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Afghanische Skifahrer
Vom Hindukusch in die Alpen

Am Montag beginnen in St. Moritz die Alpinen Skiweltmeisterschaften. Dort treten Wintersportler aus 75 Nationen in sechs Disziplinen an – darunter zwei Skifahrer aus Afghanistan. Ihre Konkurrenz auf der Piste belächelt sie. Doch die beiden Sportler haben noch ganz andere Träume.

Von Alexander Davydov und Martin Franke |
    Skifahren in Afghanistan: Skichallenge in der Bamiyan-Provinz.
    Skifahren am Hindukusch: Bei der ersten Skichallenge in der Bamiyan-Provinz wurden die beiden afghanischen Nachwuchssportler entdeckt. (AFP - Abdul Latif Azimi)
    Es ist noch dunkel an der Signalbahn in St. Moritz, da geht's für Sajjad Husaini und Alishah Farhang schon zum Training in die Berge. Die beiden Skifahrer sind die ersten Afghanen, die sich für die Weltmeisterschaften qualifiziert haben. Auf Einladung der Stadt trainieren die zwei Bauernjungs aus Bamiyan für drei Monate in dem Schweizer Luxusort - unter besten Bedingungen. In ihrer Heimat, 180 Kilometer westlich von Kabul, gibt es keine Sessellifts, keine Skilehrer und keine planierten Pisten: Für fünf Minuten Abfahrt marschieren sie im Hindukusch bis zu zwei Stunden den Berg hinauf.
    Doch auch der Weg in den internationalen Profisport ist weit und hart. Die meisten europäischen Konkurrenten stehen seit Kindesbeinen auf den Brettern, die zwei afghanischen Skirennläufer dagegen erst seit sechs Jahren. Aufgeben kommt für sie dennoch nicht in Frage, erklärt Sajjad Husaini.
    Nicht so professionell, aber besonders motiviert
    "Natürlich sind wir nicht so professionell wie die erfahrenen Sportler. Wenn sie über dich lachen, ist das ziemlich schwierig. Aber das bedeutet doch nicht, dass wir aufhören sollen. Es motiviert mich, beim nächsten Mal besser zu werden."
    In Afghanistan gibt es zwar viel Schnee, der alpine Sport ist jedoch wenig bekannt. Ein Schweizer Journalist organisierte 2011 zum ersten Mal die sogenannte "Afghan Ski Challenge", ein Skirennen im Hochland Afghanistans. Dabei entdeckte er die zwei Nachwuchssportler. An die ersten Gehversuche auf Skiern kann sich der heute 26-jährige Alishah noch gut erinnern.
    "Am ersten Tag wusste ich nicht, wie das mit den Skiern funktionierte. Aber dann, als ich schließlich den Dreh 'raus hatte und lernte abzubremsen, hat es richtig Spaß gemacht. Der erste Tag aber war eine furchtbare Erfahrung."
    In Afghanistan gibt es keine Rettungsteams
    Pulverschnee und wilde Pisten: Wer in Afghanistan Ski fährt, muss das Risiko kennen, erklären die beiden Sportler. Es gebe keine Rettungsteams – nur das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Damit diese noch besser werden, haben Sajjad und Alishah in St. Moritz einen Trainer zur Seite. Der Schweizer Alvin Ganz bereitet die zwei Athleten auf das Wettrennen im Riesenslalom vor, fordert und fördert sie. Auch wenn den Exoten aus Afghanistan noch bis zu 20 Sekunden auf die Weltrangspitze fehlen – der Trainer gibt sich zuversichtlich.
    "Sie lernen hier von Grund auf das richtige Skiverhalten bei mir. Ich muss sie lehren, das Gelände zu lesen, mit Kompressionen und mit Buckeln oder mit Übergängen zu arbeiten."
    Kaum Aussicht aufs Podium, und trotzdem Lob
    Ein guter Start, der richtige Radius in den Kurven, ein sauberer Lauf: Kleinste Hinweise verbessern die Zeit der Skirennfahrer – Tag für Tag. Dass sie kaum Aussichten auf das Podium haben, ist in St. Moritz kein Geheimnis – dennoch gibt es viel Lob vom Trainer.
    "Ich glaube, ihre Stärken haben sie, indem dass sie wirklich wollen, indem sie Spaß haben an dem, was sie machen und wirklich reinbeißen, um die Bewegungen reinzukriegen."
    Auch Martin Berthod ist positiv eingestellt. Der Sportdirektor von St. Moritz hat Sajjad und Alishah in die Schweiz geholt. Für ihn sind sie nicht einfach nur afghanische Skifahrer, sondern auch Botschafter ihres Landes.
    "Es tut St. Moritz gut, sich ein solches Engagement anzunehmen. Uns geht es gut und wir möchten etwas weitergeben, Jugendliche, die keine Beschäftigung haben. Und so können wir ihnen sportlich etwas bieten und können ihnen in ihrer Ausbildung respektive Zukunft etwas mitgeben und wir hoffen, wir können das erreichen."
    Sajjad und Alisha stehen wir ein Afghanistan fernab von Taliban und Terror
    Sajjad und Alisha werden als erstes Team mit der Nationalflagge einlaufen. Die beiden stehen für ein anderes Afghanistan - fernab von Taliban und Terror. Sie sind die Skipioniere vom Hindukusch, wenn auch mit geringen Chancen bei den Weltmeisterschaften. Doch sie haben noch etwas anderes vor: Ihr Traum heißt Olympia. Bei den Winterspielen 2018 in Südkorea wollen sie unbedingt dabei sein. Ob sie für ihr Land antreten werden, ist noch ungewiss. Ihre Hoffnung aber ist riesig.
    "Für mich wäre es das Größte, wenn wir als Erste Afghanistan bei den Olympischen Winterspielen repräsentieren würden. Das würde der nächsten Generation die Hoffnung geben, dass auch sie es schaffen können."