit Islamismus in Zusammenhang zu bringen ist. Das ist in Würzburg anders, das ist in Ansbach anders, das ist bei den französischen Taten anders. Und hier müssen wir sehen, dass wir, so gut das möglich ist - und das ist eine sehr schwere Aufgabe, die eine gesamtgesellschaftliche ist - dieses islamistische Gefährdungspotenzial so weit wie irgend möglich einschränken.
    Schulz: Was ist mit dem Rechtsterroristischen?
    Meuthen: Das ist ja kein Rechtsterrorismus. München ist eine Einzeltat eines verwirrten 18jährigen. Das hat nun mit dem Thema, über das wir sprechen, nämlich islamistischer Gefährdung nichts zu tun. Das ist ja auch hinlänglich festgestellt, das ist auch eine Tatsache, da kann man nicht drüber streiten.
    Schulz: Es war der Amoklauf eines Rassisten.
    Meuthen: Bitte?
    Schulz: Es war der Amoklauf eines Rassisten.
    Meuthen: Ja, das sehe ich auch so. Das gibt es, ja.
    "Wir haben eine ganz gefährliche Tendenz zur Radikalisierung in der Gesellschaft"
    Schulz: Okay, alles klar. - Und der Beitrag zur Versöhnung, nach dem ich fragte?
    Meuthen: Der Beitrag zur Versöhnung muss darin bestehen, dass wir zunächst einmal die innere Sicherheit wiederherstellen. Denn wir haben eine ganz gefährliche Tendenz zur Radikalisierung in der Gesellschaft. Die müssen wir aufhalten. Wir werden, wenn wir so weitermachen und das alles nicht bekämpfen, was wir da erleben, eine weitere Radikalisierung der Gesellschaft erleben, der wir alle etwas entgegenhalten müssen, und das heißt erst mal innere Sicherheit wiederherstellen.
    Wiederherstellen heißt, die ist verletzt. Wir haben im Moment massive Gefährdungen der freien Entfaltung der Persönlichkeit. Die Menschen haben Angst, sich im öffentlichen Raum zu bewegen, auf Bahnhöfen, auf Flughäfen, auf Konzerten und so weiter, Fußballveranstaltungen und Ähnliches. Und sie haben Angst um ihr Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Das ist ein Klima der Angst, in dem Versöhnung nicht gelingen kann. Also müssen wir zunächst einmal Sicherheit wiederherstellen.
    Schulz: Der Vorsitzende der AfD, Jörg Meuthen, heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk. Ganz herzlichen Dank für das Interview.
    Meuthen: Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.